· Fachbeitrag · Kapitalverkehrsfreiheit vs. Niederlassungsfreiheit
Keine erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung für Anteile an einer kanadischen Kapitalgesellschaft
von VRiFiG Prof. Dr. Kay-Michael Wilke, Karlsruhe
Der EuGH hat immer wieder aufs Neue die Unterschiede zwischen dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit und dem der Kapitalverkehrsfreiheit zu klären. So auch in einer aktuellen Entscheidung zu § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F. Danach verstößt es nicht gegen EU-Recht, wenn bei einem Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat der erhöhte Freibetrag sowie der Bewertungsabschlag verwehrt werden. Tangiert wird die im Verhältnis zu Drittstaaten nicht geltende Niederlassungsfreiheit und nicht die Kapitalverkehrsfreiheit (EuGH 19.7.12, C-31/11, Marianne Scheunemann, Abruf-Nr. 122350). |
Sachverhalt
Die in Deutschland wohnende Steuerpflichtige hat u.a. eine 100 %-Beteiligung an einer in Kanada ansässigen Kapitalgesellschaft geerbt. Da die Gesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hatte, wurde weder der Freibetrag von 225.000 EUR nach § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. noch der Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. gewährt. Die gegen die entsprechende Steuerfestsetzung erhobene Klage hat das FG zurückgewiesen (FG Bremen 28.10.09, 3 K 34/09, EFG 10, 66). Der mit der Revision befasste BFH hat dann dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Norm des § 13a ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist (BFH 15.12.10, II R 63/09, BStBl II 11, 221). Hierzu hat das Gericht entschieden, dass die strittige Norm vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit berührt, und die Steuerpflichtige sich somit nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann.
Anmerkung
Wie schon in anderen Entscheidungen zuvor hat der EuGH darauf hingewiesen, dass die steuerliche Behandlung von Erbschaften grundsätzlich unter die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV fällt. Begründet wird dies in ständiger Rechtsprechung damit, dass es sich bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, um Kapitalverkehr handelt, da sie unter Rubrik XI („Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“) des Anhangs I der Richtlinie 88/361 fallen (vgl. u.a. EuGH 10.2.11, C‑25/10, Missionswerk Werner Heukelbach, PIStB 11, 146).
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