· Nachricht · Riester-Rente
Der Ausschluss von Rechtsanwälten und Steuerberatern vom Sonderausgabenabzug ist nicht verfassungswidrig
Die Nichteinbeziehung eines Pflichtversicherten in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (Steuerberaterversorgung) in die Begünstigung des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 S. 1 EStG für Altersvorsorgebeiträge zur sogenannten Riester-Rente verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG (FG München 5.3.12, 7 K 2772/09, Rev. BFH X R 11/13). |
Sachverhalt
Der Kläger erzielte als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Er war zunächst bei der Deutschen Rentenversicherung gesetzlich rentenversichert, wurde dann jedoch von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zugunsten der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung befreit. Mit Einspruch gegen mehrere Einkommensteuerbescheide machte er einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 S.1 EStG erfolglos geltend. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass er die Voraussetzungen für einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug nicht erfülle, da er in den Streitjahren nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen sei.
Mit ihrer Klage halten die Kläger an ihrem Begehren fest. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des 10a Abs. 1 S. 1 EStG. Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwälte und Steuerberater könne nicht anders beurteilt werden, als die Pflichtmitgliedschaft in der Deutschen Rentenversicherung. Beide Einrichtungen seien unter den Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung des § 10a Abs. 1 EStG zu subsumieren. Bei beiden Einrichtungen bestehe eine Pflichtmitgliedschaft und in keiner der Einrichtungen werde der Kläger von der demografischen Entwicklung verschont. Aus der Gesetzesbegründung des Altersvermögensgesetzes gehe klar die Absicht des Gesetzgebers hervor, dass denjenigen eine Zulagenförderung und ein zusätzlicher Sonderausgabenabzug gewährt werden solle, die von der zukünftigen Absenkung des Versorgungsniveaus in den gesetzlichen Versorgungssystemen negativ betroffen sein werden. Spätestens seit der deutlichen Absenkung der Anwartschaftsprozentsätze im Versorgungswerk der Steuerberater in Bayern zum 1.1.05 seien die dortigen Pflichtmitglieder in gleicher Weise von den demografischen Veränderungen betroffen, wie die Pflichtmitglieder bei der Deutschen Rentenversicherung und daher unmittelbar förderungswürdig. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das BMF in einschlägigen Verlautbarungen z.B. in der Künstlerkasse pflichtversicherte Künstler als dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zugehörig behandele, obwohl hierfür keinerlei Erwähnung in § 10a EStG zu finden sei. Pflichtversicherte in einem berufsständischen Versorgungswerk würden dagegen ohne gesetzliche Legitimation als nicht begünstigte Personen bezeichnet.
Anmerkungen
Das FG München sieht die Klage als unbegründet an: Zu Recht hat das Finanzamt den Sonderausgabenabzug des Klägers nach § 10a Abs. 1 EStG zu Recht verneint, denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10a Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG gehört der Kläger nicht zu dem begünstigten Personenkreis dieser Regelung.
Sinn und Zweck von § 10a EStG
Auch Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des § 10a EStG ergeben keine Anhaltspunkte für die Ableitung eines anderen Ergebnisses. Aus den Gesetzesmaterialien geht eindeutig hervor, dass nur die durch das Altersvermögensgesetz und das Versorgungsänderungsgesetz von der zukünftigen Absenkung des Rentenniveaus bzw. der Versorgungsbezüge Betroffenen Begünstigte des Sonderausgabenabzugs sein sollten (vgl. BT-Drs. 14/5150, 35 zum Altersvermögensgesetz und BT- Drs. 14/7064, 52 zum Versorgungsänderungsgesetz). Die in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung Pflichtversicherten werden ausdrücklich als nicht zum Kreis der Begünstigten gehörig angeführt (vgl. BT- Drs. 14/5150, 35). Der Kläger gehört mit der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung einem anderen Alterssicherungssystem an als der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung, d.h. er unterliegt keiner Absenkung seiner Versorgungsleistungen aufgrund des Altersvermögensgesetzes bzw. des Versorgungsänderungsgesetzes
Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
Die Regelung des § 10a Abs. 1 S. 1 EStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit den in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten (§ 10a Abs 1 S. 1 HS 1 EStG) und gleichgestellten Personen (§ 10a Abs. 1 S. 1 HS 2 EStG) eine steuerliche Begünstigung in Gestalt des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgebeiträge bei der Einkommensteuer gewährt wird, Pflichtversicherte einer berufständischen Versorgungseinrichtung jedoch von dieser Begünstigung ausgeschlossen sind. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten bleibt, ohne dass sich aus der Natur der Sache ergebende oder sonst wie einleuchtende Gründe für die gesetzliche Differenzierung finden lassen. Der Gesetzgeber darf den begünstigten von dem nichtbegünstigten Personenkreis nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich abgrenzen. Steuerberater und Rechtsanwälte, die als Pflichtversicherte in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung einem anderen Alterssicherungssystem als der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Beamtenversorgung angehören, müssen weder nach dem Altersvermögensgesetz noch nach dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 eine Absenkung ihrer Versorgungsleistungen hinnehmen. Das Bundesverfassungsgericht sah dies als hinreichenden sachlichen Grund dafür an, diese Personengruppe nicht in die Begünstigung des Sonderausgabenabzugs nach § 10a Abs. 1 S. 1 EStG einer zusätzlichen freiwilligen privaten Altersvorsorge einzubeziehen (BVerfG 18.12.02, 2 BvR 367/02). Diese Argumentation hat auch angesichts der von den Klägern angeführten Neuregelung des Sonderausgabenabzugs von Beiträgen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen (§ 10a Abs. 1 Nr. 2a EStG) und der Besteuerung von Rentenleistungen der berufsständischen Versorgungseinrichtungen (§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) durch das Alterseinkünftegesetz ab 1.1.05 weiterhin Bestand.
Soweit der Kläger vorträgt, dass ein Gleichheitsverstoß darin liege, dass auch Personen, die in einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, eine Förderung nach § 10a EStG erhalten, obwohl es bei den ausländischen Rentenversicherungen keine Absenkung des Rentenniveaus und somit keinen Grund für die Gewährung der Förderung des § 10a EStG gebe, kann dem nicht gefolgt werden. Begünstigte Personen sind nach § 10a Abs. 1 S. 1 HS 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung „in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte“. Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sich um ein sachgerechtes Kriterium zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises von Personengruppen, die anderen Alterssicherungssystemen angehören und nicht von einer Absenkung ihrer Versorgungsbezüge durch das Altersvermögensgesetz betroffen sind. Der Gesetzgeber konnte insoweit typisieren und unterstellen, dass mit diesem Tatbestandsmerkmal im Grundsatz diejenigen von der Förderung erfasst werden, die von den leistungsrechtlichen Auswirkungen des Altersvermögensgesetzes betroffen sind. Soweit aufgrund dieses Tatbestandsmerkmals auch unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer erfasst werden, die in einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind (z.B. Grenzgänger), ist dies eine unter Gleichheitsgesichtspunkten hinnehmbare Folge dieser zulässigen Typisierung durch den Gesetzgeber. Ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss zulasten des Klägers, der nach seiner auf eigenen Antrag hin erfolgten Befreiung gerade kein Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung mehr ist, kann hieraus jedenfalls nicht abgeleitet werden.
Die Regelung des § 10a Abs. 1 S. 1 EStG ist auch insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, als sie Personen, die wie der Kläger bereits rentenrechtliche Anwartschaften erworben haben, aber dem entsprechenden gesetzlichen Alterssicherungssystem nicht mehr angehören, von dem Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 EStG ausschließt. Zwar ist der Kläger im Hinblick auf die bereits erworbenen Rentenanwartschaften wirtschaftlich von der Absenkung des Rentenniveaus betroffen. Die Unterscheidung des Gesetzgebers, nur Personen, die aktuell dem begünstigten gesetzlichen Alterssicherungssystem angehören, den Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG zu gewähren ist jedoch nicht willkürlich. Da die Einbeziehung dieser Personengruppe zu erheblichen Verzerrungen innerhalb der begünstigten Personengruppe führen würde, je nach Dauer der Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Alterssicherungssystem, bestand ein vernünftiger und einleuchtender Grund dafür, diese Personengruppe nicht in den Tatbestand des § 10a EStG einzubeziehen. Der Gesetzgeber konnte in diesem Zusammenhang typisieren und unterstellen, dass bei den Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung die leistungsrechtlichen Einschnitte größer sind, als bei denjenigen, die in der Vergangenheit dem gesetzlichen Sicherungssystem angehörten (Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, § 10a Rz. A 551).