· Fachbeitrag · Wirtschaftlichkeitsprüfung
Vorsicht bei voreiliger Zustimmung zur Beratung vor Regress
| Glaubt ein Arzt, der schon einmal wegen einer Richtgrößenüberschreitung ( § 106 SGB V ) beraten wurde, er werde bei erneuter Überschreitung wieder beraten (und nicht regressiert), schützt ihn dieser Irrtum nicht vor dem Regress. Denn es handelt sich um einen unbeachtlichen Irrtum (SG Marburg 22.3.16, S 16 KA 292/14). |
Wegen Budgetüberschreitungen in den Jahren 2008 und 2009 forderte die KV Honorar zurück. Sie bot jedoch 2013 unter Hinweis auf den Grundsatz „Beratung vor Regress“, der auch für Altfälle Anwendung finde, eine Aufhebung der beiden Regressbescheide gegen Beratung an. Der Arzt stimmte zu. Später focht er diese Zustimmung an. Er sei unter anderem dadurch getäuscht worden, dass die KV den Eindruck einer gütlichen Regelung erweckt habe, während sie tatsächlich nur das angeboten habe, was das neue Gesetz ohnehin vorschreibe. Durch diesen Vergleich erhöhe sich aber gerade das künftige Risiko, in einen Verordnungsregress zu geraten, was der Arzt nicht bedacht habe. Er habe sich damit über die Tragweite seiner Erklärung geirrt.
Das SG Marburg wies die Klage ab. Die Unkenntnis darüber, dass bei künftiger, erneuter Überschreitung einer Richtgröße keine (weitere) individuelle Beratung festgesetzt werden wird, sondern das Risiko eines finanziellen Regresses droht, stellt keinen Inhaltsirrtum i. S. des § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB, sondern - weil lediglich mittelbare Rechtsfolge - einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.
PRAXISHINWEIS | Das Gesetz sieht in § 106 Abs. 3 SGB V Beratungen vor Regress vor: „Dabei sollen gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen“ und „Abweichend von Absatz 5a S. 3 erfolgt bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % eine individuelle Beratung nach Absatz 5a S. 1.“ Nach der Beratung ist der Arzt hinreichend gewarnt und kann sein Abrechnungsverhalten anpassen. Bei erneuter Überschreitung kann er dann sogleich regressiert werden. Hier zeigt sich, dass sich der Arzt gut überlegen und sich ggf. beraten lassen muss, welche Erklärungen er gegenüber der KV im Zusammenhang mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung abgibt. |
RA Philip Christmann, FAMedR, Heidelberg/Berlin, www.christmann-law.de