· Nachricht · Umsatzsteuerbefreiung
Heileurythmie als steuerfreie Tätigkeit
von StB Jürgen Derlath, Münster
Die Umsätze eines Heileurythmisten sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei, wenn der Leistungserbringer Mitglied des Bundesverbandes für Heileurythmie ist und der Bundesverband mit den Krankenkassen Verträge zur Integrierten Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf Grundlage des § 140a SGB V abgeschlossen hat (FG Niedersachsen 23.10.14, 5 K 329/13, Rev. BFH XI R 3/15). |
Sachverhalt
Die Klägerin, eine selbstständig tätige Heileurythmistin, erzielte Umsätze, denen teilweise Verträge zur Integrierten Versorgung (IV-Verträge) mit Anthroposophischer Medizin auf Grundlage der §§ 140a SGB V zugrunde lagen. Das Finanzamt wollte die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zunächst gar nicht und nach Abhilfe im Einspruchsverfahren nur für die im Rahmen der IV-Verträge erbrachten Leistungen gewähren. Das FG Niedersachsen gab der Klägerin Recht.
Anmerkungen
§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG setzt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BFH 18.8.11, V R 27/10, BFH 2.9.10, V R 47/09, BStBl II 11, 195) bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und er die dafür erforderliche berufliche Qualifikation besitzt. Der Nachweis der medizinischen Indikation der Heilbehandlung lag im Streitfall vor, denn die auf ärztliche Anordnung erbrachten heileurythmischen Leistungen der Klägerin dienten dem Zweck der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen der Leistungsempfänger.
Der Nachweis der Qualifikation kann sich für die nicht unter die Katalogberufe fallenden Unternehmer insbesondere aus berufsrechtlichen Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung ergeben (vgl. zuletzt BFH 30.4.09 V R 6/07, BStBl II 09, 679), die es für Heileurythmisten jedoch nicht gibt.
Der Nachweis der Berufsqualifikation kann auch aus einer „regelmäßigen“ Kostentragung durch Sozialversicherungsträger folgen, wobei eine derartige Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen nach der Rechtsprechung des BFH nur dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat (vgl. BFH 2.9.10, V R 47/09, BStBl II 11, 195, unter II.3.). Danach kann der Befähigungsnachweis über eine regelmäßige Kostentragung erbracht werden, wenn
- der Leistungserbringer oder zumindest seine Berufsgruppe nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen wurde,
- Leistungen durch Richtlinien nach § 92 SGB V oder nach Maßgabe der Satzung der jeweiligen Krankenkasse in den Leistungskatalog aufgenommen wurden,
- Leistungen aufgrund eines Versorgungsvertrages nach § 11 Abs. 2, § 40, § 111 SGB V oder aus § 43 SGB V in Verbindung mit einer Gesamtvereinbarung erbracht wurden, in die der Leistungserbringer eingebunden ist.
Die für Versorgungsverträge und Gesamtvereinbarungen geltenden Grundsätze gelten auch für Integrierte Versorgungsverträge (§§ 140 a ff. SGB V), die Berufsverbände von Leistungserbringern mit gesetzlichen Krankenkassen abschließen, sofern der jeweilige Berufsverband die Teilnahmeberechtigung der Leistungserbringer davon abhängig macht, dass die in den Verträgen enthaltenen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden (BFH 8.3.12, V R 30/09, BStBl II 12, 623). Dies traf auf die Klägerin zu.
Praxishinweis
Da das FG Niedersachsen damit den Nachweis der beruflichen Qualifikation als erbracht ansah, gewährte es die Umsatzsteuerbefreiung auch den Fällen, in denen die Erstattung der Leistungen durch die Krankenkassen daran gescheitert war, dass diese mit dem Bundesverband (noch) keine entsprechenden „IV-Verträge“ abgeschlossen hatten.
Es gebe allerdings weiterhin einen sachlichen Grund, die Kostentragung in der Satzung einer Krankenkasse nicht neben dem Abschluss eines IV-Vertrages von einer Krankenkasse mit einem Berufsverband ebenfalls als Befähigungsnachweis anzuerkennen: Bei Kostentragung einzelner Krankenkassen durch Satzung ist die Berufsqualifikation des Leistungserbringers nicht gewährleistet. Denn in den jeweiligen Satzungen ist nicht geregelt, wer die angebotenen Leistungen erbringen wird und welche Anforderungen er zu erfüllen hat.