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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Darf die PKV einer Privatklinik die Umsatzsteuer auf Behandlungsleistungen verweigern?

    von RA RAfMedR Dietmar Sedlaczek, Berlin, www.sps-steuerrecht.de

    | Das OLG Hamm (27.3.17, I 6 U 104/16) hat zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Umsatzsteuern auf Leistungen einer Privatklinik durch die private Krankenversicherung (PKV) Stellung nehmen müssen. Der Fall beleuchtet interessante Aspekte im Zusammenspiel von Umsatzsteuerrecht und Allgemeinen Vertragsbedingungen der privaten Krankenversicherer. |

    1. Sachverhalt

    Es galten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der PKV, die den Musterbedingungen der privaten Krankenkassen zumindest hinsichtlich der hier geltenden Klausel entsprachen. In § 6 Abs. 6 war das Verbot geregelt, Erstattungsansprüche des Versicherungsnehmers an Dritte abzutreten. Es schützt Krankenkassen davor, dass der eigene Versicherungsnehmer als Zeuge gegen sie aussagen kann. Daneben hatte die PKV eine „Klinik-Card“ mit Zusatzbedingungen ausgegeben. Bei Vorlage der Klinik-Card rechnet das Krankenhaus direkt mit der PKV ab, es lag auch eine Kostenübernahmeerklärung der PKV vor, allerdings keine ausdrückliche Abtretung der Erstattungsforderung des Patienten gegen die PKV.

     

    Der Patient wurde in einer nach § 30 GewO konzessionierten Klinik behandelt. Die Klinik war weder nach § 108 SGB V zugelassen noch ein Plankrankenhaus. Laut Sachverhalt lagen auch die sonstigen Voraussetzungen, die nach § 4 Nr. 4 Buchst. b UStG unter Umständen zu einer steuerfreien Leistungserbringung durch die Klinik führen können, nicht vor. Die zuständige Finanzbehörde hielt die Leistungen der Klinik ebenfalls für umsatzsteuerpflichtig.

     

    Die Klinik rechnete die Behandlung des Patienten mit Umsatzsteuer gegenüber der PKV ab. Diese zahlte nur den Nettobetrag. Die PKV berief sich zum einen darauf, dass die Leistungen der Klinik nicht umsatzsteuerpflichtig seien. Zum anderen berief sich die PKV darauf, dass die Klinik nicht aktivlegitimiert sei, weil die Abtretung der Erstattungsansprüche des Versicherten an die Klinik gegen das Abtretungsverbot nach § 6 Abs. 6 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen verstoße und deswegen unwirksam sei.

    2. Zivilrechtliche Aspekte

    Das OLG gab, wie zuvor das Landgericht, der Klage der Klinik statt. Damit war die PKV verpflichtet, der Klinik auch die auf die Behandlungsleistung entfallende und offen ausgewiesene Umsatzsteuer zu erstatten. Für die Entscheidung des OLG waren vor allen Dingen zivilrechtliche Kriterien maßgebend, diese werden zunächst behandelt. Danach wird die umsatzsteuerliche Problematik noch einmal erörtert.

     

    2.1 Abtretungsverbot ist unwirksam

    Das OLG entschied, dass zwischen der PKV, dem Versicherungsnehmer und der Privatklinik das Abtretungsverbot gerade nicht gelte. Denn der ‒ grundsätzlich zu berücksichtigende ‒ Zweck des Abtretungsverbots sei hier nicht gegeben. Es gehe nicht darum, den Versicherungsnehmer gegen die eigene Versicherung als Zeuge in Stellung zu bringen. Vielmehr sei die Berufung auf das Abtretungsverbot von Seiten der Versicherung treuewidrig, da die Versicherung eine Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Klinik abgegeben habe und sich damit einverstanden erklärt habe, dass die Klinik die Behandlungskosten unmittelbar abrechne. Daran ändere nichts, dass die Kostenübernahmeerklärung im Rahmen eines sogenannten Klinik-Card-Verfahrens erfolgt sei, da in den Allgemeinen Bedingungen der Klinik-Card ausdrücklich geregelt ist, dass das Abtretungsverbot nach § 6 Abs. 6 Teil 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen insoweit nicht gilt.

     

    Das OLG stellte auf einen verständigen und gutwilligen Versicherungsnehmer ab. Der könne diese Klausel nur so verstehen, dass die Ausgabe der Klinik-Card durch die Krankenversicherung dazu führe, dass er seine Erstattungsansprüche gegen die private Krankenversicherung an den Klinikbetreiber abtreten dürfe, da die Klinik-Card gerade die Direktabrechnung und somit einen besseren Service für den Versicherungsnehmer ermögliche.

     

    2.2 Reichweite der Preisvereinbarung zwischen PKV und Klinik

    Sodann nahm das OLG zu der Frage Stellung, ob die Preisvereinbarung zwischen dem Patienten und der Klinik auch die in der Rechnung enthaltene Umsatzsteuer erfasse und e‒ wenn ja ‒ ob die Krankenkasse diese auch erstatten müsse. Grundsätzlich, so das OLG, sind Preisvereinbarungen als sogenannte Bruttopreisvereinbarungen einschließlich gegebenenfalls entstehender Umsatzsteuer anzusehen.

     

    Das OLG verweist auf ein Grundsatzurteil des BGH (11.5.01, V ZR 492/99). Der BGH hat darin entschieden, dass Preisvereinbarungen grundsätzlich eine eventuell anfallende Umsatzsteuer enthalten. Das gelte zumindest, solange nicht ausdrücklich eine andere Regelung in dem Vertrag aufgenommen worden sei oder ein Handelsbrauch bestehe, der regelmäßig zur Annahme einer Nettopreisvereinbarung zwischen den Vertragspartnern führe. Diese Rechtsprechung hat der BGH zu Preisvereinbarungen ‒ soweit ersichtlich ‒ bis heute durchgehalten.

     

    Auf diese Rechtsprechung stützt sich das OLG. Weder enthalte der Behandlungsvertrag Regelungen zur Umsatzsteuer, noch bestehe ein Handelsbrauch dahingehend, dass Klinikleistungen stets als Nettoleistung angeboten werden würden und Umsatzsteuer nicht anfalle. Damit unterlägen bei einer Bruttopreisvereinbarung alle Parteien eines Vertrags dem Risiko, sich hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Beurteilung des zugrunde liegenden Leistungsverhältnisses zu irren.

     

    Es bestehe auch keine vertragliche Verpflichtung des Klinikbetreibers, die Frage der Umsatzsteuerpflicht der Klinikleistungen mit dem FA auszufechten.

     

    Anders könnte es allenfalls sein, wenn der andere Vertragspartner den Leistungserbringer von sämtlichen Kosten, die mit einem derartigen Rechtsstreit verbunden sind, freistelle. Hier hatte die Klinik der Krankenkasse angeboten, auf Kosten der Krankenkasse die Frage der Umsatzsteuerpflicht der Klinikleistungen finanzgerichtlich klären zu lassen. Die Krankenversicherung ist auf dieses Angebot nicht eingegangen.

     

    Das OLG prüft dann noch, ob eventuell die Voraussetzungen einer Anpassung der zwischen der Klägerin und den jeweiligen Versicherungsnehmern geschlossenen Behandlungsverträge im Wege der sogenannten ergänzenden Vertragsauslegung oder nach den Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen, sodass trotz fehlender ausdrücklicher Regelung der Vertrag dahin auszulegen sei, dass es sich um eine Nettopreisvereinbarung handele. Nach Auffassung des OLG, die der Autor für zutreffend hält, sind diese Voraussetzungen aber nicht gegeben.

    3. Umsatzsteuerliche Aspekte

    Ebenfalls 2015 hat der BFH (18.3.15, XI R 38/13) entschieden, dass Umsätze privater Krankenhausbetreiber ab 2009 unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der MwStSystRL umsatzsteuerfrei sein können, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Der 11. Senat hat mit diesem Urteil ein Urteil des 5. Senats (BFH 23.10.14, V R 20/14) bestätigt. Die Finanzverwaltung hat ihren Widerstand aufgegeben (BMF 6.10.16, III C 3-S 7170/10/10004) und lässt für Umsätze von privaten Krankenhausbetreibern die unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der MwStSystRL zu.

     

    Folgende Voraussetzungen für eine ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung i. S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL müssen gegeben sein:

     

    • Es müssen spezifische Vorschriften, nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften und auch Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit bestehen.
    • Das mit dem Interesse des betreffenden Unternehmens verbundene Gemeinwohlinteresse muss dem anerkannter Einrichtungen entsprechen.
    • Andere Unternehmer mit gleichartigen Tätigkeiten müssten bereits in den Genuss ähnlicher Steuerbefreiungen kommen.
    • Die Kosten der Leistungen müssen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.

     

    In Anwendung dieser Kriterien sind Leistungen privater Krankenhäuser auch nach Auffassung des BMF dann als umsatzsteuerfrei zu behandeln, wenn

     

    • das Leistungsangebot der Krankenhäuser dem von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder den nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern entspricht und

     

    • die Kosten in erheblichem Umfang von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden. Eine Kostenübernahme in erheblichem Umfang liege vor, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- und Berechnungstage auf Patienten entfallen sind, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurden, oder mindestens 40 % an in § 4 Nr. 15 b UStG genannte Personen (vereinfacht Hartz IV-Empfänger) erbracht worden sind.

     

    Wahlleistungsentgelte sind in die Berechnung der 40 %-Grenze nicht mit einzuberechnen, wenn das Entgelt für die Wahlleistungen entsprechend § 17 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz in einem angemessenen Verhältnis zu den allgemeinen Krankenhausleistungen stehe.

     

    Bei den im BMF-Schreiben aufgenommenen Kriterien handelt es sich um bereits hinlänglich bekannte Kriterien für die Umsatzsteuerbefreiung von Heilberufsleistungen. Für die Berater von Klinikbetreibern gilt es nunmehr, die Mandantschaft darauf hinzuweisen, dass unter Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen auf den Ausweis von Umsatzsteuern verzichtet werden kann und die Leistungen der Klinik, wenn die in dem BMF-Schreiben genannten Kriterien vorliegen, umsatzsteuerfrei sind.

    4. Folgerungen für die Preisgestaltung von Privatkliniken

    Aufgrund der BFH-Rechtsprechung und des BMF-Schreibens ist davon auszugehen, dass sich das Problem der Umsatzsteuerpflicht von Leistungen von Privatkliniken auf einen kleinen Kreis sehr exklusiver Privatkliniken reduzieren wird. Angesichts eines Verhältnisses von 90 % Kassenpatienten zu 10 % Privatpatienten werden nur wenige Kliniken in der Lage sein, wirtschaftlich zu arbeiten, wenn sie nicht in größerem Umfang Kassenpatienten behandeln.

     

    Bei der Kalkulation der Behandlungssätze für Kassenpatienten müssen die Klinikbetreiber darauf achten, dass sie die Kriterien des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung einhalten und dies dokumentieren. Wenn mindestens 40 % der Patienten nach diesen Sätzen behandelt werden, sind die Klinikleistungen in weiten Teilen umsatzsteuerfrei. Ausgenommen sind „Serviceleistungen“ wie TV-Gestellung und ähnliches.

     

    Da die Finanzverwaltung ihren Widerstand gegen die Umsatzsteuerbefreiung von Leistungen von Privatkliniken, die den Leistungen von „zugelassenen“ Krankenhäusern entsprechen, aufgegeben hat, dürfte es zivile Rechtsstreitigkeiten, wie sie dem Urteil des OLG Hamm zugrunde gelegen haben, nicht mehr geben. In der Beratungspraxis kann also zu dieser zivilrechtlichen Streitfrage großflächig Entwarnung gegeben werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Umsatzsteuer ‒ Umsatzsteuerbefreiung für Behandlungsleistungen in Krankenhäusern (Stockhausen, PFB 17, 274)
    • Umsatzsteuer ‒ Vergleichbarkeit der Leistungen von privaten mit öffentlichen Krankenhäusern im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiung (Peine, PFB Beitrag vom 7.9.16)
    • Umsatzsteuer ‒ Steuerfreiheit von Umsätzen privater Krankenhausbetreiber bis 2008 und ab 2009 (PFB Nachricht vom 17.6.15)
    Quelle: Ausgabe 06 / 2018 | Seite 159 | ID 45115725