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  • · Nachricht · Vertragsarztrecht

    Terminservicestellen sind ein zweischneidiges Schwert

    Von RA Benedikt Büchling, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Seit Juli 2015 gelten wesentliche Teile des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG). Um eine flächendeckend und gut erreichbare medizinische Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten sicherzustellen, wurden Regelungen geschaffen, die einen schnelleren und sektorenübergreifender Zugang der Patienten zur medizinischen Versorgung gewährleisten. Unter anderem sollten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), bis zum 23.1.16 Terminservicestellen einrichten. Der Beitrag befasst sich mit möglichen Konsequenzen für den Chefarzt. |

    1. Gesetzliche Vorgaben

    Zum Sicherstellungsauftrag der KV nach § 75 Abs. 1a SGB V gehört auch eine zeitnahe fachärztlicher Versorgung. Dazu müssen die KVen Terminservicestellen einsetzen, die den Patienten mit einer Überweisung zum Facharzt (Ausnahme: Augenärzte und Frauenärzte) binnen einer Woche einen Termin bei einem Vertragsarzt vermitteln. Aktuell nicht vermittelt werden (jedenfalls regional) Termine bei Psychotherapeuten sowie bei Zahnärzten bzw. Kieferorthopäden. Die Wartezeit auf den Behandlungstermin darf ab dem Anruf bei der Terminservicestelle vier Wochen nicht überschreiten, der Termin selbst muss binnen fünf Werktagen mitgeteilt werden. Kann ein Behandlungstermin nicht fristgerecht vermittelt werden hat die KV dem Patienten einen ambulanten Termin in einem zugelassenen Krankenhaus anzubieten.

     

    Zudem muss der Facharzt in zumutbarer Entfernung zum Wohnort des Patienten tätig sein. In Anlehnung an einschlägige Rechtsprechung zur Sonderbedarfszulassung scheint die Praxis hier Fahrzeiten von bis zu 45 Minuten für Patienten als zumutbar anzusehen.

     

    Ein Vermittlungsanspruch besteht nur, wenn es sich nicht um eine (verschiebbare) Routineuntersuchung oder eine Bagatellerkrankung o.ä. handelt. Es wird also derjenige zuerst einen Behandlungstermin erhalten, dessen Krankheitsgrad schwerwiegender ist und dessen Behandlung kein längeres Abwarten zulässt. Auf dem Überweisungsträger muss demgemäß durch den überweisenden Arzt ein Dringlichkeitsvermerk kodiert werden.

     

    Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) evaluiert die Auswirkungen der Tätigkeit der Terminservicestellen insbesondere im Hinblick auf die Erreichung der fristgemäßen Vermittlung von Facharztterminen, auf die Häufigkeit der Inanspruchnahme und auf die Vermittlungsquote.

     

    Das Gesetz enthält übrigens keine Verpflichtung für den jeweiligen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt, der Terminservicestelle ein freies Kontingent bereitzustellen. Der Arzt kann weiterhin selbst über seine Termine frei verfügen. Ein gesondertes Entgelt für die Fachärzte, die Termine bereitstellen, ist nicht vorgesehen.

     

    • Erste Umsetzungsbeispiele

    Bereits im Vorfeld hat die KV Westfalen-Lippe die regional niedergelassenen Fachärzte einschließlich der ermächtigten Fachärzte darum gebeten, per Fax oder E-Mail freie Termine anzugeben. Nach der Behandlung muss der Facharzt der KVWL bestätigen, dass der Patient bei ihm war. Die KVWL nutzt, wie auch die KVen Nordrhein, Niedersachsen und Hessen, die von der KBV eigens entwickelte Software für Terminservicestellen. Ersten Presseberichten zufolge seien alle Anrufer in der ersten Vermittlungswoche gut durchgekommen. Im Bereich der KV Westfalen-Lippe meldeten sich am ersten Tag rund 200 Kassenpatienten, die binnen vier Wochen einen Facharzttermin erhalten sollen, im Bereich der KV Nordrhein waren es ca. 250 Patienten. Bereits am zweiten Tag ließ der Andrang mit 120 bzw. 190 Anrufern nach. Die begehrtesten Facharztgruppen, bei denen um Termine ersucht wurde, waren Neurologen, Gastroenterologen, Augenärzte, Radiologen und Kardiologen.

     

    2. Konsequenzen für den Chefarzt

    Da die Terminservicestelle nach vier Wochen ergebnisloser Vermittlungstätigkeit einen ambulanten Behandlungstermin in einem zugelassenen Krankenhaus vermitteln muss, wird der Chefarzt zwangsläufig mit den Terminservicestellen in Kontakt kommen. Dies gilt umso mehr für die Fachdisziplinen, in denen Engpässe zu erwarten sind. Zwei Probleme deuten sich dabei schon an:

     

    • Zum einen wies der Vorstand der KV Westfalen-Lippe bereits vorsorglich darauf hin, dass ein Krankenhaus die Honorierung für den Fall verweigern wird, dass ein Patient trotz eines vermittelten Termins in einer Facharztpraxis direkt in ein Krankenhaus geht. Der Chefarzt muss also organisatorisch Vorsorge treffen, dass die Berechtigung des Patienten, im Krankenhaus behandelt zu werden, überprüft wird.

     

    • Sollten vermehrt Patienten über die Terminservicestellen an Krankenhäuser vermittelt werden, müssen strukturelle Vorkehrungen (z.B. Neueinstellungen von Ärzten) getroffen werden, um das erhöhte Patientenaufkommen zu bewältigen.

     

    FAZIT | Terminservicestellen sind ein zweischneidiges Schwert, dessen Nachteile überwiegen. Sicher, der gesetzlich versicherte Patienten hat einen Anspruch auf einen zeitnahen Termin beim Facharzt. Allerdings muss er dafür auf die freie Arztwahl verzichten, die als Folge aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten seit jeher der Pfeiler des Arzt-Patientenverhältnisses war. Ebensowenig überzeugt es, die Krankenhäuser mit den oft hochspezialisiert tätigen Abteilungen als „Zweitversorger in der Hinterhand“ zu etablieren.

     
    Quelle: ID 43855559