· Fachbeitrag · UMsatzsteuer
Überlassung von Räumen und Praxisausstattung für den Betrieb funktionsfähiger Zahnarztpraxen
von StB Christian Herold, Herten, www.herold-steuerrat.de
Werden Räumlichkeiten mitsamt Ausstattung für eine funktionsfähige Zahnarztpraxis überlassen, so stellt die Überlassung des Praxisinventars keine bloße Nebenleistung zur Raumüberlassung dar, wenn die Überlassung einer voll funktionsfähigen Praxisausstattung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich für die Beteiligten bedeutender ist als die reine Raumüberlassung. Damit ist die komplette Überlassung umsatzsteuerpflichtig, ermöglicht allerdings den Vorsteuerabzug. Eine Aufteilung der Vermietungsleistung in Inventar und Räume kommt nicht in Betracht (FG München 27.2.19, 3 K 1976/17). |
Sachverhalt
Die Klägerin entwickelt, nutzt und vermarktet Gesundheitszentren. 2008 vermietete sie Räumlichkeiten zum Betrieb von zahnärztlichen Praxen. In der Präambel zweier Mietverträge wurde vereinbart, dass neben der Gebrauchsüberlassung der Räumlichkeiten insbesondere bewegliche Wirtschaftsgüter mit überlassen werden, die für eine funktionsfähige Zahnarztpraxis erforderlich sind, und dass vor diesem Hintergrund ein Vertrag besonderer Art abgeschlossen werde. In beiden Verträgen wurde das Entgelt nicht in einen Anteil für die Überlassung der Räume und einen Anteil für die Überlassung der Praxiseinrichtung aufgeteilt; die Verträge sprechen insoweit übereinstimmend von einer „Gebrauchsüberlassung der Sachgesamtheit“. Umsatzsteuer wurde in den Mietverträgen nicht gesondert ausgewiesen. Es existiert auch keine Regelung für den Fall der Steuerpflicht der Leistungen. Das FA unterwarf die als steuerfrei erklärten Vermietungsumsätze der Umsatzsteuer.
Anmerkungen
Die Überlassung von Räumlichkeiten mitsamt beweglicher Wirtschaftsgüter in Form von Praxisausstattungen, welche für eine funktionsfähige (Zahnarzt-)Praxis erforderlich sind, können Gesamtleistungen (einheitliche Leistungen) des Vermieters an die Mieter (Ärzte, Zahnärzte) darstellen. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung darstellen, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Bei Überlassung der Ausstattung der (Zahnarzt-)Praxen kann die Annahme einer bloßen Nebenleistung zur Vermietung der Räume ausscheiden. Maßgebend kann insoweit die Höhe des vereinbarten Mietzinses sein, insbesondere wenn dieser darauf hindeutet, dass die Überlassung einer voll funktionsfähigen Praxisausstattung wirtschaftlich für die Beteiligten bedeutender ist als die reine Raumüberlassung. Für die Annahme des Fehlens einer bloßen Nebenleistung zur Raumüberlassung spricht auch ein hohes Investitionsvolumen, das der Vermieter zur Ausstattung von (Zahnarzt-)Praxen aufwendet.
Wenn bei der „Vermietung“ der Ausstattung der Zahnarztpraxen nicht vom Bestehen einer bloßen Nebenleistung zur „Raumvermietung“ ausgegangen werden kann, können die Leistungen der Überlassung der Räume sowie der Praxisausstattung, die für die Nutzung einer gemieteten Immobilie nützlich oder sogar notwendig sind, entweder nur unabhängig von der Vermietung der Immobilie bestehen oder von der Vermietung untrennbar sein und mit dieser eine einheitliche Leistung bilden. Die erste der genannten Varianten scheidet aus, wenn die Überlassung der Räume und des Inventars der (Zahnarzt-)Praxen untrennbar miteinander verbunden sind und der Kern der vertraglichen Vereinbarungen die Überlassung funktionsfähiger (Zahnarzt-)Praxen ist. Ist die Inventarüberlassung untrennbar mit der Überlassung der Räume verbunden, scheidet eine Anwendung der Steuerfreiheit der Leistungen nach § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a UStG aus, denn der wesentliche Inhalt der Verträge ist nicht mehr die bloße Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken. In diesem Fall kommt auch keine Aufteilung der Verträge in einen „steuerfreien Vermietungsteil der Räume“ und einen „steuerpflichtigen Teil der Vermietung der Praxiseinrichtung“ infrage.
Relevanz für die Praxis
Im Urteilsfall würdigte das FG die Leistungen der Klägerin als einheitliche Leistungen, die nicht in Haupt- und Nebenleistungen aufgeteilt werden können. Sie stellen vielmehr wirtschaftlich eigenständige Leistungen besonderer Art dar, nämlich die Bereitstellung funktionsfähiger Zahnarztpraxen. Insoweit war eine Steuerfreiheit der Leistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a UStG ausgeschlossen, denn der wesentliche Inhalt der Verträge ist nicht mehr die bloße Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken. Die Entscheidung war im vorliegenden Fall für die Beteiligten offenbar negativ, kann sich aber in anderen Fällen als durchaus positiv erweisen. Zu denken ist beispielsweise an die Vermietung radiologischer Praxen mit einem hohen Investitionsvolumen, bei dem nun der Vorsteuerabzug ermöglicht wird.
PRAXISTIPP | Die Entscheidung ist abzugrenzen von den Fällen der Pflegeheime. Danach gilt: Dient die Überlassung von Mobiliar nur dazu, die vertragsgemäße Nutzung eines als Seniorenpflegeheim steuerfrei vermieteten Gebäudes unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, stellt sie eine ‒ ebenfalls steuerfreie ‒ Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung dar (BFH 20.8.09, V R 21/08). Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umfasst demnach die Vermietung möblierter Räume oder Gebäude, wenn es sich um eine auf Dauer angelegte und nicht um eine kurzfristige Überlassung handelt (BFH 11.11.15, V R 37/14, BStBl II 17, 1259). Während die Zahlungen für das „Inventar“ dort nur etwa 10 % des monatlichen Mietzinses für die Verpachtung des Grundstücks betrugen, stellt sich dieses Verhältnis im Besprechungsfall völlig anders dar ‒ so die Finanzrichter. |