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  • · Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

    Voraussetzungen der Praxisverlegung bei vertragsärztlicher Tätigkeit

    von RA FAfMedR Norman Langhoff, LL.M., RBS RoeverBroennerSusat, Berlin (www.rbs-partner.de)

    | Die Wahl des Standortes ist für den wirtschaftlichen Erfolg von grundlegender Bedeutung. Während sich Freiberufler wie Steuerberater, Apotheker, Architekten oder Rechtsanwälte durch Verlegung ihres Geschäftssitzes selbstverständlich jederzeit geografisch neu ausrichten können, ist dies zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten nicht ohne Weiteres möglich. Das Vertragsarztrecht ist aus versorgungspolitischen Erwägungen seit dem 1.1.12 sogar restriktiver geworden. Zwei jüngere sozialgerichtliche Entscheidungen befassen sich mit den neuen Regelungen. |

    1. Die (neuen) Grundregeln der Standortwahl

    Niedergelassene Ärzte sind schon aufgrund rechtlicher Vorgaben in der Wahl ihrer Tätigkeitsorte beschränkt:

     

    • Die Berufsausübung ist nach ärztlichem Berufsrecht zwingend an einen Praxissitz gebunden. Darüber hinaus ist es gestattet, maximal an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein. Die Berufsausübung im Umherziehen ist damit unzulässig.

     

    • Für den (darüber hinaus) zur Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten berechtigten und verpflichteten Arzt gelten die einschlägigen vertragsarztrechtlichen Vorschriften, wonach die Zulassung nur für den Vertragsarztsitz erteilt wird. Im Grundsatz dürfen nur dort Behandlungsleistungen erbracht werden. Andernorts durchgeführte Behandlungen werden nicht vergütet. Seit 1.1.07 ist die vertragsärztliche Tätigkeit auch außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig („Zweigpraxen“).

     

    Da die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung aufgrund der hoheitlichen Bedarfsplanung bekanntlich limitiert ist, ist eine Praxisverlegung über die Grenzen des Zulassungsbezirkes, für den die Zulassung erteilt worden ist, generell nicht möglich. Aber auch innerhalb eines Zulassungsbezirkes ist die Verlegung des Vertragsarztsitzes nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Maßgeblich ist hier § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV.

     

    Die Sitzverlegung bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses, die zwingend vor Umzug der Praxis und vor Beginn der Leistungserbringung am neuen Praxissitz einzuholen ist. Die Sitzverlegung „darf nur genehmigt werden, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen“. Die Vorschrift wurde durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) mit Wirkung zum 1.1.12 einschränkend modifiziert. Bis zum Stichtag lautete sie noch: „Der Zulassungsausschuss hat den Antrag […] zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.“

    2. Entscheidung des SG Marburg

    Die praktischen Auswirkungen dieser Änderung werden in einem jüngeren, nicht rechtskräftigen Beschluss des SG Marburg (5.2.14, Az. S 12 KA 36/14 ER, anhängig beim LSG Hessen L 4 KA 25/14 B ER) im einstweiligen Rechtsschutz verdeutlicht.

     

    • Sachverhalt

    Ein Psychotherapeut begehrte (im Wesentlichen aus familiären Gründen) die Verlegung seiner Praxis innerhalb eines - wegen Überversorgung gesperrten - Planungsbereichs. Nachdem der Zulassungsausschuss die Verlegung genehmigt hatte, lehnte der auf Widerspruch der betreffenden Kassenärztlichen Vereinigung angerufene Berufungsausschuss die Genehmigung jedoch ab und stützte sich dabei darauf, dass durch die geplante Verlegung in die bereits „sehr gut versorgte Stadt“ A in den an den aktuellen Praxisstandort in C östlich angrenzenden - noch zum Planungsbereich gehörenden - Gemeinden dann eine „Versorgungslücke“ entstünde. Gegen die Entscheidung erhob der Psychotherapeut Klage und stellte zudem - da bereits Praxisräume in A angemietet worden waren, er aber wegen des schwebenden Rechtsstreits zur Praxisführung in provisorischen Räumen in C gezwungen sei - zudem einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz.

     

    Die zur Antragsbegründung vorgetragenen familiären Gründe (krankheitsbedingter privater Umzug nach A, zweistündige Fahrtwege von und nach C) wurden von dem Gericht mangels hinreichender Substantiierung nicht berücksichtigt. Darüber hinaus erfolgten jedoch grundsätzliche Ausführungen zu den Voraussetzungen für die Genehmigung einer Sitzverlegung, aus denen sich ergibt, dass nach Ansicht des SG Marburg sich die Sitzverlegung zu Recht als nicht genehmigungsfähig erweise.

     

    Die Vorschrift des § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV sei von einer Erlaubnisnorm mit Verbotsvorbehalt in eine Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt umgestaltet worden, um eine restriktivere Genehmigungspraxis herbeizuführen. Die Kammer zog in diesem Zusammenhang die Gesetzesbegründung heran, in der ausgeführt wird, mit der Gesetzesänderung solle klargestellt werden, dass die Verlegung eines Vertragsarztsitzes nur dann genehmigt werden kann, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen, und dass die Zulassungsausschüsse bei der Prüfung eines Antrags auf Verlegung des Vertragsarztsitzes vorrangig darauf zu achten haben, dass Versorgungsgesichtspunkte einer Verlegung des Vertragsarztsitzes nicht entgegenstehen. Schließlich heißt es dort wörtlich: „Führt damit z.B. die Verlegung eines Vertragsarztsitzes in einen anderen Stadtteil zu Versorgungsproblemen in dem Stadtteil, in dem sich der Vertragsarztsitz derzeit befindet, hat der Zulassungsausschuss den Verlegungsantrag abzulehnen.“

     

    Aus Sicht des SG Marburg sei es daher nicht zu beanstanden, dass die Zulassungsgremien von einer wesentlich geringeren Versorgungsdichte im östlichen Planungsbereich ausgingen im Vergleich zum westlichen Planungsbereich und darauf abstellten, dass der Kläger weit über 50 % seiner Patienten aus der im östlichen Teil des Planungsbereich liegenden Stadt C und den angrenzenden Gemeinden habe. Es kommt nach Auffassung der Kammer nicht darauf an, dass im betreffenden östlichen Teil des Planungsbereiches möglicherweise noch eine „hinreichende Versorgungslage“ (und keine „Versorgungslücke“) bestehe. Den Zulassungsgremien sei es nicht verwehrt, trotz nach Bedarfsplanungs-Richtlinie anzunehmender Überversorgung darauf hinzuwirken, dass weitere Massierungen der Zulassungen (im überversorgten westlichen Teil des Planungsbereichs) nicht eintreten. Orientiert man sich an der Gesetzesbegründung, so wird dort eine Unterversorgung am bisherigen Sitz nicht verlangt, vielmehr genügen „Versorgungsproblemeu“. Demnach wäre der Schluss der Kammer wohl nicht zu beanstanden.

    3. Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg

    In eine ähnliche Richtung deutet auch ein ebenfalls im einstweiligen Rechtsschutz ergangener Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg (25.10.13, L 7 KA 77/13 B ER, rkr.) hin, der die Sitzverlegung innerhalb eines überversorgten Planungsbezirks betraf.

     

    Der erkennende Senat sah es als sozialgerichtlich noch ungeklärt an, von welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach der neuen Rechtslage ein Anspruch eines Vertragsarztes auf Genehmigung der Verlegung seines Sitzes innerhalb eines Zulassungsbezirkes abhänge. Aus diesem Grund wurde unter Aufhebung der vorangehenden Entscheidung des SG Berlin die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt und die endgültige Entscheidung vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Es wurde zudem ausdrücklich als valides Abwägungskriterium erachtet, dass die Sitzverlegung einer nur wenige Monate zuvor übernommenen Praxis der Kontinuität der Patientenversorgung am Praxisstandort entgegenstehe.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Senat weist zudem darauf hin, dass in aller Regel kein eiliges Regelungsbedürfnis und damit kein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung besteht, mit der einem Antragsteller ein vertragsärztlicher Status (z.B. eine Zulassung oder Ermächtigung) zugesprochen werden soll. Das LSG hat einen im vorläufigen Rechtsschutz sicherungsfähigen Anspruch auf Bescheidung nur dann bejaht, wenn die Zulassungsgremien ihre Entscheidung nachweislich rechtswidrig verzögern und dadurch dem betroffenen Arzt ein durch das Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehen würde (LSG Berlin-Brandenburg 28.12.11, L 7 KA 153/11 B ER).

     

    4. Fazit

    Die Verlegung des Vertragsarztsitzes ist als Statusentscheidung stets vor Tätigkeitsbeginn zu genehmigen. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich. Eine Sitzverlegung kann nur innerhalb eines Planungsbezirks erfolgen. Sie darf nur genehmigt werden, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen. Innerhalb eines überversorgten Planungsbezirks sind lokale Auswirkungen einer Sitzverlegung zu berücksichtigen. Die Zulassungsgremien können bei bestehenden Konzentrationen von Zulassungen in bereits überversorgten Teilen eines Planungsbereichs darauf hinwirken, dass weitere Massierungen der Zulassungen nicht eintreten.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 146 | ID 42664260