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  • · Fachbeitrag · Kindergeldrecht

    BFH ändert Rechtsprechung für EU-Bürger mit Beschäftigung in Deutschland

    von RA Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

    Bisher war ein nach Deutschland entsandter EU-Bürger vom Kindergeldanspruch selbst dann ausgeschlossen, wenn er im Inland als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt wurde. Künftig gibt es statt des Ausschlusses nur eine Kürzung des Anspruchs unter Anrechnung der kinderbezogenen Leistungen im Heimatland. Damit hat der BFH seine Rechtsprechung zum Kindergeldanspruch für EU-Bürger mit Inlandsbeschäftigung geändert (BFH 16.05.13, III R 8/11, DStR 13, 1879, Abruf-Nr. 132782).

     

    Sachverhalt

    Im Streitfall war der polnische Vater in Polen selbstständig tätig, daneben vorübergehend in Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigt. Nach der Kollisionsregel in Art. 13 Abs. 1, 14 a Nr. 1 a VO Nr. 1408/71 war daher für seine sozialen Ansprüche polnisches Recht anwendbar. Das FG lehnte den Kindergeldanspruch mit der Begründung ab, dass die Regelungen der VO Nr. 1408/71 abschließend seien, sodass das Kindergeldrecht auch nicht subsidiär anwendbar sei (FG Düsseldorf 1.2.11, 10 K 2378/08 Kg). Dem hat der BFH jetzt unter Hinweis auf die aktuelle EuGH-Rechtsprechung widersprochen (EuGH 12.6.12, C-611/10 und C-612/10, DStRE 12, 999).

     

    Anmerkungen

    In der VO (EWG) Nr. 1408/71 ist unter Titel II in Art. 13 geregelt, dass Personen grundsätzlich nur dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen. Der BFH hat nun festgestellt, dass sich aus der VO Nr. 1408/71 keine Sperrwirkung hinsichtlich der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften ergibt:

     

    • Ein sich aus den §§ 62 ff. EStG ergebender Kindergeldanspruch entfällt nicht deshalb, weil der Anspruchsberechtigte gem. Art. 13 ff. VO Nr. 1408/71 nicht den deutschen Rechtsvorschriften, sondern nur den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der EU unterliegt.

     

    • Der Anspruch auf Kindergeld darf nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nur in entsprechender Höhe gekürzt, jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden, wenn andernfalls das Freizügigkeitsrecht des EU-Wanderarbeitnehmers beeinträchtigt wäre.

     

    PRAXISHINWEIS | Von der geänderten Rechtsprechung profitieren nicht nur polnische Saisonarbeitnehmer. Das BFH-Urteil ist ein wichtiger Meilenstein im Kindergeldrecht beim Verständnis der nationalen und der EU-Kollisionsregeln. Das FG muss jetzt im zweiten Rechtszug Feststellungen dazu treffen, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfüllt sind.

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 258 | ID 42307317