· Fachbeitrag · Praxisgemeinschaft
Wie viele gemeinsame Patienten sind erlaubt?
Hohe Patientenidentität deutet bei einer Praxisgemeinschaft auf Gestaltungsmissbrauch hin. Missbrauch wird lt. BSG ab einer Patientenidentität von 50 % unterstellt. Allerdings können schon 20 % auffällig sein. (LSG Niedersachsen-Bremen 21.3.12, L 3 KA 103/08, Rev. zugelassen). |
Sachverhalt
Eine Fachärztin für Allgemeinmedizin und Kinderheilkunde war bis Ende Dezember 2004 in einer Praxisgemeinschaft mit einem Facharzt für Allgemeinmedizin. Bei einer erweiterten Plausibilitätsprüfung zum Quartal I/2002 stellte die KV eine Patientenidentität von 43,77 % fest, d.h., fast die Hälfte der Patienten war bei beiden Ärzten in Behandlung. Die Leistungen für die Mehrzahl der Patienten wurden von beiden Ärzten vor allem als eigene Leistungen abgerechnet, weniger als Vertretungsleistungen oder Bereitschaftsdienst. Die hohe Patientenidentität veranlasste die KV die Honorarabrechnung zu kürzen, da der Verdacht bestand, die Ärzte hätten das Honorarvolumen, z.B. durch zweimaliges Abrechnen der Ordinationsgebühr aufgebläht.
Anmerkung
Wenn zwei Ärzte derselben Fachrichtung in einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeiten und mehr als 50 % der Patienten in einem Quartal gemeinsam behandeln, liegen de facto Verhältnisse wie in einer Gemeinschaftspraxis vor. Bei einer so hohen Patientenidentität muss das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation erfordert (BSG 22.3.06, B 6 KA 76/04 R).
Allerdings kann auch bei weniger als 50 % kann bereits ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen (LSG Nordrhein-Westfalen 3.12.06, L 11 KA 82/05: 37,6 % bzw. 38,2 %; bestätigt von BSG 5.11.08, B 6 KA 17/07 B). Dabei hat das BSG darauf abgehoben, dass eine Abrechnungsauffälligkeit bei der Überschreitung eines Grenzwerts von 20 % Patientenidentität zu vermuten ist (vgl. hierzu § 11 Abs. 2 AbrPr-RL in der Fassung vom 1.7.08); denn die bei Praxisgemeinschaften üblicherweise auftretenden Patientenidentitäten sind deutlich geringer (LSG Nordrhein-Westfalen 13.12.06, L 11 KA 60/06: 3 bis 5 %, vgl. auch Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl., § 106a Rn. 175 ff.: normalerweise bis maximal 15 %).
Praxishinweise
Das LSG Niedersachsen-Bremen geht auch dann von einer missbräuchlichen Nutzung der Praxisgemeinschaft aus, wenn die Ärzte nur zwischen 20 % und 50 % der Patienten gemeinsam behandelt haben, sich aber anhand weiterer Umstände des Einzelfalls ergibt, dass sie tatsächlich wie die Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis zusammenarbeiten. Hier konnte die Ärztin nachweisen, dass von den 709 gemeinsamen Patienten 426 berechtigte Vertretungen und weitere 28 Bereitschaftsdienstfälle waren. Damit sank die Quote auf 16 %. Daher sollten Vertretungsfälle ausführlich dokumentiert werden. Problematisch ist auch, wenn es so aussieht, als ob die Ärzte einer Praxisgemeinschaft ihre Arbeitszeiten aufeinander abstimmen würden. Das könnte als Indiz für eine arbeitsteilige Organisation der Behandlung gewertet werden.