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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuerfreiheit

    Psychologische Fachbegutachtung bei Schönheits-OPs

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Nach der jüngst durch den EuGH bestätigten Rechtsprechung gelten die ohne nachgewiesenen medizinisch-therapeutischen Hintergrund durch Heilberufler ausgeführten ästhetischen Behandlungen (z.B. Schönheitsoperationen) als nicht von § 4 Nr. 14 UStG begünstigte. Reklamiert der Unternehmer für die OP „gesundheitliche Probleme psychologischer Art“ des Patienten, so hat er diese durch entsprechende Fachbegutachtung nachzuweisen (BFH 19.06.13, V S 20/13).

     

    Sachverhalt

    Im BFH-Verfahren ging es um eine Klinik, die ästhetisch-chirurgische Maßnahmen (Fettabsaugen, Gesichts-, Hals- und Augenlidstraffungen sowie Brustvergrößerungen) durchführte. Das Finanzamt erhob auf diese OP-Erlöse Umsatzsteuer. Nach erfolglosem Einspruch wies das FG unter Verweis auf die langjährige BFH-Rechtsprechung sowohl die Klage als auch den gestellten Antrag auf „Aussetzung der Vollziehung“ (AdV) ab. Nachdem der BFH die AdV im ersten Schritt unter Verweis auf ein anhängiges EuGH-Verfahren gewährt hatte, kommt er nun nach der EuGH-Entscheidung zur ablehnenden Einschätzung.

     

    Anmerkung

    Der BFH begründet seine Steuerbefreiungsversagung sehr ausführlich und setzt sich insbesondere umfangreich mit der vorgebrachten psychologischen Indikation der Operationen auseinander. Der BFH betont unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH (21.03.13, C-91/12), es komme hinsichtlich des für die Steuerbefreiung erforderlichen medizinisch-therapeutischen Zwecks der Behandlung nicht auf die rein subjektive Vorstellung des Patienten an. Die Klägerin hatte bei allen Operationen den medizinisch-therapeutischen Zweck pauschal mit gesundheitlichen Problemen psychologischer Art begründet. Das lässt der BFH jedoch nicht gelten.

     

    Denn nach der EuGH-Entscheidung C-91/12 könne zwar auch bei ästhetisch-plastischen Operationen eine psychologische Indikation für die Steuerbefreiung ausreichen, aber dies komme nur dann in Betracht, wenn hierzu medizinische Feststellungen von entsprechendem Fachpersonal vorlägen. Diese Fachfeststellungen könne mithin nicht - wie vorliegend von der Klinik aber vorgebracht - durch den, den Eingriff selbst vornehmenden Arzt (z.B. Chirurg) erfolgen. Denn zum einen besitze dieser nicht die erforderliche psychologische Fachkompetenz und zum anderen würde er dann eine Fremdbefundung in eigener Sache vornehmen, sodass die Gefahr bestehe, dass ästhetische Operationen durchgeführt würden, die (zumindest) für die Behandlung gesundheitlicher Probleme psychologischer Art überhaupt nicht erforderlich seien. Dass das Erfordernis der fachkompetenten Fremdbefundung bei einer mutmaßlichen psychologischen Indikation zu einer Erhöhung der Behandlungskosten durch Einholung einer „zweiten ärztlichen Beurteilung“ führe, spielt für den BFH - entgegen dem Vorbringen der Klägerin - keine Rolle.

     

    Von großer Bedeutung ist für den BFH ferner, dass es keine Pauschal- oder Gesamtbetrachtung der Tätigkeit oder vergleichbarer Operationen geben könne, sondern stets jede einzelne Behandlungsmaßnahme im Kontext des Einzelpatienten individuell zu beurteilen sei. Insofern sei die Steuerbefreiung reklamierende Heilbehandlung im Hinblick auf ihre Beweisnähe in gesteigertem Maße selbst für jeden Einzelfall darlegungspflichtig.

     

    Praxishinweise

    Der BFH hat die Nachweiserfordernisse für eine Steuerbefreiung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG im Bereich der ästhetischen Behandlungen deutlich konkretisiert aber auch verschärft. Unproblematisch bleiben - und dies hatte auch der EuGH ausdrücklich bestätigt - jene Behandlungsfälle, bei denen die medizinische Indikation der ästhetischen Behandlungsmaßnahme wegen aktenkundig befundeter Krankheit, Verletzung (z.B. Unfallfolge) oder eines angeborenen körperlichen Mangels evident ist, denn dann ist das medizinisch-therapeutische Motiv durch Vorbefundung unstreitig. Soll der Eingriff jedoch auf einen Hintergrund psychologischer Art gestützt werden, so bleibt nur die fachkundige Fremdbefundung im Vorfeld durch fachpsychiatrische oder fachpsychotherapeutischen Befunde oder durch den Nachweis einer kontinuierlichen Therapie wegen psychischer Störungen vor Beginn des Eingriffs durch einen Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenarzt, Facharzt für psychosomatische Medizin oder psychologischen Psychotherapeuten oder durch den Nachweis einer psychiatrischen/psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung oder Rehabilitation wegen einer psychischen Störung.

     

    PRAXISHINWEIS | Wichtig ist, dass der Nachweis nicht summarisch für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle erbracht werden kann, sondern der BFH ausnahmslos einen (nachträglich durch Finanzverwaltung und ggf. Gerichte) nachvollziehbaren Einzelfallnachweis fordert. Kann dieser erforderliche Einzelfallnachweis im Hinblick auf das gemäß § 203 StGB strafbewährte Offenbarungsverbot durch den Heilbehandler nicht geführt werden, so geht dies - wie der BFH ausdrücklich konstatiert - zu seinen Lasten. Dass sich der Heilbehandler von der insoweit möglicherweise bestehenden Schweigepflicht im Hinblick auf das bei ihm durchzuführende Besteuerungsverfahren nicht hat entbinden lassen, begründet demnach kein Anrecht auf erleichterte Nachweisführung für die Steuerfreiheit.

     

    Der BFH betont in diesem Zusammenhang unter Verweis auf die EuGH-Entscheidung C-91/12 zudem, dass er den Gesundheitsbegriff der WHO für die Beurteilung der medizinischen Indikation als nicht maßgeblich ansieht (vgl. insofern schon BFH 24.10.11, XI B 54/11 zur Irrelevanz der WHO-Kriterien bei Ohr­anlegeoperationen).

     

    Das FG hatte für die Ablehnung der Steuerfreiheit auf den Internetauftritt der Klinik verwiesen, in dem von Schönheitsoperationen gesprochen werde und der die optisch-ästhetischen Verbesserungen durch die Eingriffe hervorhebe. Behandler sollten sich bewusst sein, welche Indizwirkung oder zumindest Prüfungsfolgerelevanz von einem entsprechend werbewirksam gestalteten Internetauftritt ausgehen kann, denn er wirkt nicht nur auf potenzielle Patienten, sondern auch auf Finanzverwaltung oder -gerichte.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 293 | ID 42240217