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  • · Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

    Nachbesetzung einer chirurgischen Zulassung durch Orthopäden/Unfallchirurgen

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    Die Stelle eines Chirurgen nach altem Weiterbildungsrecht kann nur dann durch einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nachbesetzt werden, wenn der Chirurg die Schwerpunktbezeichnung „Unfallchirurgie“ führt. Dass der Chirurg ausschließlich als Unfallchirurg tätig ist, ersetzt nicht die fehlende Schwerpunktbezeichnung. Dies folgt aus § 16 Bedarfsplanungsrichtlinie, der bei der Nachbesetzung von Arztstellen entsprechend gilt (Pressemitteilung vom 28.9.16 zu BSG B 6 KA 40/15 R).

     

    Sachverhalt

    Ein MVZ beschäftigte u. a. Fachärzte auf chirurgischen sowie orthopädischen Zulassungen. Eine vakante chirurgische Zulassung, die mit einem Facharzt für Chirurgie (C) nach altem Weiterbildungsrecht besetzt war, sollte durch einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (U) nach neuem Weiterbildungsrecht nachbesetzt werden. Tatsächlich war C ausschließlich unfallchirurgisch tätig gewesen, allerdings ohne die Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie. Der Zulassungsausschuss genehmigte die Anstellung des U mit der Auflage, dass er nur unfallchirurgisch tätig werden dürfe. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.

     

    Anmerkungen

    Das MVZ hatte keinen Anspruch auf unbeschränkte Nachbesetzung der chirurgischen Arztstelle mit einem Orthopäden und Unfallchirurgen, da die Ärzte unterschiedlichen bedarfsplanungsrechtlichen Arztgruppen (Chirurgie und Orthopädie) angehören. Dass C nur als Unfallchirurg tätig war, ist bedarfsplanungsrechtlich bedeutungslos. Die aus der Bedarfsplanung resultierenden Zulassungsbeschränkungen knüpfen allein an Arztgruppen und Fachgebiete i. S. des Weiterbildungs- und Bedarfsplanungsrechts an, nicht an individuelle ärztliche Behandlungsausrichtungen.

     

    Auch aus § 16 Bedarfsplanungsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Danach gilt, dass eine Praxis auch für Ärzte zur Nachfolge ausgeschrieben werden kann, die ganz oder teilweise in einem Fachgebiet tätig sind, das mit dem alten Fachgebiet übereinstimmt. Die Nachbesetzung soll i. S. einer bedarfsgerechten Versorgung die ausgewogene Verteilung der Fachgebiete sichern. Auch wenn die Vorschrift sinngemäß bei der Nachbesetzung angestellter Ärzte in einem MVZ anzuwenden ist, trägt die Norm allein Änderungen im Weiterbildungsrecht Rechnung und knüpft somit an veränderte Bezeichnungen an. Eine Chirurgenstelle kann daher durch einen Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie nach neuem Weiterbildungsrecht nachbesetzt werden - aber nur, wenn der Chirurg die Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie führt.

     

    Praxishinweise

    In einigen KV-Bezirken wurde die Nachbesetzung chirurgischer Zulassungen durch Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie relativ großzügig ermöglicht. Oft genügte es, wenn der Chirurg in relevantem Umfang unfallchirurgische Tätigkeiten erbrachte. Dies erweiterte den Kreis der potenziellen Interessenten erheblich und führte in der Regel auch dazu, dass ein höherer Preis für die Praxis erzielt werden konnte.

     

    Dem schiebt das BSG einen Riegel vor. Nun kommt es nur noch darauf an, ob der abgebende Chirurg weiterbildungsrechtlich die vormalige Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie führt. Das BSG nimmt bewusst in Kauf, dass diese formale Betrachtung an der Versorgungsrealität vorbeigehen kann.

     

    Diese formale Betrachtung ist nachvollziehbar, da die Bedarfsplanung auf das Weiterbildungsrecht zurückgreift. Solange die Bedarfsplanung zwischen Chirurgen und Orthopäden/Unfallchirurgen differenziert, ist eine sachgerechte Abgrenzung der Fachgruppen möglich. Dass dies für viele Chirurgen, die ihre Praxen demnächst abgeben möchten, zu erheblichen Problemen führen wird, steht auf einem anderen Blatt. Andererseits verringert sich das Risiko, dass die chirurgischen Zulassungen durch Umwidmungen in orthopädisch-unfallchirurgische Zulassungen ausgeblutet werden. Die Fachgruppe der Chirurgen erhält damit ihre Daseinsberechtigung auch bedarfsplanungsrechtlich.

     

    Zwei Dinge gleiben nach der bislang vorliegenden Pressemitteilung offen:

     

    • Kann die Stelle eines Chirurgen ohne Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie, der jedoch als Durchgangsarzt zugelassen ist, durch einen Unfallchirurgen/Orthopäden nach neuem Weiterbildungsrecht nachbesetzt werden? Mit Blick auf das Weiterbildungsrecht wäre es konsequent, auch hier die Nachbesetzung nur durch einen Chirurgen zu genehmigen.

     

    • Können Chirurgen ohne Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie dann noch eine Nachbesetzung durch einen Orthopäden/Unfallchirurgen im Rahmen eines Vertrauensschutzes erwirken, wenn ihnen seitens der KV eine entsprechende Mitteilung vorliege. Hier wird es ggf. auf die Formulierung des entsprechenden Schreibens ankommen.

     

    Zu begrüßen ist letztlich die vom BSG zugrunde gelegte Anwendung des § 16 Bedarfsplanungsrichtlinie nicht nur auf Fälle der Praxisnachfolge, sondern auch auf Fälle der Nachbesetzung von Zulassungen, die mit angestellten Ärzten besetzt sind. Die gegenläufige Auffassung des SG Stuttgart (20.11.14, S 11 KA 5763/14 ER, Urteil) ist damit obsolet.

    Quelle: ID 44309697