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  • · Fachbeitrag · Schweiz

    Ausschüttungen aus Kapitaleinlagereserven und deren Steuerfolgen

    von Roland Suter, Ernst & Young AG, Zürich und Hagen Reiser, Ernst & Young GmbH, Stuttgart

    | Durch die Regelung des § 27 Abs. 8 KStG besteht seit 2006 die gesetzlich kodifizierte Möglichkeit einer steuerneutralen Kapitalrückzahlung ausländischer Kapitalgesellschaften, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Fraglich ist jedoch weiterhin die steuerliche Behandlung der Kapitalrückzahlung in Deutschland durch eine in der Schweiz - einem Drittstaat - ansässige Kapitalgesellschaft. Vorliegender Beitrag stellt die steuerlichen Folgen beim Anteilseigner dar und strebt zugleich eine vergleichende Darstellung mit der steuerlichen Behandlung desselben in der Schweiz an. |

    1. Steuerliche Behandlung in Deutschland

    1.1 Rechtlicher Hintergrund

    Die Frage der steuerlichen Behandlung von Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften an deutsche Anteilseigner ist abhängig davon, ob es sich um steuerpflichtige Gewinnausschüttungen oder nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen handelt. So sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Einlagen eines inländischen Anteilseigners in eine in- oder ausländische Kapitalgesellschaft regelmäßig als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Anteile und somit als steuerneutral zu behandeln (vgl. BFH 27.4.00, I R 58/99, BStBl II 01, 168). Entsprechend hierzu führen Kapitalrückzahlungen nach Auffassung des BFH grundsätzlich als nachträgliche Anschaffungskostenminderung ebenfalls nicht zu steuerpflichtigen Einkünften (vgl. BFH 14.10.92, I R 1/91, BStBl II 93, 189). Dem Grundsatz folgend, dass nur Gewinnausschüttungen, nicht jedoch bloße Vermögensumschichtungen, der Besteuerung zu unterwerfen sind, sollte die Rückzahlung zuvor zugeführten Vermögens nicht der Besteuerung unterliegen. Daher gelten gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG Ausschüttungen einer Körperschaft, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto einer deutschen Kapitalgesellschaft nach § 27 KStG als verwendet gelten, nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen und unterliegen somit nicht der Besteuerung (vgl. Ratschow, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 20 EStG Rz. 136 f.).

     

    Beachten Sie | Dieser Grundsatz ist in der praktischen Anwendung dann problematisch, wenn man der Leistung einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner - wie im Falle der Ausschüttung einer ausländischen Kapitalgesellschaft - nicht unmittelbar ansehen kann, ob es sich bei dieser um eine Gewinnausschüttung oder um eine Einlagerückzahlung handelt. Welche Bestandteile des Eigenkapitals für die Ausschüttung verwendet wurden, kann nur auf Ebene der Kapitalgesellschaft ermittelt werden.

     

    • Beispiel

    Der in Deutschland ansässige Thomas Müller hält an der Schweizer Rütli AG eine Beteiligung von weniger als 1 %. Herr Müller ist aufgrund seines deutschen Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Auch aus DBA-rechtlicher Sicht hat Herr Müller seinen Wohnsitz im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Schweiz in Deutschland. Im Mai 2012 kam es zu einer Rückführung aus der Kapitaleinlagereserve der Rütli AG an Herrn Müller als Gesellschafter. Diese wurden durch im Rahmen des Börsengangs der Rütli AG geleistete Einlagen durch die damaligen Gesellschafter gebildet und nicht durch Umwandlung von Gewinnrücklagen.

     

    Bei der Leistung einer in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft an ihre in Deutschland ansässigen Anteilseigner ist mithin strittig, ob diese die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG geregelte Steuerfreiheit der Einlagerückzahlung in Anspruch nehmen können (vgl. Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 27 KStG Rz. 262 ff.; Nordmeyer, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2012, § 27 KStG Rz. 171).

     

    1.2 Rechtslage vor Inkrafttreten des SEStEG

    Vor Inkrafttreten des SEStEG (Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften 7.12.06, BGBl I 06, 2782) bis zum Veranlagungszeitraum 2005 enthielt das Gesetz keine Regelung für den Fall, dass ein im Inland unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner eine Kapitalrückzahlung von einer ausländischen Kapitalgesellschaft erhielt (vgl. u.a. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, Stand: 5/2011, § 27 KStG Rz. 113; Heger, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 27 KStG Rz. 66).

     

    Hinweis | Lediglich nach § 7 Abs. 2 KapErhStG ist die Kapitalherabsetzung nicht bereits gewinnerhöhend zu erfassen. Dies setzt jedoch zunächst voraus, dass § 7 Abs. 1 KapErhStG anwendbar ist. Dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 KapErhStG erfüllt sind, ist jedoch nach § 7 Abs. 1 S. 2 KapErhStG von dem Steuerpflichtigen nachzuweisen.

     

    Nach Auffassung der Finanzverwaltung war somit die Einlagerückzahlung einer ausländischen Körperschaft nach § 20 Abs. 1 S. 3 EStG als steuerpflichtige Dividende bei Anteilen im Privatvermögen zu behandeln, da diese kein steuerliches Einlagekonto führen (vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, Stand: 5/2011,§ 27 KStG Rz. 113; Nordmeyer, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2012, § 27 KStG Rz. 169; BMF 4.6.03, IV A 2 - S 2836 - 2/03, BStBl I 03, 366 Rz. 2 f.). So konnten Anteilseigner einer ausländischen Körperschaft in der Zeit vor Inkrafttreten des SEStEG im Grundsatz die Steuerfreistellung der Einlagerückzahlung nicht in Anspruch nehmen. Die Freistellung setzt voraus, dass die ausschüttende Körperschaft dem Anteilseigner die Einlageverwendung bescheinigt und dass sie die in der Steuerbescheinigung ausgewiesenen Angaben in einer von § 27 KStG geforderten Berechnung ermittelt hat. Dies liegt jedoch regelmäßig bei ausländischen Körperschaften nicht vor.

     

    Im Schrifttum wurde diese Ansicht der Finanzverwaltung kritisiert (vgl. Van Lishaut/Förster, FR 02, 1207). So wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass auch inländische Anteilseigner einer in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Körperschaft, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG geregelte Steuerfreiheit der Einlagenrückzahlung, in Anspruch nehmen können (vgl. Sedemund/Fischenich, BB 08, 1656). Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die Rechtsprechung des BFH, wonach unabhängig davon, ob es sich um eine inländische oder ausländische Körperschaft handelt, die Frage, ob eine Rückzahlung der Kapitalrücklage vorliegt, nach dem Heimatrecht (zivilrechtliche Betrachtung) des Staates der ausländischen Gesellschaft und der dortigen Behandlung beantwortet wird (vgl. BFH 14.10.92, BStBl II 93, 189; BFH 27.4.00, BStBl II 93, 168; FG Düsseldorf 27.11.07, 6 K 3380/00 K,F, EFG 08, 980; Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 27 KStG Rz. 260 f.).

     

    Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften sowie nicht steuerpflichtige Körperschaften haben kein Einlagekonto zu führen (vgl. Heger, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 27 KStG Rz. 56; BMF 4.6.03, IV A 2 - S 2836 - 2/03, BStBl I 03, 366). So sehen die Regelungen des § 27 KStG kein Feststellungsverfahren für im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften vor. Daher kann für Leistungen dieser Gesellschaften nicht im Wege der sog. Differenzrechnung nach § 27 Abs. 1 S. 3 KStG ermittelt werden, ob eine Einlagerückgewähr vorliegt (vgl. Große, SteuK 13, 70). Diese Kritik an der (fehlenden) Regelung für Einlagerückgewähr ausländischer Körperschaften wurde mit der Einführung des § 27 Abs. 8 KStG durch das SEStEG begegnet.

     

    1.3 Rechtslage nach Inkrafttreten des SEStEG

    1.3.1 Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG

    Durch das SEStEG wurde die Regelung des § 27 Abs. 8 KStG eingeführt, wonach eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr auch für Körperschaften gesetzlich geregelt wurde, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, wenn diese Leistungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG erbringen (vgl. Antweiler, in: Ernst & Young, KStG, § 27 KStG Rz. 279). Maßgeblich ist hierbei die unbeschränkte Steuerpflicht in einem EU-Staat, nicht hingegen die dortige Ansässigkeit (vgl. Spilker/Peschke, DStR 11, 385). So können auch in einem Drittstaat gegründete Kapitalgesellschaften, die in einem EU-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind, die Feststellung einer Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 KStG beantragen (vgl. Sedemund, IStR 09, 579).

     

    Achtung | Dem Wortlaut nach gilt § 27 Abs. 8 KStG eindeutig nur für Kapitalgesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen (vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, § 27 KStG Rz. 114a). Insofern wäre der Anwendungsbereich der Regelungen nicht auf die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen anwendbar (so wohl Große, SteuK 13, 70). Ob der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG auch Körperschaften oder Personenvereinigungen, die in einem EWR-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind, umfasst, ist im Schrifttum umstritten (vgl. Spilker/Peschke, DStR 11, 385 f.; Große, SteuK 13, 70; Sedemund, IStR 10, 271; Werning, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 27 KStG Rz. 80; Heger, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 27 KStG Rz. 61; Nordmeyer, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2012, § 27 KStG Rz. 170).

     

    Aus gemeinschaftsrechtlichen Erwägungen sollte der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG jedoch des Weiteren auch auf Kapitalgesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat des EWR der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, ausgedehnt werden, da die Grundfreiheiten auch im Verhältnis zum EWR Anwendung finden (vgl. u.a. Frotscher, in: Frotscher/Maas, § 27 KStG Rz. 116 f.; Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 27 KStG Rz. 266; Heger, in: Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 27 KStG Rz. 61; Gosch, in: Schießl, DStZ 07, 853). Insbesondere im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 31 EWR-Abkommen ist die Beschränkung auf EU-Gesellschaften als gemeinschaftsrechtlich bedenklich zu erachten (vgl. Nordmeyer, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2012, § 27 KStG Rz. 170). So wird im Schrifttum die Anknüpfung des § 27 Abs. 8 KStG an die steuerliche Ansässigkeit der ausschüttenden Gesellschaft auf die EU und nicht auch auf den EWR-Raum als Redaktionsversehen des Gesetzgebers angesehen (vgl. Sedemund, IStR 10, 271; Häberer, DStZ 10, 842; Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, Loseblatt (Stand 3/2009), § 27 KStG Rz. 272). Hierfür spricht auch, dass andere durch das SEStEG geänderte Vorschriften auch EWR-Staaten einbeziehen (vgl. Häberer, DStZ 10, 842).

     

    Hinweis | Auch die Finanzverwaltung hält es inzwischen für vertretbar, die Regelung des § 27 Abs. 8 KStG auch auf Gesellschaften in EWR-Staaten anzuwenden, sofern der andere Staat gegenseitige Unterstützung i.S.d. Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19.12.77 leistet (vgl. Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, Loseblatt (Stand 3/2009), § 27 KStG Rz. 266).

     

    1.3.2 Anwendbarkeit auf Drittstaaten-Fälle

    Nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 8 KStG ist die Norm ausdrücklich nicht anwendbar auf Gesellschaften, die in einem Drittstaat (z.B. der Schweiz) der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Der BFH hat jedoch in seinem Urteil vom 14.10.92 festgestellt, dass für die steuerliche Behandlung eines Kapitalherabsetzungsbeschlusses einer Schweizer Aktiengesellschaft das schweizerische Handelsrecht maßgeblich ist und somit dessen Wertung - ob es sich um eine Kapitalrückzahlung handelt - für Zwecke der deutschen Besteuerung zu akzeptieren ist (vgl. BFH 14.10.92, BStBl II 93, 189 ff.). Es stellt sich somit die Frage, inwieweit die Regelung des § 27 Abs. 8 KStG eine abschließende Regelung darstellt, die gegenüber der bisherigen BFH-Rechtsprechung Sperrwirkung entfaltet, oder weiterhin eine Berufung auf die bis zum Inkrafttreten des SEStEG ergangene Rechtsprechung möglich ist (so auch Sedemund/Fischenich, BB 08, 1660).

     

    In der Literatur bestehen hierzu zwei verschiedene Auffassungen:

     

    • So sehen Teile des Schrifttums keine Beschränkung der bisherigen BFH-Rechtsprechung durch die Einführung des § 27 Abs. 8 KStG (vgl. u.a. Rödder/Schumacher, DStR 06, 1490; Sedemund, IStR 10, 274). Ferner erscheint eine Berufung auf die BFH-Rechtsprechung unter Berücksichtigung des Wortlauts der Gesetzesbegründung (vgl. Graf, NZG 11, 381), wonach bei „Einlagenrückzahlungen von Körperschaften aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union die Rechtsprechungsregeln ohnehin weiter angewendet werden“, weiterhin möglich.

     

    • Aus der Gesetzesbegründung sei zu schließen, dass der Gesetzgeber das „Richterrecht“ zur Einlagenrückgewähr nicht etwa durch die Einführung des § 27 Abs. 8 KStG abschaffen, sondern lediglich für EU-ausländische Kapitalgesellschaften einen Gleichlauf mit inländischen Kapitalgesellschaften gewährleisten wollte. Dies bedeute jedoch nicht etwa, dass für Kapitalgesellschaften in Drittstaaten die Grundsätze der richterlichen Rechtsfortbildung nicht mehr gelten sollen. Auch vor dem Hintergrund der Kapitalverkehrsfreiheit erscheint eine Besteuerung der Einlagenrückgewähr in Drittstaatenfällen als mit dem Europarecht unvereinbar (vgl. Spilker/Peschke, DStR 11, 390; Sedemund, IStR 10, 271; Werning, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 27 KStG Rz. 81). Auch das FG Düsseldorf stellt bei der Frage der steuerlichen Beurteilung einer Kapitalrückzahlung ausdrücklich auf die Behandlung durch den Quellenstaat ab (vgl. FG Düsseldorf 27.11.07, 6 K 3380/00, EFG 08, 980).

     

    • Demgegenüber vertritt u.a. Dötsch die Auffassung, dass nach Inkrafttreten des § 27 Abs. 8 KStG die frühere Rechtsprechung des BFH keine Bedeutung mehr besitzt (vgl. Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, Loseblatt (Stand 03/2009), § 27 KStG Rz. 267; gl. A. Frotscher, in: Frotscher/Maas, § 27 KStG Rz. 54 sowie Rz. 114; Heger, in: Gosch, KStG, § 27 KStG Rz. 66). So soll es sich bei der Neuregelung des § 27 Abs. 8 KStG i.R.d. SEStEG um eine bewusst negative Regelung handeln und somit nicht um eine Gesetzeslücke. Ferner wird angeführt, dass eine Begünstigung von Drittstaaten-Gesellschaften zu einem nicht mehr administrierbaren Aufwand führen würde (vgl. u.a. Nordmeyer, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2012, § 27 KStG Rz. 171). Dies vermag jedoch wenig zu überzeugen und ist vielmehr eine Frage der technischen und verfahrensrechtlichen Umsetzung.

     

    1.3.3 Analoge Anwendung des § 27 Abs. 8 KStG

    Die Frage, ob die Norm des § 27 Abs. 8 KStG analog auch für Körperschaften, die der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Drittstaat wie der Schweiz unterliegen, Anwendung findet, ist im Schrifttum ebenfalls strittig (vgl. Sedemund, IStR 10, 271; Heger, in: Gosch, KStG, § 27 KStG Rz. 66; Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 27 KStG Rz. 267; Sedemund/Fischenich, BB 08, 1656). Während Dötsch die Anwendungsmöglichkeit des § 27 Abs. 8 KStG auf in Drittstaaten unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften verneint, sehen Teile des Schrifttums eine solche Beschränkung auf EU- bzw. EWR-Gesellschaften vor dem Hintergrund der BFH-Rechtsprechung kritisch und wollen den § 27 Abs. 8 KStG analog auf Drittstaatenfälle anwenden (vgl. auch Rödder/Schumacher, DStR 06, 1490; Graf, NZG 11, 380 f.; Sievert/Sedemund/Seufer, DB 11, 1606 ff.).

     

    Konsequenz dieser analogen Anwendung wäre, dass bestehende Gewinnrücklagen auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft im Wege einer Fiktion vorrangig vor dem steuerlichen Einlagekonto als ausgeschüttet gelten würden. Dies hätte zur Folge, dass kein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto möglich wäre.

     

    PRAXISHINWEIS | Die verschiedenen Auffassungen haben zur Folge, dass das steuerliche Einlagenkonto in jedem Fall aus deutscher steuerlicher Sicht exakt nachvollzogen werden muss. Eine bloße Bescheinigung der Schweizer Finanzverwaltung dürfte insoweit nicht ausreichend sein.

     

    1.4 Mögliche Rechtsfolgen

    Wird die Anwendung der BFH-Rechtsprechung auf die Rückführung aus der Kapitaleinlagereserve der Schweizer Gesellschaft an den in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner verneint, unterliegt diese als Dividende in Deutschland der Besteuerung. Dividendenausschüttungen einer ausländischen Kapitalgesellschaft an in Deutschland ansässige natürliche Personen unterliegen in Deutschland der Besteuerung mit einer Abgeltungssteuer von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag von 5,5 % (§ 32d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43a Abs. 1 EStG). Hierbei sind ferner jedoch Antragsvoraussetzungen zum Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b) EStG zu prüfen.

     

    Ist demgegenüber jedoch die Anwendung der BFH-Rechtsprechung vor Inkrafttreten des SEStEG weiterhin möglich, so handelt es sich um nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen, die zu keinen steuerlichen Konsequenzen in Deutschland führen. Entsprechend sollte der Steuerpflichtige prüfen, ob es sich bei der betreffenden Ausschüttung nach dem jeweiligen anwendbaren ausländischen Handels- und Gesellschaftsrecht um eine Kapitalrückzahlung handelt. Eine solche würde nach der Rechtsprechung des BFH somit nicht der deutschen Besteuerung unterliegen, sondern wäre als nachträgliche Anschaffungskostenminderung zu behandeln (vgl. Graf, NZG 11, 381).

     

    1.5 Zwischenfazit

    Mit der Einführung des § 27 Abs. 8 KStG im Zuge des SEStEG ist die Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Behandlung für in EU-Staaten unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften nunmehr in ihren Grundsätzen kodifiziert. Bei Einlagenrückgewähr an inländische Anteilseigner kommen diese in den Genuss der Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, obwohl die Gesellschaften selbst kein steuerliches Einlagekonto führen. Umstritten ist jedoch der Anwendungsbereich der bis zur Einführung des SEStEG ergangenen BFH-Rechtsprechung. Endgültige Rechtssicherheit könnte sich erst durch höchstrichterliche Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG bzw. der steuerlichen Behandlung von Einlagenrückgewähr ausländischer Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten an inländische Anteilseigner ergeben.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    Vor diesem Hintergrund ist im o.g. Beispielsfall sowie in ähnlich gelagerten Drittstaaten-Fällen aus verfahrenstaktischen Gründen zu empfehlen, einen Antrag nach § 27 Abs. 8 S. 3 KStG zu stellen, da das Feststellungsverfahren der Veranlagung des Empfängers logisch vorgelagert ist (so auch Sedemund, IStR 10, 273).

    So kann der Steuerpflichtige nur durch einen Feststellungsantrag verhindern, dass die Steuerneutralität einer Leistung lediglich aufgrund eines Formfehlers durch Nichtfeststellung nicht gewährt wird.

     

    Lediglich hilfsweise ist die BFH-Rechtsprechung heranzuziehen, wonach auch inländische Anteilseigner einer nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen, ausländischen Körperschaft die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG geregelte Steuerfreiheit der Einlagenrückzahlung in Anspruch nehmen können (BFH 14.10.92, BStBl II 93, 189 ff.; BFH 23.2.99, BFH/NV 99, 1200 ff.; BFH 27.4.00, BStBl II 01, 168; hierzu auch Sedemund/Fischer, BB 08, 1656; vgl. auch Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, Loseblatt (Stand 03/2009), § 27 KStG Rz. 260). Bei entsprechend ablehnendem Bescheid ist ggf. Einspruch einzulegen und das Ruhen des Verfahrens anzustreben. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bis zu einer endgültigen Klärung durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung eine Rechtsunsicherheit in Drittstaaten-Fällen fortbesteht (vgl. Graf, NZG 11, 381).

     

    2. Steuerliche Behandlung in der Schweiz

    2.1 Ausgangslage

    Ein Unternehmen (Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft) kann in verschiedener Weise Eigenmittel an ihre Anteilseigner ausschütten: Während der Lebensdauer des Unternehmens z.B. in Form von Dividendenausschüttungen, Nennwertherabsetzungen sowie Rückkäufen eigener Beteiligungsrechte, am Ende des Lebenszyklus in Form einer Liquidationsdividende. Die Frage der steuerlichen Behandlung von Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften an in der Schweiz ansässige Anteilseigner ist grundsätzlich davon abhängig, ob es sich um

    • steuerbaren Vermögensertrag oder
    • steuerfrei rückzahlbares Kapital

    handelt.

     

    • Beispiel

    Der in der Schweiz ansässige Herr Shaqiri hält an der deutschen Schneider AG eine Beteiligung von weniger als 1 %. Herr Shaqiri ist aufgrund seines steuerrechtlichen Wohnsitzes in der Schweiz unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, Art. 3 DBG bzw. Art. 3 StHG. Auch aus DBA-rechtlicher Sicht hat Herr Shaqiri seinen Wohnsitz im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA Deutschland-Schweiz in der Schweiz. Im Mai 2012 kam es zu einer Rückführung aus der Kapitaleinlagereserve an Herrn Shaqiri als Gesellschafter. Diese wurden durch im Rahmen des Börsengangs der Schneider AG geleistete Einlagen durch die damaligen Gesellschafter gebildet und nicht durch Umwandlung von Gewinnrücklagen.

     

    2.2 Rechtlicher Hintergrund

    Bei der Definition des (steuerbaren) Vermögensertrages wenden sowohl der Bund als auch die Kantone eine objektbezogene Betrachtungsweise an. Ausgehend von der Behandlung im Unternehmen ist jeder geldwerte Vorteil aus im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen ein Vermögensertrag, der keine Rückzahlung von Grund- bzw. Stammkapital oder Reserven aus Kapitaleinlagen darstellt (vgl. Art. 20 Abs. 1 Buchst. c DBG, Art. 20 Abs. 1 bis DBG und Art. 20 Abs. 3 DBG sowie Art. 7b StHG resp. jeweilig anwendbare Bestimmungen in den kantonalen Steuergesetzen sowie im Verrechnungssteuergesetz). Entsprechend bleiben die Verhältnisse beim Anteilsinhaber unberücksichtigt, d.h. die jeweiligen Steuerfolgen beim empfangenden Individuum ergeben sich in der Regel unabhängig vom Erwerbspreis der Beteiligungsrechte.

     

    Achtung | Einzig die Kantone Basel-Stadt und Graubünden sind noch bis vor kurzem auch im Privatvermögen dem Gestehungskostenprinzip gefolgt, wonach als Liquidationsüberschuss die Differenz zwischen Liquidationserlös und Gestehungskosten der Beteiligungsrechte steuerbar ist (subjektive Betrachtungsweise). Im Kanton Graubünden hatte das Gestehungskostenprinzip bis einschließlich Steuerperiode 2010 Gültigkeit (vgl. Praxisfestlegung zu Art. 21 StG, S. 4), im Kanton Basel-Stadt wurde der maßgebliche § 14 StV mit Wirkung per 27.3.11 aufgehoben (vgl. RRB vom 22.3.11).

     

    Der im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II mit Wirkung zum 1.1.11 erfolgte Systemwechsel vom Nennwert- auf das Kapitaleinlageprinzip hatte insbesondere auf Vermögenserträge aus einem Beteiligungsrecht im Privatvermögen einer in der Schweiz oder im Ausland steuerlich ansässigen natürlichen Person einen Einfluss. Innerhalb dieser Kategorie waren aber nur jene Rückflüsse betroffen, die auf eine frühere Einlage des Anteilseigners in das Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft zurückgehen. Entsprechend gilt ab dem 1.1.11 als steuerbarer Vermögensertrag nur das, was in der Gesellschaft über die von den Anteilseignern zur Verfügung gestellte Substanz hinaus erwirtschaftet und diesen ausgeschüttet wird. Jede nachweisbar von den vormaligen als auch aktuellen Anteilseignern zu irgendeinem Zeitpunkt getätigte und von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) akzeptierte Kapitaleinlage ist folglich steuerfrei rückzahlbar.

     

    PRAXISHINWEIS | In Fällen, bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der qualifizierenden Kapitaleinlagen nicht erfüllt sind, kann weiterhin nur der Nennwert steuerfrei ausbezahlt werden. Dies gilt selbst dann, wenn es sich bei den Auszahlungen nachweislich um die Auszahlung früherer Kapitaleinlagen handelt. Im Ergebnis hat der Gesetzgeber also lediglich das Nennwertprinzip durch eine teilweise Verwirklichung des Kapitaleinlageprinzips modifiziert (sog. modifiziertes Kapitaleinlageprinzip; vgl. Reich, Steuerrecht, S. 305 ff.).

     

    Ausschüttungen von Unternehmen (Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften) sind folglich in dem Umfang beim Anteilseigner steuerbar, als sie auf die Ausschüttung von übrigen Reserven entfallen. Für die Berechnung des steuerbaren Teils der Ausschüttung wird die gesamte Ausschüttung um denjenigen Anteil gekürzt, der basierend auf dem Gewinnverwendungsbeschluss der Generalversammlung den Reserven aus Kapitaleinlagen belastet wird. Existieren keine detaillierten Angaben über die Aufteilung der Ausschüttung, qualifiziert letztere per se als Ausschüttung von übrigen Reserven. Verdeckte Gewinnausschüttungen qualifizieren als Ausschüttungen aus übrigen Reserven und unterliegen beim in der Schweiz ansässigen Anteilseigner ebenfalls der Einkommensteuer. Die gesetzlichen Bestimmungen im DBG über die Rückzahlung von Reserven aus Kapitaleinlagen gelten für in- und ausländische Gesellschaften (vgl. Kreisschreiben Nr. 29 der ESTV vom 9.12.10, Ziff. 4.1).

     

    Als weitere Besonderheit im Sinne einer Abkehr vom Kapitaleinlageprinzip ist die Thematik der Emission von Gratisaktien und -partizipationsscheinen sowie Gratisnennwerterhöhungen zu nennen. So sind z.B. die Ausgabe von Gratisaktien und -partizipationsscheinen sowie Gratisnennwerterhöhungen im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), im Verrechnungssteuergesetz (VStG) sowie in zahlreichen kantonalen Steuergesetzen weiterhin ausdrücklich als steuerbare geldwerte Vorteile erwähnt (vgl. insb. Art. 20 Abs. 1 Buchst. c) DBG bzw. Art. 20 Abs. 1 bis DBG und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) VStG). Diese Vorgänge führen im Zeitpunkt der Einräumung der Ansprüche grundsätzlich zu einem steuerbaren Vermögensertrag beim Anteilseigner.

     

    Einzig die Kantone Appenzell-Innerhoden, Appenzell-Ausserhoden, Basel-Landschaft, Schwyz, St. Gallen und Zürich befreien die Emission von Gratisaktien und -partizipationsscheinen sowie Gratisnennwerterhöhungen im Zeitpunkt ihrer Zuteilung von der Steuer. Diese werden nachträglich bei ihrer allfälligen Einlösung besteuert - bei Rückkauf der eigenen Aktien oder Partizipationsscheine durch das Unternehmen oder bei Liquidation des Unternehmens (vgl. Steuerinformationen, Einkommensteuer natürliche Personen, S. 24; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zu Zürcher Steuergesetz, § 20, Rz. 15 und 207, stellvertretend für diese Kantone). Beim Bund und den übrigen, nicht namentlich genannten Kantonen ist es demzufolge von Bedeutung, inwieweit Gratisaktien und -partizipationsscheine sowie Gratisnennwerterhöhungen zulasten der übrigen Reserven oder Reserven aus Kapitaleinlagen liberiert werden. Je nachdem ist ein solcher Vorgang beim Anteilseigner entweder einkommensteuerpflichtig oder steuerfrei (vgl. Kreisschreiben Nr. 29 der ESTV vom 9.12.10, Ziff. 4.2.1).

     

    FAZIT | Gelingt im Beispiel Herrn Shaqiri unter Mithilfe der Schneider AG der Nachweis darüber, dass die Ausschüttung der Schneider AG zulasten von durch vormalige oder aktuelle Anteilseigner liberiertem Aktienkapital resp. eingelegten Reserven aus Kapitaleinlagen verbucht wurde, unterliegt die Ausschüttung in diesem Umfang bei Herrn Shaqiri unter Anwendung von Art. 20 Abs. 3 DBG bzw. der jeweilig maßgeblichen kantonalen Bestimmung nicht der Einkommensteuer. Beim Nachweis hinsichtlich der qualifizierenden Kapitaleinlage bei einer ausländischen Gesellschaft - vorliegend der deutschen Schneider AG - ist dem jeweiligen Rechnungslegungsrecht Rechnung zu tragen. Verlangt dieses in der Jahresrechnung ggf. keinen gesonderten Ausweis der Reserven aus Kapitaleinlagen, sollten die Reserven aus Kapitaleinlagen auch anhand anderer geeigneter Aufzeichnungen nachgewiesen werden können.

     

    Zu den Autoren | Roland Suter ist als Executive Director im Bereich International Tax and Private Client Services bei Ernst & Young AG, Zürich, Hagen Reiser als Director im Bereich International Tax and Transaction Tax Services bei Ernst & Young GmbH, Stuttgart tätig. Die Autoren bedanken sich bei Dr. Benjamin Cortez, Consultant im Bereich International Tax and Transaction Tax Services bei Ernst & Young GmbH, Stuttgart für die Detailabklärungen zur Rechtsprechung des BFH.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 80 | ID 42494374