· Fachbeitrag · Terminservicestellen
Problemlöser oder Problemauslöser?
von RA Christian Scur, Berlin, ETL Medizinrecht
| Im ersten Satz des neuen § 75 Abs. 1a SGB V gibt der Gesetzgeber die neue Marschrichtung vor: „Der Sicherstellungsauftrag umfasst auch die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung.“ Bisher müssen gesetzlich Versicherte häufig viel zu lange auf einen Facharzttermin warten. Mit der Terminservicestelle soll ein Steuerungsinstrument geschaffen werden, das Patienten zeitnah einen Arzttermin vermittelt. |
1. Voraussetzungen und Reichweite der Terminvermittlung
Nach dem neuen § 75 Abs. 1a SGB V soll dem Patient grundsätzlich innerhalb einer Woche ein Behandlungstermin bei einem Leistungserbringer nach § 95 Abs. 1 SGB V (Ärzte, MVZ oder ermächtigte Ärzte und Einrichtungen) in zumutbarer Entfernung vermittelt werden, der innerhalb der nächsten vier Wochen stattfinden soll. Im Gegenzug dafür verzichtet der Patient auf sein Recht auf freie Arztwahl. Erforderlich ist lediglich eine Überweisung zum Facharzt. Auf dieses Erfordernis verzichtet der Gesetzgeber sogar bei Terminwünschen für einen Augen- oder Frauenarzt oder wenn es um psychotherapeutische Behandlungen geht. Ist eine Terminvermittlung innerhalb der vier Wochen nicht möglich, soll die Terminservicestelle in der gleichen Frist einen ambulanten Behandlungstermin in einem zugelassenen Krankenhaus vermitteln.
Anspruch auf eine Terminvermittlung zur Behandlung im Krankenhaus hat der Patient gemäß § 75 Abs. 1a S. 6 SGB V aber nur, wenn es sich nicht um eine verschiebbare Routineuntersuchung oder um eine Bagatellerkrankung handelt. Denn in diesen Fällen ist dem Patienten ein Zuwarten durchaus zumutbar, sodass die Terminservicestelle ihm gemäß § 75 Abs. 1a S. 7 SGB V einen Arzttermin bei einem niedergelassenen Arzt zu vermitteln hat. Dieser Arzttermin hat dann wiederum nur in angemessener Frist zu erfolgen. Höchstfristen nennt der Gesetzgeber hierfür nicht, sodass der Patient unter Umständen erneut mehrere Wochen oder Monate auf den Facharzttermin warten muss.
Fraglich ist, wie man Routineuntersuchungen und Bagatellerkrankungen von akuten Fällen abgrenzt. Aus Sicht des Gesetzgebers ist zum einen die Indikation entscheidend und zum anderen die Gefahr, dass sich der Zustand des Patienten verschlechtert oder eine längere Verzögerung zu einer Beeinträchtigung des Behandlungserfolgs führt. Welche Erkrankungen der jeweiligen Kategorie zuzuordnen ist, werden zukünftig die Partner des Bundesmantelvertrags festlegen.
3. Praktische Durchführung der Terminvermittlung
Die entscheidende Frage, ob und wie die Terminservicestelle den frühestmöglichen Termin vermitteln kann, ist noch ungeklärt. Dazu müsste sie wissen, welcher Arzt wann welche Termine vergeben kann. Wie und ob sie das überhaupt herausfinden soll oder kann, ist aber noch völlig offen. Die KV als Organisatoren der Terminservicestellen müssen Lösungen entwickeln. Die KBV kann dabei aber durch das Angebot einer Struktur für ein elektronisch gestütztes Wartezeitmanagement bei der Terminvermittlung unterstützen.
Möglich scheint daneben die Errichtung eines Call-Centers, der bei den Ärzten anruft, nach verfügbaren Terminen fragt und entsprechende Termine vereinbart. Der Anruf bei allen Ärzten ist aber sehr zeitaufwendig und praktisch kaum durchführbar. Der zentrale Zugriff der Terminservicestelle auf die Terminkalender der niedergelassenen Ärzte wäre zwar ein einfacheres Mittel, dürfte dagegen aber bereits an datenschutzrechtlichen Beschränkungen scheitern. Denn ein Dritter darf aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht keine Kenntnis über die Patientendaten erhalten, soweit dieser nicht ausdrücklich einwilligt.
Ein mehrfaches Hin- und Hertelefonieren zwischen Patient, Terminservicestelle und Arzt könnte man zwar umgehen, indem der Arzt bestimmte Termine für zu vermittelnde Patienten freihalten müsste. Eine solche Terminfreihaltepflicht sieht das Gesetz aber nicht vor und diese wäre rechtlich auch nicht zulässig, so dass die Terminservicestellen nur auf vorhandene Termine zurückgreifen können, die ihnen die Praxis nennt. Es liegt auf der Hand, dass die Idee einer versorgungssteuernden Terminservicestelle hier an ihre praktische Grenze stößt.
4. Kein Zusatzhonorar für freigehaltene Termine
Aus Sicht des Arztes lohnt es sich nicht, besondere Sprechstunden für Anfragen der Patienten an die Terminservicestelle anzubieten oder freizuhalten. Unabhängig von der Gefahr, dass die Patienten die Termine ohnehin nicht wahrnehmen, besitzen die Patienten auch keinen Sonderstatus. Es handelt sich vielmehr um normale gesetzlich Versicherte. Die Terminservicestelle ist praktisch nur als Terminvermittler für den Patienten tätig. Der Behandlungsvertrag kommt weiterhin ausschließlich mit dem Arzt zustande. Die Leistungen werden damit nicht extrabudgetär vergütet. Zusätzlicher Aufwand des Arztes würde damit nicht honoriert werden. Ein möglicher Steuerungseffekt wäre wohl nur mit einer entsprechenden Honorarregelung zugunsten des Arztes zu erzielen.
5. Fazit
Für den Patienten begründet die Terminservicestelle nur Rechte, aber keine Pflichten. Das könnte sich als nachteilig erweisen, denn bereits heute nehmen viele Patienten vereinbarte Termine nicht wahr und sagen diese auch vorher nicht ab. Auch mit der Terminservicestelle gibt es für die Patienten keine Pflicht zur Wahrnehmung von Terminen. Es ist daher zu erwarten, dass der Patient daneben auch weiterhin Termine bei seinem „Wunscharzt“ vereinbaren wird. Vermutlich wird es zu doppelten Terminvergaben kommen. Ein Kontrollinstrument zur Vermeidung solcher Dopplungen ist nicht vorgesehen und wäre ohnehin kaum durchführbar.
Mit der Terminservicestelle sind derzeit noch viele ungeklärte Fragen verbunden. Viel Zeit für deren Beantwortung bleibt aber nicht mehr. Denn der Gesetzgeber hat die KVen dazu verpflichtet, dass die Terminservicestellen sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes ihren Betrieb aufnehmen. Die Kooperation zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung beim Betrieb ist zwar im Gesetzesentwurf vorgesehen. Aber ob die Landesverbände sich an der Umsetzung aber beteiligen wollen, ist offen.
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