· Nachricht · Umsatzsteuerbefreiung
Erbringt ein Mitarbeiter des Besucherdienstes beim Deutschen Bundestag umsatzsteuerfreie Unterrichtsleistungen?
| An der Steuerpflicht für Leistungen, die freie Mitarbeiter des Besucherdienstes beim Deutschen Bundestag gegenüber der Bundesrepublik Deutschland erbringen, bestehen im Hinblick auf die Steuerfreiheit für Unterrichtsleistungen von anerkannten Einrichtungen und Privatlehrern nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL ernstliche Zweifel ( BFH 7.1.15, V B 102/14 ). |
Der Antragsteller erbrachte als freier Mitarbeiter aufgrund eines mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrages Dozentenleistungen für den Besucherdienst beim Deutschen Bundestag. Zu seinen Aufgaben gehörte es, in Vorträgen und Führungen im Bundestag dessen Gäste über die deutsche Parlamentsgeschichte, über Funktion, Struktur und Arbeitsweise der deutschen Volksvertretung sowie über die demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zu informieren. Zur Zielgruppe gehörten Schüler, die in mit öffentlichen Geldern bezuschussten Bildungsfahrten den Deutschen Bundestag besuchten. Das Besucherangebot richtete sich auch an Ausbildungsgänge der Bundeswehr, Lehrer und andere Ausbilder sowie an sonstige Multiplikatoren im Bereich der politischen Bildung.
Weder in der Person des Antragstellers noch in der seines Auftraggebers liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG vor. Daher können die Leistungen des Antragstellers auch nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG steuerfrei sein. Jedoch ist nach Meinung des BFH ernstlich zweifelhaft, ob die nach nationalem Recht bestehende Steuerpflicht mit dem Unionsrecht in Einklang steht. In Betracht kommen Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL.
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Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
(Buchst i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
(Buchst j): von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht; |
Die vom Antragsteller erbrachten Leistungen stellen bei summarischer Prüfung Schulunterricht i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL dar. Der Antragsteller behandelte in seinen Führungen und Vorträgen staatspolitische und historische Themen. Aufgabe war es, die Ausbildung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zu vervollständigen und Kenntnisse und Kompetenzen zu vermitteln, die relevant sind im Kontext der Rahmenlehrpläne für Geschichte und Sozialkunde. Der Antragsteller erfüllte bei summarischer Prüfung auch die unternehmerbezogenen Voraussetzungen für die nach dem Unionsrecht zu gewährende Steuerfreiheit. Dies gilt gleichermaßen für Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL wie auch für Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.
Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung, Umschulung
Bei Leistungen durch Unternehmer, die keine Einrichtung öffentlichen Rechts sind, setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL eine Leistung durch eine andere Einrichtung voraus, die über eine von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte vergleichbare Zielsetzung verfügt, wie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die mit den Aufgaben der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, des Schul- und Hochschulunterrichts, der Aus- und Fortbildung oder der beruflichen Umschulung betraut ist. Bei summarischer Prüfung kann es sich bei dem Antragsteller um eine anerkannte Einrichtung in diesem Sinne handeln.
Von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht
Auch Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL kommt in Betracht. Zwar hat der EuGH (28.1.10, C-473/08, Eulitz) entschieden, dass diese Bestimmung nicht die Leistungen von Lehrern erfasst, die im Rahmen von Lehrgängen tätig sind, die von einer dritten Einrichtung angeboten werden, da dann diese Einrichtung, nicht aber der Lehrer „Träger der Bildungseinrichtung“ ist, an der der Lehrer Unterricht erteilt und Ausbildungsleistungen für die Unterrichtsteilnehmer erbringt. Fraglich ist aber, ob der Deutsche Bundestag mit seinem Besucherführungsdienst als Träger einer Bildungseinrichtung in diesem Sinne anzusehen ist. Denn zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung ist „Träger einer Bildungseinrichtung“ nur, wer selbst entgeltliche Unterrichtsleistungen erbringt (Abschn. 4.21.2 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Dies trifft auf den Besucherführungsdienst des Deutschen Bundestages, der seine Leistungen unentgeltlich in der Öffentlichkeit anbietet, nicht zu.