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Patient darf mehr als die reine ärztliche Leistung bewerten
| Die Benotung einer ärztlichen Behandlung darf mehr berücksichtigen als die reine ärztliche Leistung (LG München I 28.5.13, 25 O 9554/13). |
Die Parteien streiten über Äußerungen auf einem Ärztebewertungsportal im Internet. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung klagende niedergelassene Arzt ist Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie. Er hatte gegen ein Ärztebewertungs-Portal geklagt, auf dem Nutzer die Leistungen in fünf Kategorien (u.a. „Behandlung“) durch Abgabe einer Note anonym bewerten und einen Kommentar schreiben können.
Mit Datum vom 18.03.2013 wurde der Arzt auf dem Portal mit der Durchschnittsnote „3,4“ von einem Patienten bewertet, wobei die „Behandlung“ die Teilnote „4“ erhielt, beigefügt war ein Kommentar mit der Überschrift „guter Arzt - windiger Geschäftemacher“:
- „Habe mir von Herrn … die Ohren Ende Dezember 2012 anlegen lassen und hierfür kanpp 1.700,00 EUR bezahlt. Das kosmetische Ergebnis ist zufriedenstellend, die Ohren liegen ausreichend an und die Wundheilung verlief problemlos - Herr … arbeitet also ordentlich und gewissenhaft. Meine Freunde wurde dadurch getrübt, dass ich erfahren habe, dass Herr … unter dem Pseudonym „…“ auf Plattformen im Internet seine Dienstleistung erheblich (ca. 700,00 EUR) günstiger anbietet, als (privat zahlenden) Patienten in einer Praxis. … Fazit: Guter Arzt, aber informiert euch vorher!“
Das Gericht entschied, dass der Arzt keinen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Veröffentlichung nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 3, 1, 12 GG hat:
Die streitgegenständliche veröffentlichte Benotung ist zwar geeignet, den Verfügungskläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen, da die Äußerungen das berufliche Ansehen und den Ruf des Verfügungsklägers in der Öffentlichkeit negativ tangieren. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung ist jedoch nicht rechtswidrig, denn eine Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers und der Meinungsfreiheit des Verfassers, ergibt die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Äußerung.
Bei der hier beanstandeten Benotung handelt es sich um eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung, die sich von Meinungsäußerungen dadurch unterscheidet, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene, die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BVerfG, NJW 2000, 199). Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen.
Wie sich aus dem Kommentar ergibt, war mit ausschlaggebend für die Benotung der Behandlung mit der Note 4, der Umstand, dass der Verfügungskläger seine Leistungen anderweitig günstiger anbietet. Dieser zugrunde liegende Tatsachenkern ist unstreitig. Die Gründe für diese Bewertung wurden im Kommentar offengelegt. Die Ansicht des Arztes, dass der Autor bei der Benotung des Punktes „Behandlung“ lediglich die reine ärztliche Leistung bewerten dürfe, folgt das Gericht nicht.
Es ergibt sich gerade aus dem Kommentar, was der Autor mit zugrundegelegt hat.
Im Übrigen ergibt sich auch aus der rein medizinischen Beurteilung nicht, dass der Leistung eine Note 2 hätte gegeben werden müssen. Die Angabe, das kosmetische Ergebnis sei zufriedenstellend, die Ohren würden ausreichend anliegen, kann durchaus auch noch mit einer Note 4 in Einklang gebracht werden. Die beanstandete Benotung mit dem Kommentar - wie er noch veröffentlicht ist - ist durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt.
Schließlich liegt auch keine unsachliche Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung vor.