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  • · Fachbeitrag · Betriebswirtschaft

    Das wirtschaftliche Potenzial individueller Gesundheitsleistungen für die Praxis nutzen!

    von StB Rolf Michels, Köln, www.laufmich.de 

    | Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) sind in aller Munde und tauchen sowohl in den Medien als auch innerhalb der Ärzteschaft immer wieder als Thema auf. Vor- und Nachteile werden häufig intensiv und kontrovers diskutiert. In diesem Beitrag soll vor allem die wirtschaftliche Seite von IGeL beleuchtet werden. Auf rechtliche und medizinische Aspekte wird bewusst nicht näher eingegangen. |

    1. Soll die Praxis IGeL anbieten?

    Diese Frage lässt sich zunächst nicht pauschal für alle Fachrichtungen gleich beantworten. Während es schon aufgrund ihrer Tätigkeit Fachgruppen gibt, die ohne IGeL fast nicht wirtschaftlich überleben und ihren Qualitätsanspruch am Patienten teilweise nicht erfüllen können (z.B. Gynäkologen), existieren in einigen Fachrichtungen keine oder nur wenige Möglichkeiten, sinnvolle IGeL anzubieten (z.B. Radiologen). Die grundsätzliche Frage, ob und welche IGeL angeboten werden, sollte nie nur nach wirtschaftlichen Grundsätzen getroffen werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Nur Leistungen, von denen der Arzt überzeugt ist, wird er erfolgreich anbieten und sinnvoll anwenden können. Hat sich der Arzt jedoch aus medizinischer Sicht entschieden, bestimmte Leistungen anzubieten, ist es notwendig, sich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen.

     

    2. Lohnen sich IGeL wirtschaftlich?

    Es notwendig, für jede einzelne IGeL eine Kalkulation durchzuführen, um ihren Deckungsbeitrag und hierdurch letztlich den Gewinn je Leistung zu ermitteln. Denn auch wenn die Leistung aus medizinischer Sicht sinnvoll ist, sollte die Praxis hierdurch zumindest keine Verluste erzielen.

     

    PRAXISHINWEIS | Häufig wird die Rentabilität der Leistungen nicht analysiert. Viele Praxen verzichten hier auf eine detaillierte Auswertung und bieten die Leistungen letztlich undifferenziert an. Hierdurch kann es dazu kommen, dass durch fehlende Transparenz zwar Leistungen „gefühlte“ für die Praxis viel Umsatz bringen, sie jedoch tatsächlich wegen hoher Kosten wirtschaftlich nicht sinnvoll sind.

     

    Jede IGeL sollte daher mit einer betriebswirtschaftlichen Kurzanalyse kritisch hinterfragt werden. Für eine solche Kalkulation werden die folgenden Angaben vorab benötigt:

     

    1. Honorar je Leistung

    2. Materialkosten für diese Leistung

    3. Zeiteinsatz der medizinischen Geräte (in Minuten)

    4. Gerätekosten je Minute

    5. Zeiteinsatz der MFA (in Minuten)

    6. Kosten der MFA je Minute

    7. Zeiteinsatz des Arztes (in Minuten)

    8. Kosten des Arztes je Minute

     

    PRAXISHINWEIS | Idealerweise werden IGeL im Wesentlichen von den medizinischen Fachangestellten (MFA) erbracht. Denn in diesem Fall kann der Arzt parallel hierzu weitere Patienten behandeln und zusätzlichen Umsatz generieren.

     

    Die Kosten einer MFA je Minute lassen sich folgendermaßen ermitteln:

     

    • Personalkosten

    Für eine Kalkulation der Kosten einer MFA je Stunde kann man im Regelfall ca. ein Prozent des Monatsgehalts unterstellen.

     

    Kosten p.m.

    Kosten p.a.

    Summen

    Gehalt

    (hier: 13 Gehälter)

    1.000 EUR

    13.000 EUR

    Sozialabgaben 20 %

    2.600 EUR

    15.600 EUR

    Fortbildungen

    400 EUR

    Gesamt

    16.000 EUR

    produktive Stunden

    1.600

    Kosten je Stunde ?(1 % vom Monatslohn)

    10 EUR

    Kosten je Minute

    0,17 EUR

     

     

    Die notwendigen Gerätekosten können anhand des Einkaufspreises bestimmt werden.

    • Gerätekosten

    Anschaffungskosten

    10.000 EUR

    Wirtschaftliche ?Nutzungsdauer

     10 Jahre

    Unterhalts-/Wartungskosten p.a.

    (inkl. Strom und Wartung)

    500 EUR

    Produktive Stunden p.a.

    (220 Tage x 2 Std.)

    440 Stunden

    Kosten p.a.

    10.000 EUR/10 Jahre + 500 EUR

    = 1.500 EUR

    Kosten je Stunde:

    1.500 EUR/440

    = 3,41 EUR

    Kosten je Minute:

    0,06 EUR

     

     

    Mit den gewonnenen Angaben wird die Leistung berechnet:

    • Gewinn je Leistung

    Honorar

    ./. Personalkosten (für die benötigten Minuten)

    ./. Material

    ./. Gerätekosten (für die benötigten Minuten)

    = Gewinn oder Verlust je Leistung

     

    Wenn mit der Leistung ein Verlust erzielt wird, lohnt sie sich zumindest wirtschaftlich nicht. Ob die Leistung dennoch den Patienten aus ärztlicher Sicht angeboten wird, ist natürlich eine andere Frage. Von unten nach oben gerechnet ergibt sich der Preis, der erzielt werden muss, wenn ein bestimmter Gewinn erzielt werden soll.

    3. IGeL vermarkten

    Alleine das Angebot einer IGeL-Leistung ist noch nicht ausreichend; die Leistungen müssen auch aktiv beworben und angeboten werden. Hier muss das Praxispersonal unbedingt geschult werden, denn bereits bei Terminvergaben können Patienten direkt angesprochen werden. Die Vermarktung ist gerade wegen des negativen öffentlichen Images ein großes Problem. Mit einigen Tipps kann der Berater jedoch seinem Mandanten helfen.

     

    • Ratschläge für die Ärztin/den Arzt zur Vermarktung von IGeL
    • Machen Sie Ihre Leistungsbeschreibung ansprechend. Vermeiden Sie lange Texte und nutzen Sie ansprechende Flyer und Bilder.

     

    • Sprechen Sie selber aktiv Patienten an.

     

    • Seien Sie überzeugt von den Leistungen. Denn nur so können Sie diese überzeugend bewerben.

     

    • Nutzen Sie Poster, Plakate oder Wartezimmerfernsehen als Werbemittel.

     

    • Erläutern Sie zuerst den medizinischen Nutzen der Leistung und sprechen Sie dann die Kosten an.

     

    • Kosten können von der MFA erläutert werden, die medizinische Nutzen/?Risiko-Beschreibung sollten Sie übernehmen.

     

    • Nutzen Sie die Qualifikationen Ihrer MFA für eine Vermarktung; z.B. mit ?eigenen Visitenkarten der MFA etc.

     

    • Vermeiden Sie den negativ besetzten Begriff „IGeL-Leistung“ und nutzen Sie stattdessen z.B. „Zusatzleistung“, „Gesundheitsleistung“ oder ähnliche Begriffe.

     

    • Lassen Sie sich professionell beraten, wenn Sie IGeL erstmalig einführen oder Ihr Angebot erweitern wollen.
     

    4. Steuerliche Risiken

    Werden IGeL angeboten sollten immer auch die steuerlichen Risiken beachten werden. Denn umsatzsteuerlich sind nur Leistungen steuerbefreit, die dem Erhalt oder der Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Je nach Zielsetzung der IGeL dienen diese jedoch nicht einer Heilbehandlung, sondern dem „allgemeinen Wohlbefinden“ der Patienten. In diesem Fall muss die Umsatzsteuer in die Preisermittlung mit einbezogen werden, da im Regelfall 19 % des Honorars an das Finanzamt abzuführen sind.

     

    • Checkliste: Umsatzsteuer

    Einige Beispiele für umsatzsteuerbefreite IGeL sind:

     

    • Lungen-Check,
    • Magnetfeldtherapie,
    • Ultraschalluntersuchungen,
    • Hautkrebsvorsorge,
    • Stoßwellentherapie.

     

    Umsatzsteuerpflichtige IGeL können z.B. sein:

     

    • Faltenbehandlungen,
    • Alkohol- und Drogentests,
    • sportmedizinische Untersuchungen zur Optimierung von Trainingsleistungen.

     

    Daneben gibt es noch eine Grauzone von Leistungen, die entweder umsatzsteuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig sein können; je nachdem, ob sie im speziellen Fall medizinisch indiziert sind oder dem Wohlbefinden bzw. der Leistungssteigerung dienen, z.B.:

     

    • Kinesiotapes,
    • Wärmetherapie,
    • Hydrojet-Massagen.
     

    4.1 Beweislast und Dokumentationspflicht

    Die Umsatzsteuerpflicht von IGeL liegt also in einer Art rechtlichen Grauzone. Je besser es gelingt, die medizinische Indikation/das therapeutische Ziel darzulegen, desto eher wird die Leistung von der Umsatzsteuer befreit. Die Beweislast trifft an dieser Stelle den Behandler (BFH 22.2.06, V B 30/05, BFH/NV 06, ?1168). Er muss dies im Einzelfall durch eine geeignete Dokumentation darlegen und kann sich auch nicht auf die ärztliche Schweigepflicht berufen. Unglücklicherweise gibt es keine einheitlichen Vorgaben, wie zu dokumentieren ist, sodass hier jedes Finanzamt quasi seine eigenen Vorgaben hat.

     

    Bingel/Göttsching (PFB 12, 261) empfehlen aber, substantiierte und nicht nur stichwortartige Eigenaufzeichnungen zu führen. Um die medizinische Indikation einer ärztlichen Leistung oder deren therapeutisches Ziel nachweisen zu können, sei die Anamnese und Exploration schriftlich in der Patientenakte festzuhalten. In der Patientenakte sollten zudem dokumentiert werden:

     

    • Grund des Arztbesuches
    • vom Patienten vorgetragene Beschwerden
    • eventuelle Vorbehandlungen
    • Diagnosen (auch negative Befunde)
    • angestrebtes Behandlungsziel
    • durchgeführte Untersuchungshandlungen
    • Behandlungsergebnis

     

    Darüber hinaus wird empfohlen, die erbrachten Leistungen in der Honorarrechnung möglichst eindeutig zu bezeichnen, um sie umsatzsteuerlich zutreffend einordnen zu können. A. 14.5 UStAE schreibt vor, dass eine ordnungsgemäße Abrechnung die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung enthalten muss. An dieser Stelle könnte neben den umsatzsteuerlich geforderten Angaben auch der therapeutische Zweck aufgegriffen werden.

     

    4.2 Kleinunternehmerregelung

    Auch wenn grundsätzlich umsatzsteuerpflichtige IGeL erbracht werden, kann der Arzt von der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung profitieren. Die Kleinunternehmerregelung kann in Anspruch genommen werden, wenn der Gesamtumsatz zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird.

     

    Hat der Arzt im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 17.500 EUR überschritten, kann er die Vereinfachungsregelung im laufenden Kalenderjahr nicht anwenden. Ist die Umsatzgrenze von 17.500 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten, muss der Arzt anhand einer Schätzung auf der Grundlage der zu Beginn des Kalenderjahres maßgebenden Verhältnisse feststellen, ob er im laufenden Kalenderjahr die Grenze von 50.000 EUR überschreiten wird. Bei der Ermittlung dieser Umsatzgrenze rechnen die umsatzsteuerfreien Leistungen nicht mit, jedoch andere umsatzsteuerpflichtige Einnahmen z.B. aus der umsatzsteuerpflichtigen Erstellung von Gutachten oder aus umsatzsteuerpflichtigen Verkäufen (vgl. hierzu ausführlich Leonard, PFB 13, 299).

    5. Fazit

    IGeL haben häufig hohe wirtschaftliche Potenziale. Dennoch ist es notwendig, jede einzelne Leistung zu analysieren und auf ihre Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Hierbei dürfen die steuerlichen Aspekte nicht übersehen werden, um Nachforderungen in Betriebsprüfungen zu vermeiden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Umsatzsteuer: Ärzte als Kleinunternehmer (Leonard, PFB 13, 299)
    • Umsatzsteuer: IGeL und Umsatzsteuer - ein Dauerbrenner in der steuerrechtlichen Diskussion (Bingel/Göttsching, PFB 12, 261)
    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 322 | ID 42330490