05.04.2023 · IWW-Abrufnummer 234587
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 29.03.2022 - Az. 1 Ca 1708/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Die am 17.03.1959 geborene, verheiratete Klägerin ist bei dem Beklagten, der eine B mit ca. 50 Arbeitnehmern in A betreibt, aufgrund Arbeitsvertrages vom 16.08.2013 (Bl. 3 ff. d.A.) seit dem 01.09.2013 vollzeitig zu einem Stundenlohn von zuletzt 11,11 € brutto als Raumpflegerin beschäftigt. Die Klägerin ist mit einem GdB von 100 % schwerbehindert.
Zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter unterhält der Beklagte ein elektronisches Arbeitszeiterfassungssystem. Die Arbeitnehmer sind angewiesen, sich zu Beginn ihrer Arbeitszeit ein- und bei Beendigung wieder auszustempeln. In Anspruch genommene Pausenzeiten haben sie ebenfalls festzuhalten, indem sie sich zu Beginn der Pause aus- und bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit wieder einstempeln. Zur Korrektur von unzutreffend erfassten Arbeitszeiten befindet sich an dem Zeiterfassungsgerät ein Kalender, in dem die Arbeitnehmer z.B. vergessene Ein- und Ausstempelzeiten eintragen können. Diese Korrekturmöglichkeit ist der Klägerin bekannt.
Am 08.10.2021 loggte sich die Klägerin bei Aufnahme ihrer Tätigkeit um 07:20 Uhr über das Zeiterfassungssystem ein und bei Beendigung um 11:05 Uhr wieder aus. Gegen 08.30 Uhr besuchte sie an diesem Morgen für mindestens 10 Minuten das gegenüber der B liegende Café und traf sich dort mit einer weiteren Person zum Kaffeetrinken. Unmittelbar vor der Arbeitsunterbrechung hatte die Klägerin Arbeitskolleginnen gegenüber erklärt, dass sie in den Keller gehe. Ob sie das tatsächlich getan hat oder sich unmittelbar in das Café begeben hat, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin bediente das Arbeitszeiterfassungssystem weder bei Verlassen der B, noch bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit. Den Café-Besuch beobachtete der Beklagte gegen 08:30 Uhr von seinem Auto aus. Durch einen Telefonanruf in der B erfuhr er, dass die Klägerin sich in dem Zeiterfassungssystem nicht ausgeloggt hatte.
Nachdem die Klägerin in die B zurückgekehrt war, konfrontierte der Beklagte sie mit seinen Beobachtungen. Den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges wies die Klägerin zurück und beteuerte, die B nicht verlassen, sondern sich im Keller aufgehalten zu haben. Auf den Vorhalt des Beklagten, dass er die Klägerin persönlich in dem Café beobachtet habe, erklärte die Klägerin, dass der Beklagte sich irren müsse. Erst nachdem der Beklagte ankündigte, der Klägerin Beweisfotos auf seinem Mobiltelefon zeigen zu wollen, gab diese zu, die B verlassen zu haben und sich zur Pause weder aus- noch wieder eingeloggt zu haben und damit eine Pflichtverletzung bei der Arbeitszeiterfassung begangen zu haben.
Daraufhin beantragte der Beklagte mit Schreiben vom 11.10.2021 (Bl. 32 ff. d.A.), eingegangen am 12.10.2021 bei dem D-Inklusionsamt Arbeit in C, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Mit Bescheid vom 27.10.2021 (Bl. 43 f. d.A.), dem Beklagten zugegangen am gleichen Tage, teilte das Inklusionsamt mit, dass eine Entscheidung innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 174 Abs. 3 SGB IX nicht getroffen worden sei, so dass die Zustimmung als erteilt gelte.
Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 27.10.2021 (Bl. 11 d.A.), der Klägerin zugegangen am selben Tag, das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Dagegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 14.11.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gewandt, sowie mit ihrer am 29.03.2022 eingegangenen Klageerweiterung die Zahlung von Annahmeverzug für die Monate Oktober 2021 bis Februar 2022 begehrt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Kündigung vom 27.10.2021 hat Arbeitsverhältnis weder fristlos, noch fristgemäß beendet habe, und hat dazu vorgetragen: Bei dem Vorfall vom 08.10.2021 habe es sich um ein einmaliges und nicht schwerwiegendes Vergehen gehandelt, das weder eine fristlose, noch eine fristgemäße Kündigung rechtfertigen könne. Die Klägerin habe sich nur ca. 10 Minuten in dem Café aufgehalten und schlicht vergessen, sich auszuloggen. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig, denn die Beklagte habe weder die lange Betriebszugehörigkeit und die Schwerbehinderung der Klägerin berücksichtigt, noch den Umstand ausreichend gewürdigt, dass das Arbeitsverhältnis bisher vollkommen störungsfrei verlaufen sei. So sei die Klägerin während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses nie abgemahnt worden. Ein einmaliger Verstoß rechtfertige die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, zumal fristlos, nicht. Zudem hätten auch andere Mitarbeiter gelegentlich vergessen sich auszuloggen, ohne dass ihnen gekündigt worden sei. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn zu in Höhe ihrer regelmäßigen Vergütung abzüglich der sich aus dem Antrag ergebenden Leistungen der Agentur für Arbeit.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung vom 27.10.2021 das Arbeitsverhältnis fristlos beendet habe, und hat dazu vorgetragen: Er habe am 07.10.2021 von seinen Mitarbeitern den Hinweis erhalten, dass die Klägerin bereits mehrfach während ihrer Arbeitszeit das gegenüber der B liegende Café aufgesucht habe, ohne sich auszuloggen. Um diesen Hinweisen nachzugehen, habe er sich am 08.10.2021 persönlich vor das Café gestellt und die Klägerin dort gegen 08.30 Uhr beobachten können, als sie mit einer anderen Person Kaffee getrunken habe. Das Vorgehen der Klägerin am 08.10.2021 stelle einen Arbeitszeitbetrug dar, der eine fristlose Kündigung rechtfertige. Die Kündigung erweise sich auch als verhältnismäßig, denn der mit dem streitgegenständlichen Vorfall einhergehende Vertrauensverlust wiege schwerer als die gegenüber der Klägerin zu beachtenden sozialen Gesichtspunkte. Das Abstreiten und Leugnen der Tat verstärke diesen Vertrauensverlust. Wegen der Schwere des Vergehens sei auch eine Abmahnung entbehrlich gewesen.
Die Beteiligung des Inklusionsamtes sei rechtmäßig erfolgt. Auch die gesetzlichen Fristen seien eingehalten, da die Kündigung unmittelbar nach Zugang des Bescheids des D Westfalen Lippe erklärt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.03.2022 - Az. 1 Ca 1708/21 -, auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz ergänzend Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die fristlose Kündigung sei wirksam aufgrund des unstreitig am 08.10.2021 begangenen Arbeitszeitbetruges. Auch wenn die genaue Dauer der nicht dokumentierten Arbeitszeitunterbrechung zwischen den Parteien streitig sei, so sei jedenfalls unstreitig, dass sich die Klägerin entgegen ihrer Arbeitsverpflichtung von der Arbeitsstelle entfernt und sich in dem gegenüber der B liegenden Café mit einer anderen Person getroffen habe. Dies habe die Klägerin durch ihr außergerichtliches Geständnis gegenüber dem Beklagten in dem Gespräch vom 08.10.2021 bestätigt und sich von diesem Geständnis auch nicht durch entgegenstehenden Sachvortrag gelöst.
Die Klägerin sei bei der falschen Arbeitszeitdokumentation am 08.10.2021 mehrfach vorsätzlich vorgegangen, indem sie zunächst ihren Cafébesuch gegenüber den Mitarbeiterinnen in der B mit der Bemerkung vorbereitet habe, nun in den Keller zu gehen. Daraus folge, dass die Klägerin bei Verlassen der B das Ausloggen an dem Arbeitszeiterfassungsgerät bewusst unterlassen habe. Auch nach ihrer Rückkehr habe sie eine Korrektur an dem Zeiterfassungsgerät unterlassen, obwohl ihr die Korrekturmöglichkeit über den bereitliegenden Kalender bekannt gewesen sei. Von dieser Möglichkeit habe die Klägerin selbst dann keinen Gebrauch gemacht, als der Beklagte sie mehrmals auf seine Beobachtungen hingewiesen habe. Ihre Verschleierungsabsicht habe die Klägerin verstärkt, als sie auf den weiteren Vorhalt des Beklagten zunächst geäußert habe, dass sich der Beklagte irren müsse. Vor dem Hintergrund einer solchen Verschleierungstaktik sei ein schlicht fahrlässiges Vergessen der Arbeitszeiterfassung am 08.10.2021 ausgeschlossen. Auf die Höhe des wirtschaftlichen Schadens komme es nicht maßgeblich an. Die Dauer des nicht dokumentierten Café-Besuchs zur Einnahme einer Tasse Kaffee mit einer verabredeten Person stelle auch keine unerhebliche Zeitspanne dar.
Die fristlose Kündigung erweise sich auch als verhältnismäßig. Die Erteilung einer Abmahnung sei entbehrlich gewesen, denn aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung habe die Klägerin nicht darauf vertrauen können, dass der Beklagte ihre vorsätzliche Falschdokumentation, selbst wenn es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt haben sollte, hinnehmen würde. Zwar komme dem durch den achtjährigen Bestand des Arbeitsverhältnisses erdienten Vertrauen eine erhebliche Bedeutung zu. Aufgrund des systematischen, von vorneherein auf Heimlichkeit und Täuschung ausgerichteten Verhaltens der Klägerin sei dieses Vertrauen jedoch verbraucht. Die Klägerin sei bei der Arbeitsunterbrechung, ohne das dafür vorgesehene Zeiterfassungssystem zu bedienen, planmäßig vorgegangen und habe die Verschleierung bewusst weiter vertieft, indem sie gegenüber dem Beklagten die vorsätzliche Falschdokumentation mehrfach abgestritten und geäußert habe, dass sie sich in dem Keller der B aufgehalten habe, und dass der Beklagte sich irren müsse. Damit habe sie das erdiente Vertrauen vollständig zerstört. Auch ein Nachtatverhalten, das auf ein Bedauern oder eine Einsicht schließen lasse, habe die Klägerin nicht gezeigt.
Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei dem Beklagten wegen der Schwere der Pflichtverletzung, der Wiederholungsgefahr und der Auswirkungen der Pflichtverletzung auf den Betriebsfrieden nicht zuzumuten. Dabei verkenne das Gericht nicht, dass die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Klägerin hart treffe. Insoweit sei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei Ausspruch der Kündigung über 8 Jahre beschäftigt gewesen sei und mit 62 Jahren und ihrer Schwerbehinderung reduzierte Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe. Jedoch habe ihr Interesse an einer Weiterbeschäftigung hinter den - auf Wiederherstellung des Betriebsfriedens und Beseitigung der Folgen des Verhaltens der Klägerin gerichteten - Interessen des Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzutreten. Die Dauer der nicht dokumentierten Arbeitsunterbrechung sei nicht unerheblich gewesen. Ferner falle ins Gewicht, dass die Klägerin ihre Arbeitskolleginnen zur Verschleierung der nicht genehmigten Arbeitsunterbrechung mit der Bemerkung, dass sie im Keller sei, benutzt und so ihr Verhalten in die Betriebsöffentlichkeit getragen habe. Bei der Falschdokumentation sei die Klägerin vorsätzlich vorgegangen und habe die Täuschung in dem Personalgespräch mit dem Beklagten hartnäckig weiterverfolgt. Ein Nachtatverhalten der Klägerin im Sinne einer ernstlichen Entschuldigung und Einsicht in das Fehlverhalten sei nicht zu erkennen. Bei einem derart planvollen Vorgehen sei auch zukünftig mit einer Wiederholung ähnlicher Pflichtverletzungen zu rechnen
Die Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin gelte nach § 174 Abs. 3 S.2 SGB IX als erteilt, da sich das Inklusionsamt nicht innerhalb von zwei Wochen auf den am 12.10.2021 eingegangenen Antrag hin geäußert habe. Das habe das Inklusionsamt mit seinem Bescheid vom 27.10.2021 auch bestätigt. Da der Beklagte die Kündigung daraufhin unverzüglich ausgesprochen habe, sei die Versäumung der Frist des § 626 Abs.2 S.1 BGB unschädlich.
Da die Kündigung des Beklagten mit ihrem Zugang das Arbeitsverhältnis beendet habe, stehe der Klägerin auch der mit den Klageanträgen zu 2) bis 6) begehrte Annahmeverzug nicht zu.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 03.06.2022 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 04.07.2022, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tage, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz am 05.09.2022, eingegangen am 05.09.2022, innerhalb der verlängerten Frist begründet. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht einen Arbeitszeitbetrug angenommen und dabei übersehen habe, dass die Klägerin nicht vorsätzlich gehandelt, sondern schlicht vergessen habe, sich "auszustempeln". Nachdem ihr das klar geworden sei, habe sie ihren Fehler eingeräumt und sich entschuldigt. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den Vorsatz daraus hergeleitet, dass die Klägerin einerseits ihren Arbeitszeitbetrug schon vorbereitet habe, indem sie gegenüber den Kolleginnen erklärt habe, in den Keller zu gehen, dann jedoch die B verlassen habe, ohne sich "auszustempeln", und andererseits auch gegenüber dem Beklagten ihren Fehler zunächst geleugnet habe. Denn die Klägerin sei tatsächlich zunächst in den Keller und erst später hinüber in das Café gegangen. Sie habe ihr Verhalten gegenüber dem Beklagten zunächst nur deshalb nicht zugeben können, weil ihr ihre Verfehlung peinlich gewesen sei. Eine Verschleierungs- oder Täuschungsabsicht habe sie jedoch zu keinem Zeitpunkt gehabt.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Kündigung auch nicht verhältnismäßig. Denn angesichts der störungsfreien Betriebszugehörigkeit von acht Jahren, dem Alter der Klägerin und ihrer Schwerbehinderung einerseits sowie des nur einmaligen, nicht schwerwiegenden Pflichtverstoßes andererseits sei das erdiente Vertrauen noch nicht aufgebraucht und es sei dem Beklagten zumutbar gewesen, zunächst eine Abmahnung auszusprechen.
Schließlich seien auch die Fristen des § 174 SGB IX nicht eingehalten worden und die Zustimmung des Integrationsamtes gelte nicht als erteilt. Auch sei die Kündigung nicht unverzüglich ausgesprochen worden.
Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt zweitinstanzlich ergänzend vor: Zu Recht sei das Arbeitsgericht von einem vorsätzlichen und planmäßigen Vorgehen der Klägerin ausgegangen. Denn die Klägerin habe ihren Kolleginnen zunächst vorgetäuscht, in den Keller zu gehen, habe dann aber die Betriebsstätte verlassen, ohne sich über das Arbeitszeiterfassungssystem "auszuloggen". Der Umstand, dass die Klägerin offenbar mit einer weiteren Person in dem Café verabredet gewesen sei, schließe eine unbewusste Handlung aus. Auch im Nachgang habe die Klägerin nichts unternommen, um ihren Fehler zu korrigieren, und sie sei auch nicht reuig gewesen. Geständig sei sie erst auf Vorhalt von Fotoaufnahmen gewesen. Zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass auch ein einmaliger Verstoß der bewusst wahrheitswidrigen Arbeitszeiterfassung einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellen könne, und dass die Kündigung auch unter Berücksichtigung der Sozialdaten der Klägerin verhältnismäßig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I. Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG), nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG am 04.07.2022 gegen das am 03.06.2022 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG auch ordnungsgemäß nach den §§ 520 Abs. 3, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG am 05.09.2022 begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.
II. Die Berufung bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender und sehr eingehender Begründung zu Recht abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 27. Oktober 2021 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst.
1. Ein wichtiger Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB ist gegeben.
a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", dh typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 15, juris: vom 25. Januar 2018 - 2 AZR 382/17 - Rn. 26 - juris; vom 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 27 - juris).
b) Gemessen daran ist die Annahme des Arbeitsgerichts, das Verhalten der Klägerin sei "an sich" als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet, nicht zu beanstanden.
aa) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und missbraucht der Arbeitnehmer wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber (BAG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 17, juris; vom 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 54, juris; vom 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 14 mwN - juris).
bb) Die Klägerin hat unstreitig jedenfalls am 08.10.2021 ihren Arbeitsplatz für mindestens zehn Minuten verlassen, ohne das von dem Beklagten installierte Zeiterfassungssystem zu betätigen, um in dem der B gegenüberliegenden Café einen Kaffee zu trinken. Von dem Beklagten nach ihrer Rückkehr darauf angesprochen, hat die Klägerin, wie sie selbst auf Nachfrage in der Verhandlung vor der Berufungskammer nochmals bestätigt hat, zunächst geleugnet, an diesem Morgen während ihrer Arbeitszeit in dem Café gewesen zu sein. Auch auf den Vorhalt des Beklagten, dass er die Klägerin persönlich in dem Café beobachtet habe, hielt die Klägerin zunächst daran fest, die B nicht verlassen zu haben, und erklärte, dass der Beklagte sich irren müsse. Erst nachdem der Beklagte darauf hinwies, dass er davon Fotos angefertigt habe, hat die Klägerin ihr Vergehen eingeräumt. Damit hat sie schon beim Verlassen der B, ohne die Arbeitszeiterfassung zu bedienen, eine Pflichtverletzung begangen. Die Klägerin beruft sich insoweit ohne Erfolg in ihrer Berufungsbegründung darauf, dass sie "nur kurz" Kaffee trinken gewesen sei und dass es sich nur um ein einmaliges Vergehen gehandelt habe. Denn entscheidend sind weder die Dauer des Arbeitszeitbetruges, noch die Häufigkeit. Ein wichtiger Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich auch vorliegen, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, der nur zu einem geringen wirtschaftlichen Schaden geführt hat (vgl. BAG, Urteil vom 06. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn.23, juris). Denn entscheidend ist der sich mit dem Vorgehen verbundene Vertrauensverlust. Vorliegend hat jedenfalls das Nachtatverhalten der Klägerin, indem sie in dem Personalgespräch mit dem Beklagten zunächst beharrlich geleugnet hat, die B an dem streitgegenständlichen Morgen verlassen zu haben, zu einem irreparablen Vertrauensverlust geführt.
cc) Die Klägerin handelte auch vorsätzlich. Ihr Einwand in der Berufungsbegründung, dass das Arbeitsgericht ihr zu Unrecht Vorsatz unterstellt habe, obwohl sie "schlicht vergessen habe", sich auszuloggen, trägt nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin das Ausstempeln zunächst tatsächlich "vergessen" hat, wie sie behauptet. Dagegen spricht jedenfalls, dass sie gegenüber ihren Kolleginnen vorab erklärt hat, in den Keller zu gehen, bevor sie sich in das Café begeben hat, sowie dass sie auch nach ihrer Rückkehr eine Korrektur nicht vorgenommen hat. Dass sie auch das "schlicht vergessen" habe, hat sie selbst nicht behauptet. Dies alles spricht für ein planvolles Vorgehen. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, denn spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte sie auf die fehlerhafte Arbeitszeiterfassung angesprochen hat, hätte sie ihr Versäumnis einräumen müssen. Indem sie stattdessen zunächst vehement geleugnet hat, die B verlassen zu haben und in dem Café gewesen zu sein, hat sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den Beklagten vorsätzlich über eine zutreffende Arbeitszeiterfassung zu täuschen versucht. Dass es der Klägerin, wie sie vorträgt, "peinlich" war, ihren Fehler einzugestehen, ändert nichts daran, dass sie spätestens in diesem Moment vorsätzlich mit Täuschungs- und Verschleierungsabsicht handelte und damit einen schweren Vertrauensbruch beging bzw. diesen vertiefte.
dd) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die vom Arbeitsgericht vorgenommenen Interessenabwägung.
(1) Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 28, juris; vom 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 54 - juris). Dabei hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 29, juris ; vom 23. August 2018 - 2 AZR 235/18 - Rn. 40 - juris; vom 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 27 - juris). Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 29, juris).
(2) Ausgehend davon war eine Abmahnung im Streitfall entbehrlich.
(a) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG, Urteile vom 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 -, Rn. 30, juris; vom 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 28 - juris).
(b) Vorliegend war es für die Klägerin erkennbar ausgeschlossen, dass der Beklagte die von ihr begangene Pflichtverletzung hinnehmen wird. Zwar steht vorliegend nur ein einmaliger Arbeitszeitbetrug von mindestens 10 (und maximal 30 Minuten) fest. Unabhängig davon, ob man bei einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne einer bewussten Falschdokumentation von Arbeitszeit grundsätzlich zunächst eine Abmahnung verlangt (so zB LAG München, Urteil vom 14. Januar 2021 - 3 Sa 836/20 -, Rn. 39, juris; dagegen zB LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. August 2017 - 4 Sa 12/17 -, Rn. 32, juris), konnte die Klägerin aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles vorliegend mit vertretbaren Überlegungen nicht davon ausgehen, dass der Beklagte ihr Verhalten hinnehmen werde. Denn sie hat nicht nur ihre Arbeitszeit falsch erfasst, sondern hat den Beklagten, der - um Aufklärung bemüht - der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme geben wollte, in diesem Gespräch angelogen, um ihre Tat nachhaltig zu vertuschen. Erst als sie den Eindruck hatte, dass eine weitere Verschleierung wegen der von dem Beklagten gefertigten Fotos nicht mehr möglich ist, hat sie ihr Verhalten eingestanden. Durch dieses Nachtatverhalten hat sie ihr auf Heimlichkeit und Verschleierung angelegtes Verhalten in einem solchen Maße vertieft, dass die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar erscheint. Eine Hinnahme dieses vorsätzlichen und nachhaltigen Fehlverhaltens durch den Beklagten war - auch für die Klägerin erkennbar - aufgrund der Schwere ihrer Pflichtverletzung unabhängig von einer Wiederholungsgefahr ausgeschlossen. Soweit sich die Klägerin zur ihrer Verteidigung darauf beruft, dass auch andere Arbeitnehmer mal vergessen hätten sich "auszuloggen", bleibt dieser Vortrag nicht nur ohne jede Substanz, sondern die Klägerin verkennt dabei auch, dass sie nicht nur vergessen hat sich "auszuloggen", sondern im Nachgang zunächst beharrlich versucht hat, ihr Verhalten nachhaltig zu vertuschen.
(2) Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des durch sie bewirkten Vertrauensverlusts war es dem Beklagten nicht zumutbar, die Klägerin auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Die gesetzliche Kündigungsfrist hätte bei der mehr als 8-jährigen Betriebszugehörigkeit der Klägerin drei Monate zum Monatsende betragen. Auch die unbeanstandete Betriebszugehörigkeit von neun Jahren und das Lebensalter der Klägerin sowie ihre Schwerbehinderung führen angesichts des mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruchs nicht zu einer Interessenabwägung zu ihren Gunsten. Hierbei kann aufgrund des planvollen Vorgehens am 08.10.2021 dahingestellt bleiben, ob die Klägerin - wie der Beklagte behauptet - häufiger in das Café gegangen ist, ohne sich auszustempeln, oder ob es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat. Denn ihr Vorgehen an dem streitgegenständlichen Tag war so nachhaltig auf Vertuschung angelegt, dass sie damit das in ihrer neunjährigen Tätigkeit erdiente Vertrauen vollständig zerstört hat. Dabei ist für die Berufungskammer von besonderer Bedeutung, dass die Klägerin, als sie von dem Beklagten mit dem Vorfall konfrontiert worden ist, ihr Vergehen zunächst mehrfach abgestritten und dieses erst eingestanden hat, als sie keine Möglichkeit mehr sah, ihre Tat weiter zu vertuschen. Ihr vorsätzliches und auch nachhaltig unehrliches Verhalten ist bei der Schwere der Pflichtverletzung zu berücksichtigen und hat dem Beklagten Anlass gegeben, in einem solchen Maße an der Aufrichtigkeit der Klägerin im Arbeitsverhältnis zu zweifeln, dass ihm die Fortsetzung auch für weitere drei Monate nicht zumutbar war. Die Klägerin hat auch in dem persönlichen Gespräch mit dem Beklagten am 08.10.2021 nur wenig Einsicht und geringe Hemmungen gezeigt, ihm "ins Gesicht zum lügen", so dass der Beklagte nicht mehr darauf vertrauen konnte, dass die Klägerin nicht auch in Zukunft unredliches Verhalten an den Tag legt, um sich persönliche Vorteile zu erschleichen.
2. Die fristlose Kündigung ist auch nicht mangels Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet. Substantielle Einwendungen dagegen hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung auch nicht erhoben.
a) Nach § 174 Abs. 5 SGB IX kann eine außerordentliche Kündigung auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt wird. Dazu muss grundsätzlich der Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung bei dem Integrationsamt innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen beantragt haben, § 174 Abs. 2 SGB IX. Die Zustimmung ist "erteilt" iSv. (§ 174 Abs. 5 SGB IX), sobald das Integrationsamt eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX getroffen und den antragstellenden Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt hat, oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht getroffen worden ist; in diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gemäß § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt (vgl. BAG, Urteile vom 27. Februar 2020 - 2 AZR 390/19 -, 18, juris; vom19. April 2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 15 - juris).
b) Entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB bedeutet "unverzüglich" auch im Rahmen § 174 Abs. 5 SGB IX "ohne schuldhaftes Zögern". Schuldhaft ist ein Zögern, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist (BAG, Urteil vom 27. Februar 2020 - 2 AZR 390/19 -, Rn. 17, juris).
c) Ausgehend davon hat der Beklagte die zu beachtenden Fristen eingehalten. Nachdem er am 08.10.2021 Kenntnis von dem Arbeitszeitbetrug der Klägerin erlangt hat, hat er mit am 12.10.2021 beim Integrationsamt eingegangenem Antrag innerhalb der Frist des § 174 Abs. 2 SGB IX die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin beantragt. Da das Integrationsamt innerhalb der Frist des § 174 Abs. 3 SGB IX keine Entscheidung getroffen hat, gilt die Zustimmung gemäß § 174 Abs. 5 SGB IX als erteilt. Das hat das Integrationsamt dem Beklagten gegenüber auch mit Schreiben vom 27.10.2021 erklärt. Noch am selben Tag und damit unverzüglich hat der Beklagte sodann die Kündigung gegenüber der Klägerin ausgesprochen.
II. Die Kostenentscheidung zu Lasten der mit dem Rechtsmittel unterlegenen Klägerin beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
III. Gründe, die Revision nach § 72 Abs.2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.