· Fachbeitrag · Zulassung
Die Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in MVZ wird künftig schwieriger
von RA Harald Engel jun., Wuppertal, www.arztrechtsnetz.de
| Laut Terminbericht Nr. 19/16 hat sich das BSG (B 6 KA 21/15) mit der Frage beschäftigt, wie lange ein Vertragsarzt, der zugunsten einer Anstellung im MVZ auf seine Zulassung verzichtet hat, dort beschäftigt sein muss, bevor die Stelle nachbesetzt werden kann. Das BSG geht - entgegen der geübten Praxis von zwei Quartalen - davon aus, dass der Arzt dort drei Jahre gearbeitet haben muss. Obwohl die Urteilsgründe noch nicht bekannt sind, hat die Entscheidung für große Unruhe gesorgt. Sie erschwert Nachfolgegestaltungen erheblich. |
1. Drei Jahre statt zwei Quartale?
Die Frist von zwei Quartalen wurde aus der Bedarfsplanungs-Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses abgeleitet. Danach sind zwei Quartale zu prüfen, um den tatsächlichen Tätigkeitsumfang eines Arztes zu bestimmen. Zwar hatte diese Vorschrift nicht unmittelbar etwas mit der Nachbesetzung zu tun, es wurde jedoch angenommen, dass sich daraus ein allgemeiner Rechtssatz auch für andere Sachverhalte ableitet. Immerhin wurde die Zwei-Quartale-Frist vom BSG auch in anderen Fällen als allgemeiner Rechtsgrundsatz übernommen.
Aus dem Terminbericht geht nicht hervor, auf welche gesetzliche Grundlage das BSG die Drei-Jahres-Frist stützt. Eine Parallele zur dreijährigen Tätigkeitsfrist ist in § 103 Abs. 3a SGB V zu finden. Nach dieser Regelung des Versorgungsstärkungsgesetzes muss ein Anstellungsverhältnis oder der gemeinschaftliche Betrieb der Praxis mindestens drei Jahre lang gedauert haben, um ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen. Es ist somit durchaus möglich, dass sich das BSG an den Regelung der Praxisabgabe des Versorgungsstärkungsgesetzes orientiert hat. Klarheit wird erst die Entscheidungsbegründung bringen.
Zudem stört sich das Gericht an der Praxis, wonach Ärzte kurz vor ihrem Ruhestand oft nur zwischen drei und sechs Monaten im MVZ arbeiten. Eine dreijährige Anstellungsdauer - so das BSG - sei eine geeignete Frist, um Missbrauch vorzubeugen. Es betont, dass die Einbringung eines Vertragsarztsitzes in ein MVZ für aktive Ärztinnen und Ärzte gedacht sei, um angestellt statt freiberuflich arbeiten zu können. Das Ausscheiden aus dem Berufsleben solle gerade nicht erleichtert werden.
PRAXISHINWEIS | Das BSG stellt sich in dieser Entscheidung gegen weitgehend etablierte Grundsätze, wenn es eine Weiterbeschäftigung von mindestens drei Jahren fordert. Künftige Einbringungen erfordern damit ganz andere Vorläufe in der Planung. Die Option „Abgabe kurz vor dem Ruhestand“ ist passé. |
2. Der Tätigkeitsumfang des Nachfolgers kann begrenzt werden
Weiterhin kann laut Terminbericht ein Nachfolger nur in dem Umfang angestellt werden, in dem sein Vorgänger tätig war. Hatte der Vorgänger z. B. seine Tätigkeit im MVZ von Anfang an nur im Umfang einer Drei-Viertel-Stelle ausgeübt, kann auch nur genau diese Drei-Viertel-Stelle nachbesetzt werden. Damit soll u. a. verhindert werden, dass die Entscheidungen, die die Zulassungsgremien bei der Nachbesetzung in einem solchen Fall zu treffen haben, umgangen werden. So könnte ein Arzt zwar erklären, er werde auf seine Zulassung verzichten, um künftig im MVZ tätig zu werden. Tatsächlich nimmt er die Tätigkeit dort aber nie auf und die Stelle wird mit einem dem Arzt und dem MVZ genehmen Dritten nachbesetzt.
3. Kein unbegrenztes Offenhalten von Viertelstellen mehr
Eine weitere Änderung wird sich beim unbegrenzten „Offenhalten“ von Viertelstellen in MVZ ergeben. Bislang galt, dass solche nicht verfallen, sondern unbegrenzt nachbesetzungsfähig sind. Das ist künftig so nicht mehr möglich. Es könne laut BSG nicht ausgeschlossen werden, dass durch größere MVZ oder durch die Kumulation von Viertelstellen mehrerer MVZ Beschäftigungskontingente doch in einem für die Entsperrung eines Planungsbereichs relevanten Umfang gebunkert bzw. unbegrenzt offengehalten werden. Daher verliert ein MVZ nun sein Nachbesetzungsrecht, sollte es über ein Jahr lang keine ernsthaften und aussichtsreichen Bemühungen zur Nachbesetzung einer Viertelstelle unternehmen. Dasselbe gilt, sollte es nicht nachweisen können, dass trotz des Ablaufs eines Jahres nicht mit einer zeitnahen Nachbesetzung in Höhe des Beschäftigungsumfangs zu rechnen ist.
4. Fazit
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Entscheidung des BSG den Handlungsspielraum von MVZ und Vertragsärzten im Bereich der Nachbesetzungsverfahren deutlich einschränkt. Es wird sich zeigen, wie mit Fragen umgegangen wird, die das Ausscheiden des Arztes wegen gesundheitlicher oder anderer wichtiger Gründe betreffen. Für bislang erteilte Anstellungsgenehmigungen gilt die noch alte Rechtsprechung. Sie bleiben von der Neuerung unberührt und können auch in Zukunft zur späteren Nachbesetzung dienen. Schließlich ist auch der Gesetzgeber aufgerufen. Denn weder für die Zwei-Quartale-Frist noch für die Drei-Jahres-Frist gibt es eine gesetzliche Grundlage. Es ist an ihm, hier Klarheit zu schaffen.