· Nachricht · Umsatzsteuer
Zur Wirksamkeit der Optionserklärung eines Kleinunternehmers
von StB Jürgen Derlath, Münster
| In zwei Entscheidungen hat der BFH Regeln aufgestellt, wie mit der Optionserklärung zur Regelbesteuerung eines Kleinunternehmers im Fall der irrtümlichen Abgabe ( BFH 24.7.2013, XI R 14/11 ) und der Beschränkung auf einen Unternehmensteil ( BFH 24.7.13, XI R 31/12 ) zu verfahren ist. |
1. Anfechtung einer irrtümlichen Option zur Regelbesteuerung
Der BFH (24.7.13, XI R 14/11) hält hierzu in drei Leitsätzen fest:
- Auch ein Kleinunternehmer (§ 19 UStG) muss eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abgeben.
- Berechnet ein Kleinunternehmer in einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, ist darin grundsätzlich ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer (sog. Option zur Regelbesteuerung) zu sehen.
- In Zweifelsfällen muss das FA den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.
1.1 Sachverhalt und Entscheidung des FG Niedersachsen
Im Streitfall des FG Niedersachsen (14.10.10, 16 K 216/10, EFG 11, 2211) hatte der steuerlich beratene Unternehmer eine Umsatzsteuererklärung für 2006 abgegeben, in der er irrtümlich davon ausging, dass er die Umsatzgrenze von 17.500 EUR überschritten habe und damit kein Kleinunternehmer sei. Er versteuerte die Umsätze mit dem Regelsatz und minderte die Umsatzsteuerschuld um Vorsteuerbeträge. Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2006 wurde unanfechtbar. Das Finanzamt setzte für 2007 Umsatzsteuer fest, da es der Auffassung war, dass in der abgegebenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2006 eine Erklärung zur Anwendung der Regelbesteuerung zu sehen sei.
Das FG gab der daraufhin erhobenen Klage mit dem Antrag, die Umsatzsteuer für 2007 auf 0 EUR festzusetzen, statt. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Umsätze des Klägers unterlägen nach § 19 Abs. 1 UStG der Besteuerung für Kleinunternehmer. Er habe - auch durch die Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 2006 - nicht nach § 19 Abs. 2 S. 1 UStG zur Regelbesteuerung optiert, da keine wirksame Optionserklärung zur Regelbesteuerung vorliege. Bei der Optionserklärung handele es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Diese müsse klar und eindeutig sein. Unterliege der Unternehmer - wie im Streitfall - einem rechtlichen Irrtum, könne in der Abgabe der Jahreserklärung keine Willenserklärung zur Regelbesteuerung gesehen werden. Dies gelte auch, wenn ein Steuerberater an der Jahreserklärung mitgewirkt habe. Mit der Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 EUR sei der Antrag auf Herabsetzung im Billigkeitswege gemäß § 163 AO gegenstandslos geworden.
1.2 Die Entscheidung des BFH
Der BFH hob diese Entscheidung auf, da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen sei. Fälschlicherweise gehe das FG davon aus, dass es für die Beurteilung, ob mit der Umsatzsteuererklärung für 2006 konkludent auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet worden ist, es maßgebend auf „einen Erklärungswillen“ des Steuerpflichtigen ankomme, die Regelbesteuerung anwenden zu wollen. Die Rechtsprechung des BFH stellt dagegen zur konkludenten Ausübung des Optionsrechts nach § 19 Abs. 2 UStG darauf ab, ob das Finanzamt als Erklärungsempfänger das Verhalten des Steuerpflichtigen als Willenserklärung und Ausübung eines Gestaltungsrechts auffassen durfte (vgl. BFH 19.12.85, V R 167/82, BStBl II 86, 420, unter II.1.b).
Das FG habe ferner mit der Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2007 auf 0 EUR § 19 Abs. 1 S. 3 UStG verletzt, da nach dieser Vorschrift die in § 19 Abs. 1 S. 1 UStG vorgesehene Nichterhebung von Umsatzsteuer nicht für die im Streitfall erklärte, nach § 13b Abs. 2 UStG (jetzt § 13b Abs. 5 UStG) vom Leistungsempfänger zu entrichtende Umsatzsteuer gelte und deshalb auch von einem Kleinunternehmer zu entrichten sei.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, weil der vom FG festgestellte Sachverhalt nicht ausreicht, um abschließend prüfen und beurteilen zu können, ob die eingereichte Umsatzsteuererklärung für 2006 eine schlüssige Option zur Regelbesteuerung enthält. Sofern das FG eine konkludente Optionserklärung des Klägers zur Regelbesteuerung annimmt, hat es über den vom Kläger ferner gestellten und ebenfalls rechtshängigen Antrag auf Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2007 im Billigkeitswege gemäß § 163 AO zu entscheiden.
2. Beschränkung auf einen Unternehmensteil
In diesem Fall kam der BFH (24.7.13, XI R 31/12) zu dem Ergebnis, dass ein Kleinunternehmer mit einer nur für einen Unternehmensteil erstellten Umsatzsteuererklärung nicht rechtswirksam auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichten kann.
2.1 Sachverhalt und Entscheidung des FG Köln
In dem vom FG Köln entschiedenen Streitfall (26.6.12, 3 K 2961/07, EFG 13, 258) war der Kläger sowohl als Hausverwalter als auch als Trainer unternehmerisch tätig, ohne dass sein Gesamtumsatz die Kleinunternehmergrenze überstieg. Gleichwohl reichte er beim Finanzamt eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung ein, in der er allerdings lediglich für den Bereich „Hausverwaltung“ Vorsteuerüberschüsse geltend machte. Das Finanzamt forderte vom Unternehmer eine berichtigte Jahreserklärung, in der auch die Umsätze für „Trainertätigkeit“ anzugeben seien. Als der Unternehmer sich weigerte, setzte das Finanzamt die Steuer unter Einbeziehung der Umsätze aus der „Trainertätigkeit“ fest, sodass sich eine positive Umsatzsteuerschuld ergab.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG Köln statt. Es wies darauf hin, dass die Optionserklärung eindeutig sämtliche Unternehmensteile (Tätigkeiten) umfassen müsse. Eine solche Erklärung habe der Kläger nicht abgegeben, weil er dem - für das Finanzamt erkennbaren - Irrtum unterlegen sei, die Anwendung der Kleinunternehmerregelung auf einen Bereich beschränken zu können. Aus der hier maßgebenden Sicht der Verwaltung sei die Erklärung des Klägers mehrdeutig und nicht frei von Zweifeln gewesen. Der Beklagte hätte daher beim Unternehmer nachfragen müssen, ob unter Beachtung der Grundsätze der Unternehmenseinheit eine Option zur Regelbesteuerung tatsächlich gewollt war.
2.2 Entscheidung des BFH
Das sah auch der BFH so und wies die Revision des FA zurück. Da der § 19 UStG unterfallende Kleinunternehmer ein einheitliches Unternehmen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) betreibt, muss der Verzicht nach § 19 Abs. 2 S. 1 UStG auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG für alle Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG des Unternehmers, d.h. für das gesamte Unternehmen, erklärt werden. Eine Umsatzsteuererklärung, aus der erkennbar der Verzicht auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG abgeleitet werden soll, muss sich damit auf alle Tätigkeiten des Unternehmers beziehen, weil das Finanzamt als Erklärungsempfänger nur dann zweifelsfrei davon ausgehen kann, dass das umsatzsteuerrechtliche Rechtsverhältnis durch das vom Unternehmer ausgeübte Gestaltungsrecht umgestaltet werden soll. Einer Umsatzsteuererklärung in der nur für einen Teil des Unternehmens auf die Regelbesteuerung verzichtet wird, kann - auch im Wege der Auslegung - nicht der Erklärungsgehalt entnommen werden, dass der Kläger für sein gesamtes Unternehmen zur Regelbesteuerung optieren wollte.
3. Praxishinweis
Auch Kleinunternehmer sind verpflichtet eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abzugeben (§ 18 Abs. 3 UStG i.V. mit § 149 Abs. 1 S. 1 AO), damit das Finanzamt prüfen kann, ob die Regelung zurecht in Anspruch genommen wird. Dass nach § 19 Abs. 1 S. 1 UStG keine Umsatzsteuer erhoben wird, bedeutet keine Befreiung von der Erklärungspflicht.
Auf die Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung kann der Unternehmer bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung verzichten (§ 19 Abs. 2 S. 1 UStG), z.B. indem er in einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG berechnet. In Zweifelsfällen muss das FA den Kleinunternehmer aber fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.
Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären (§ 19 Abs. 2 S. 2 bis 4 UStG). Der Verzicht kann nicht wegen Irrtums angefochten werden, da für die Anwendung entsprechender Vorschriften aus dem Zivilrecht im öffentlichen Recht kein Platz ist.
Weiterführender Hinweis
- Umsatzsteuer: Ärzte als Kleinunternehmer (Leonard, PFB 12, 299)