· Nachricht · Umsatzsteuerbefreiung
Ärztliche Schweigepflicht versus Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen
| Bei der Überprüfung der Umsatzsteuerfreiheit von Heilbehandlungsleistungen ist das für die richterliche Überzeugungsbildung gebotene Regelbeweismaß zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient auf eine „größtmögliche Wahrscheinlichkeit“ zu verringern. Zugleich hat der Steuerpflichtige im gesteigerten Maß den ihn nach § 76 Abs. 1 S. 2 FGO treffenden Mitwirkungspflichten nachzukommen. Dies erfordert detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung ( BFH 4.12.14, V R 16/12 und BFH 4.12.14, V R 33/12). |
Der BFH hält daran fest, dass ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen nur dann als Heilbehandlung umsatzsteuerfrei sind, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen wegen einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist. Aber eine Beweiserhebung über ästhetische Operationen als Heilbehandlung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass Name und Anschrift des behandelten Patienten genannt werden.
Bei der Sachverhaltsaufklärung im finanzgerichtlichen Verfahren sind gemäß § 84 Abs. 1 FGO i.V. mit §§ 101 bis 103 der AO die dort bezeichneten Zeugnisverweigerungsrechte zu beachten. Die Auskunft können danach insbesondere Ärzte verweigern, soweit es um das geht, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist (§ 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AO). Der durch § 84 Abs. 1 FGO i.V. mit § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c AO gewährleistete Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient steht auch einem Benennungsverlangen entgegen, mit dem Name und Anschrift der behandelten Patienten ermittelt werden sollen, um diese als Zeugen zu vernehmen.
Die Mitwirkung erfordert detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung. Hierfür ist es erforderlich, für den jeweiligen Behandlungsfall die Tatsachen zur konkreten Krankheit, Verletzung oder Beeinträchtigung anzugeben, die i.S. der EuGH-Rechtsprechung einen Eingriff ästhetischer Natur im jeweiligen Einzelfall erforderlich macht (EuGH 21.3.13, C-91/12 - PFC Clinic). Dies gilt insbesondere für die Erforderlichkeit derartiger Eingriffe bei gesundheitlichen Problemen psychologischer Art. Soweit die von der Klägerin vorgelegte Dokumentation über die einzelnen Behandlungsfälle dem nicht genügt, ist ihr Gelegenheit zu weitergehenden Präzisierungen zu geben.
Es ist dann auf der Grundlage der nach Name und Anschrift des jeweiligen Patienten anonymisierten Unterlagen Beweis durch Sachverständigengutachten über die einzelnen Behandlungsfälle zu erheben. Dabei besteht keine Bindung an die Beurteilung durch den Schönheitschirurg und das für ihn tätige ärztliche Personal. Erst wenn die von ihm anonymisiert beizubringenden Angaben nicht ausreichen, um den Heilbehandlungscharakter nachzuweisen, ist über die Steuerfreiheit nach Maßgabe der Feststellungslast zu entscheiden, die den trifft, der die Steuerfreiheit geltend macht (BFH 14.5.02, IX R 31/00, BStBl II 02, 712).