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  • · Nachricht · Umsatzsteuer

    Droht bei der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Laborleistungen die nächste Hängepartie?

    von Dr. Stephan Peters, Münster

    | Medizinische Analysen außerhalb der Praxis eines praktischen Arztes sind nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG , sondern allenfalls nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei. Fraglich ist jedoch, ob die konkret einschlägige Norm des § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. bb UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist ( BFH 24.8.17, V R 25/16 ). |

    1. Sachverhalt

    Klägerin war eine Labor-GmbH mit vier Arbeitnehmern, wobei zwei Arbeitnehmer die Ausbildung zur technischen Assistentin in der Medizin hatten. Die „Befundung“ erfolgte durch einen Doktor der Biologie und Doktor der Chemie. Der Leiter des Labors war Allgemeinmediziner. Gegenstand der Tätigkeit der Labor-GmbH war die Untersuchung von biologischem Probematerial, das von Heilpraktikern und Ärzten zur Bestimmung von IgG-Antikörpern beim Nachweis von Nahrungsmittelallergien übermittelt wurde. Krankheitsbilder waren chronische Magen-Darm-Probleme, chronische Schmerzen, chronisches Übergewicht, rheumatische Erkrankungen, Aufmerksamkeitsbeschwerden sowie Atemwegsbeschwerden. Die Aufträge zur Untersuchung des Materials erhielt die Labor-GmbH von den Patienten, gegenüber denen die Leistungen auch abgerechnet wurden. Das FA bewertete die Leistungen mangels Vertrauensverhältnisses als umsatzsteuerpflichtig, das FG Niedersachsen (3.9.15, 16 K 340/12) widersprach dem mit Verweis auf § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG.

    2. Anmerkungen

    Der BFH hob die FG-Entscheidung auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurück. Es sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Buchst. bb UStG vorliegen. Zur Begründung verwies der BFH auf die unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL und die dazu ergangene Rechtsprechung. Danach beruhe die vom FG zur Begründung der Steuerfreiheit herangezogene Vorschrift (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL, während § 4 Nr. 14 Buchst. b auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b zurückzuführen sei. Unter Berücksichtigung dieser unionsrechtlichen Dimension komme es im Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL darauf an, ob die Leistungserbringung außerhalb des Krankenhauses im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses erfolgt (vgl. LuP-Entscheidung, EUGH 8.6.06, C-106/05). In allen anderen Fällen ärztlicher Leistungserbringung greife Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ein. Weil nach den aktuellen Feststellungen das erforderliche Vertrauensverhältnis nicht erkennbar sei und der Gesetzgeber die Leistungen von Laborärzten und klinischen Chemikern mit dem JStG 2009 ausdrücklich in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. bb UStG aufgenommen hat (BT-Drs. 16/10189, S. 75), verwiesen die Richter die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.

     

    3. Praxishinweis

    Die steuerliche Behandlung von Laborleistungen wurde durch Finanzverwaltung und Rechtsprechung in der Vergangenheit schon vielfach diskutiert.

     

    • Exkurs: Ertragsteuerrecht

    Im Ertragsteuerrecht war lange umstritten, ob Einkünfte eines niedergelassenen Labormediziners zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. des § 18 EStG oder zu Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG führen. Zu welcher Einkommensart die Einkünfte konkret zuzuordnen sind, bestimmt sich u.a. nach der Rechtsform, in der die Tätigkeit ausgeübt wird und nach den Umständen des Einzelfalls. Es kommt darauf an, ob der Arzt der Tätigkeit seiner fachlich vorgebildeten Arbeitskräfte aufgrund eigener Fachkenntnis „leitend und eigenverantwortlich“ seinen Stempel aufdrücken kann (sog. Stempeltheorie). Ertragsteuerlich sind folgende Kriterien primär maßgeblich: Praxisstruktur, Zahl der fachlich vorgebildeten Mitarbeiter, insbesondere MTA (vgl. BFH 1.2.90, IV R 140/88), individuelle Leistungskapazität des Arztes, anfallendes Leistungsspektrum. Von besonderer Bedeutung ist dabei insbesondere auch die mit dem MTA-Gesetz normierte Befugnis von MTA, medizinische und chemische Untersuchungen nach Standardverfahren einschließlich Qualitäts- und Plausibilitätskontrolle durchführen zu dürfen. Dabei handelt es sich um Befugnisse, die nicht auf untergeordnete Tätigkeiten beschränkt sind.

     

    Von der ertragsteuerlichen Behandlung ist die Frage abzugrenzen, ob medizinische Laborleistungen umsatzsteuerpflichtig sind. Diese Frage ist insbesondere aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht unproblematisch und sollte u.a. durch das Jahressteuergesetz 2009 (BT-Drs. 16/10189) behoben werden. Fraglich ist nun, ob dies gelungen ist. Die Entscheidung bringt leider noch keine abschließende Klarheit. Der BFH scheint geneigt zu sein, die Erbringung von Laborleistungen in vergleichbar gelagerten Fällen unter § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. bb UStG fassen zu wollen, weil ein besonders Vertrauensverhältnis nicht ersichtlich ist und der Gesetzgeber diese Fälle ausdrücklich in der Norm geregelt hat. Allerdings werfen die Richter beim BFH in ungewohnter Klarheit die Frage auf, ob die Vorschrift mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass diese Fragestellung erneut beim BFH landen wird und die mit dem JStG 2009 eingeführten Regelungen aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben erneut zu überarbeiten sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Vielleicht wird sich der BFH in dem noch anhängigen Revisionsverfahren (XI R 23/15) mit dieser Frage näher befassen, wenngleich es dort primär um die Auslegung und Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG gehen dürfte, sodass sich die Richter beim BFH vielleicht auch mangels Gelegenheit zur Äußerung der unionsrechtlichen Vereinbarkeit von § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. bb UStG im vorliegenden Fall in dieser Klarheit geäußert haben.

     

    Zum Autor | Der Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 324 | ID 44967914