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  • · Nachricht · Umsatzsteuerbefreiung

    Die Zuarbeit zum Aufbau einer Tumorstatistik ist nicht steuerbefreit

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    Teilt eine onkologische Gemeinschaftspraxis mit Einverständnis ihrer Tumorpatienten die Tumorfälle der Krankenkasse zum Aufbau einer Tumorstatistik mit, sind die aus der Zuarbeit zur Datenbank erzielten Umsätze nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei. Es handelt sich um keine Heilbehandlung mit therapeutischem Ziel, sondern um eine reine Dokumentationstätigkeit (FG Berlin-Brandenburg 18.6.13, 5 K 5412/11, Rev. BFH XI R 31/13).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin ist eine onkologische Gemeinschaftspraxis. Bei einer Außenprüfung wurde unter anderem festgestellt, dass Umsätze, die aus Zuarbeiten zu einer Tumordatenbank erzielt wurden, zu Unrecht als steuerfreie Umsätze nach § 14 Nr. 4 UStG. Durch die Erhöhung der Nettoumsätze wurde die Kleinunternehmer-Grenze nach § 19 UStG überschritten. Die Klägerin macht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH) geltend, die in Rede stehenden Leistungen seien als ärztliche Leistungen umsatzsteuerfrei. Sie sei als onkologische Praxis verpflichtet gewesen, nach Zustimmung des Patienten eine schriftliche Zusammenfassung der im Rahmen der Diagnostik, Therapie und Nachsorge erhobenen Befunde in der Form eines standardisierten Arztbriefes bei allen Tumorpatienten an die Krankenkassen für das so genannte Tumorregister zu übermitteln. Es handele sich um eine reine Dokumentation der ärztlichen Behandlungsergebnisse, ohne dass eine Wertung des Arztes abgegeben werde. Im Endeffekt diene die Datenerhebung der Verbesserung der Bekämpfung von Krebserkrankungen im Bereich der Vorsorge, der Behandlung und der Nachsorge und habe daher den nach der Rechtsprechung erforderlichen therapeutischen Charakter.

     

    Anmerkungen

    Das FG hielt die angefochtenen Bescheide jedoch für rechtmäßig. Nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG dienen umsatzsteuerbefreite Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin der Diagnose, Behandlung und der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen (BFH 18.8.11, V R 27/10, BFH/NV 11, 2214). Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden. Keine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin sind „ärztliche Leistungen”, „Maßnahmen” oder „medizinische Eingriffe”, die zu anderen Zwecken erfolgen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (18.11.10, C-156/09 - Herauslösen von Gelenkknorpelzellen und anschließende Vermehrung zur Reimplantation) kommt es zudem nicht auf ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und einem konkreten Patienten an. Der Steuerfreiheit stehe auch nicht entgegen, dass der Arzt beratend tätig wird. Im Übrigen ist § 4 Nr. 14 UStG nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie) auszulegen.

     

    Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen stellen die Leistungen zur Tumordokumentation keine ärztlichen Leistungen dar. Die Leistungen der Klägerin haben keinen (unmittelbaren) therapeutischen Zweck. Zwar hat der EuGH entschieden, dass die therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen, sondern vielmehr unter Berücksichtigung des Zwecks der Steuerbefreiung auszulegen ist, der darin besteht, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung zu senken (EuGH 18.11.10, C-156/09). Den zitierten Entscheidungen von BFH und EuGH liegen jedoch Sachverhalte zugrunde, in denen Ärzte konkrete medizinische Leistungen bzw. medizinische Beratungen ausgeführt haben, die sich unmittelbar auf die Heilbehandlung von anderen Ärzten und Krankenhäusern auswirkten. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall. Die Klägerin hat selbst herausgestellt, dass die Datenerfassung eine reine Dokumentation erfolgter Behandlungen ist und keine weitere gutachterliche oder fachliche Tätigkeit des Arztes erfordert. Sie ist weder als Abschluss der eigentlichen Therapie zu werten noch als Vorbereitung einer Therapie und deshalb auch nicht Bestandteil der durch die Klägerin erbrachten Heilbehandlung. Dass die in dem Tumorregister gesammelten Dokumentationen für künftige Krebsbehandlungen dienlich sein können, führt ebenso wenig wie die Veröffentlichung wissenschaftlicher Artikel oder eine Vortragstätigkeit (vgl. dazu Bunjes/Heidner, UStG 10. Auflage, § 4 Nr. 14 Randziffern 26-30) zur Steuerbefreiung, da es an dem notwendigen „unmittelbaren Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit” fehlt (BFH 18.8.2011, V R 27/10).

     

    Praxishinweise

    Das Gericht weist in der Entscheidung auf zwei weitere Umstände hin, warum es die Umsatzsteuerbefreiung ablehnt: Zum einen handelt es sich bei der Dokumentation um eine Tätigkeit, die auf der Grundlage der ärztlichen Unterlagen auch von einer Praxishilfe ausgeführt werden könnte, also keine entsprechende ärztliche Qualifikation erfordert. Aus den genannten Gründen ist auch das Ziel der Steuerbefreiung, die Kosten der Heilbehandlung zu senken, bei administrativen Tätigkeiten wie im Streitfall nicht berührt. Zum anderen ist es unerheblich, dass die Klägerin wegen des vom Land Brandenburg im Vorgriff auf die gesetzliche Regelung geführten Krebsregisters zur Dokumentation verpflichtet gewesen ist. Entscheidend für die Frage der Steuerbefreiung ist allein die Art der Leistung.

    Quelle: ID 42427064