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  • · Nachricht · Scheinselbstständigkeit

    Gleitender Übergang von der Anstellung in die Kanzleigründung

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    Arbeitet ein angestellter Mitarbeiter nach der Eigenkündigung als freier Mitarbeiter weiter, hat die zuvor ausgeübte abhängige Beschäftigung keine Indizwirkung dafür, ob die weitere Tätigkeit sozialversicherungspflichtig ist, wenn die freie Mitarbeit dem Aufbau einer eigenen Existenz dient (LSG Rheinland-Pfalz 12.12.17, L 6 R 133/17).

     

    Sachverhalt

    Eine junge Steuerberaterin war zunächst in der Kanzlei angestellt. Sie kündigte jedoch, um sich selbstständig zu machen. Dabei arbeitete sie ‒ ohne schriftliche Vereinbarung ‒ in der Kanzlei weiter, reduzierte aber den Arbeitseinsatz in dem Maße wie ihre eigene Kanzlei Gestalt annahm. Nach eineinhalb Jahren beendete sie die Mitarbeit. Die Rentenversicherung ging davon aus, dass das Arbeitsverhältnis weitergeführt worden sei.

     

    Anmerkungen

    Mangels schriftlicher Vereinbarung prüfte das LSG die tatsächlich gelebten Verhältnisse und kam anhand der folgenden Kriterien zu dem Ergebnis, dass es sich um eine freiberufliche Tätigkeit gehandelt hatte.

     

    • Unterschiedlichkeit der früheren und der jetzigen Tätigkeit (vormals angestellt, jetzt Aufbau einer eigenen Kanzlei)
    • mangelnde Eingliederung in den Kanzleibetrieb (kein eigener fester Arbeitsplatz mit PC, keine Teilnahme an kanzleiinternen Veranstaltungen)
    • fehlende Weisungsgebundenheit (Wahlmöglichkeit, ob Mandat übernommen wird oder nicht, freie Zeiteinteilung)
    • ernsthafter Aufbau einer eigenen Kanzlei (zügig eigene Mandanten akquiriert und eigene Kanzleiräume angemietet, am Markt mit eigener Website)
    • unternehmerische Freiheit (war auch für andere Auftraggeber tätig)
    • Höhe des Honorars (höher als das eines angestellten Steuerberaters und ermöglichte die Eigenvorsorge)

     

    PRAXISTIPP | Dass der Kanzleiinhaber bei seinen Mandanten ein Letztentscheidungsrecht hatte, war unkritisch, denn schließlich war er der Vertragpartner und die Steuerberaterin nur Subunternehmerin. Ebenso wenig beanstandete das LSG, dass beide in kritischen Fällen gemeinsam entschieden.

     

    Liegt anders als hier ein schriftlicher Vertrag über freie Mitarbeit vor, ist dieser Ausgangspunkt für die Prüfung. Steht die gelebte Praxis im Widerspruch dazu, hat sie bei der Beurteilung Vorrang, soweit eine formlose Abbedingung des schriftlich Vereinbarten rechtlich möglich ist. Die tatsächlichen Verhältnisse sind also ausschlaggebend, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (zuletzt BSG 29.8.12, B 12 KR 25/10 R).

     
    Quelle: ID 45461087

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