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  • · Fachbeitrag · Sammelauskunftsersuchen

    Internethandelsplattformen wie Ebay und Amazon müssen Auskünfte über Nutzer erteilen

    von RA Christian Scur, ETL Medizinrecht, Berlin

    | Das FG Niedersachsen (30.6.15, 9 K 343/14 ) hat einen Auskunftsanspruch des Finanzamts auf die Nutzerdaten einer Internethandelsplattform bestätigt. Dem Finanzamt kam es dabei auf die Namen, Adressen und Bankverbindungen der dort tätigen Händler und Privatpersonen an, die Umsätze über 17.500 EUR pro Jahr erzielten. Zusätzlich wurde eine Aufstellung über die einzelnen Verkäufe verlangt. Das mit 28 Din-A4-Seiten umfangreiche Urteil, von denen allein 14 Seiten auf die Begründung entfallen, wird für Selbstständige, die ihre Umsätze verschleiern wollen, erhebliche Auswirkungen haben. |

    1. Die Vorgeschichte

    Das Finanzamt hatte die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, um Auskunft über Verkäufe niedersächsischer Unternehmen in den Jahren 2007 bis 2009 als Drittanbieter über eine Internethandelsplattform ersucht. Der Fall wies die Besonderheit auf, dass die Webseite mit der Internethandelsplattform nicht von der Klägerin selbst, sondern von ihrer luxemburgischen Muttergesellschaft betrieben und das Drittanbietergeschäft über den Internetmarktplatz von einer luxemburgischen Schwestergesellschaft durchgeführt wurde. Die Klägerin erbrachte gegenüber diesen beiden Gesellschaften aber eine Vielzahl an Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Webseite standen.

     

    Der 5. Senat des FG Niedersachsen (23.2.12, 5 K 397/10) hatte der Klage zunächst stattgegeben. Als entscheidend sah es dabei die zwischen Klägerin und den anderen Konzerngesellschaften bestehende Geheimhaltungsverpflichtung an. Auf Revision des Finanzamts hob der BFH (16.5.13, II R 15/12) das Urteil jedoch auf und verwies die Sache an das FG zurück. Denn das Auskunftsersuchen könne nach Auffassung des BFH nicht wegen einer privatrechtlich vereinbarten Geheimhaltung der Daten abgelehnt werden.

    2. Die Folgeentscheidung des FG Niedersachsen

    Der 9. Senat hat die Klage nun abgewiesen und ist der Auffassung, dass das Sammelauskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1. S. 1 AO gegenüber der Klägerin rechtmäßig war. Zwar war dieses an einen Dritten gerichtet, die vom BFH aufgestellten Grundsätze hierzu seien aber erfüllt.

     

    2.1 Unbeachtlichkeit zivilrechtlicher Geheimhaltungsvereinbarungen

    Die Klägerin kann sich nicht auf das Argument berufen, die erforderlichen Unterlagen stünden ihr nicht zur Verfügung, weil sie sich zivilvertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet hätte. Die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater, sondern ist von einer gesetzlichen Grundlage abhängig.

     

    2.2 Steuerfahndung erfordert konkrete Verdachtsmomente

    Weil im konkreten Fall die Steuerfahndung die Ermittlungen durchführte, bedurfte es eines hinreichenden Anlasses für Nachforschungen nach unbekannten Steuerpflichtigen und auch nach unbekannten Steuersachverhalten (BFH 16.5.13, II R 15/12). Diese konkreten Verdachtsmomente ergaben sich aus früheren Erkenntnissen, wonach eine Vielzahl der Nutzer von Internethandelsplattformen ihre Umsätze nicht ordnungsgemäß angegeben haben und es hierdurch zu nicht unerheblichen Steuerverkürzungen kam.

     

    Auf den Grundsatz der Subsidiarität konnte im Streitfall verzichtet werden. Denn es handelte sich um die Ermittlung der Steuerfahndung, bei denen § 208 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AO die Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes ausschließt.

     

    • Voraussetzungen für ein Sammelauskunftsersuchen

    Folgende Anforderungen sind an ein Sammelauskunftsersuchen zu stellen:

     

    • Primär ist die Auskunft bei den Beteiligten zu holen.

     

    • Andere Personen sollen erst dann zur Auskunft herangezogen werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch den Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (Subsidiarität). Dabei hat eine Prognoseentscheidung des Finanzamts im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zu erfolgen.

     

    • Der Beteiligte soll über das Auskunftsersuchen an Dritte informiert werden.

     

    • Zusätzlich ist erforderlich, dass die Auskunft vom Dritten zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist der hohe Stellenwert des Allgemeininteresses an einer Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen (BFH 16.5.13, II R 15/12)

    2.3 Verhältnismäßigkeit und Unzumutbarkeit

    Das Auskunftsersuchen war auch verhältnismäßig und zumutbar. Die Klägerin kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass die Erfüllung der Pflicht eventuell nur durch eine zeitaufwendige Einzelabfrage der Nutzerdaten möglich ist. Die Umsetzung der Pflicht ist Sache der Klägerin. Andernfalls würde durch entsprechende IT-Systeme der Steueranspruch auch zu leicht ausgehebelt werden können.

     

    2.3.1 Unzumutbarkeit

    Die Unzumutbarkeit ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Klägerin durch die Herausgabe der erbetenen personenbezogenen Daten einen strafbewährten Verstoß gegen das luxemburgische Datenschutzrecht begehen würde. Das FG war der Auffassung, dass schon kein Verstoß vorliege, weil die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Herausgabe vom Tatbestand ausgenommen ist.

     

    Aber auch in den Fällen eines bestehenden Verstoßes führe dies nicht zur Unzumutbarkeit. Das FG führt dabei die Auffassung des BFH an, wonach eine finanzbehördliche Aufforderung an einen inländischen Steuerpflichtigen zur Erteilung von Auskünften über ihn selbst betreffende, im Ausland verwirklichte Sachverhalte auch dann (völkerrechtlich) zulässig bleibt, wenn die Erteilung der Auskunft in dem ausländischen Staat unter Strafe gestellt ist. In dieser Hinsicht greife der Grundsatz, dass der deutsche Gesetzgeber etwaige - auch strafrechtliche - Auswirkungen eines Auskunftsverbotes nach ausländischem Recht grundsätzlich nicht gegen sich gelten lassen muss und wegen der drohenden Sanktionierung der Verletzung dieses Verbotes durch ausländische Behörden mit seinem nach deutschem Recht berechtigten Auskunftsverlangen nicht zurückzustehen braucht.

     

    2.3.2 Verhältnismäßigkeit

    Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn war gegeben. Denn der ausgelöste Ermittlungsaufwand stehe in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit. Dabei ist der fiskalische Ertrag und das Allgemeininteresse an einer Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen.

     

    In diesem Zusammenhang hatte das FG berücksichtigt, dass die Ermittlung einen Aufwand von mehreren Stunden nach sich gezogen hätte. Allein bei der Verweigerung von Zugangsberechtigungen durch die Klägerin hätte sich der Aufwand auf 45min pro dann erforderliche Einzelabfrage erhöht. Das Gericht war aber der Auffassung, dass konzerninterne Zugriffsbeschränkungen einem Auskunftsersuchen weder in tatsächlicher noch in zeitlicher Hinsicht entgegenstehen könnten. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Dritte eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) erhalten kann.

    3. Wie geht es weiter?

    Die Entscheidung des FG Niedersachsen ist von der Finanzverwaltung sicher mit Spannung erwartet worden; denn die Anonymisierung des Internets hat es den Nutzern bisher leicht gemacht, in erheblichem Umfang Waren zu vertreiben, die steuerlichen Pflichten aber zu vernachlässigen. Es ist zu erwarten, dass systematisch Auskunftsersuchen an die Betreiber der Plattformen gerichtet werden, um die bisherigen Steuerverkürzungen einzutreiben.

     

    Private und gewerbliche Anbieter auf entsprechenden Plattformen sollten sich der Konsequenzen bewusst sein: Steuerverkürzungen hinsichtlich der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer werden als Straftat (Steuerhinterziehung) und als Ordnungswidrigkeit (leichtfertige Steuerverkürzung) geahndet. Hat die Finanzverwaltung erst einmal die Daten, ist eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Selbstanzeigenberatung - Praxisfragen zur neuen Selbstanzeigeregelung zum 1.1.15 (Schwartz, PStR 15, 37)
    • Auskunftspflicht Dritter - In welchen Fällen darf das Finanzamt von Drittendie Herausgabe von Daten verlangen? (Derlath, ESA 1.9.15)
    Quelle: ID 43573127