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· Fachbeitrag · Kinderbehandlung

Die Behandlung von Kindern mit MIH-Zähnen (Molar-Incisor-Hypomineralisation)

von Beate Schulz-Brewing, ZMF, Kiel

| Bei der Behandlung von Kindern treten immer häufiger Schmelzveränderungen (mottled enamel) auf. Die Zähne weisen Flecken und Strukturveränderungen auf, sie sind stumpf, rauh und deshalb voller Beläge. Es kommen starke Empfindlichkeiten hinzu, wodurch die Zahnpflege oft mangelhaft ist. Hier ist insbesondere die Prophylaxe-Fachkraft gefragt. Um gut vorbereitet zu sein, muss sie sich schon vor der Sprechstunde darüber informieren, welche Kinder heute in die Praxis kommen und welche Besonderheiten bei ihnen diagnostiziert wurden. |

 

 

Abbildung: MIH an den mittleren Schneidezähnen (© Zahnärztin Anita Baresel, Kiel)

Wie unterscheidet sich eine Dentalfluorose von einer MIH?

In den meisten Fällen werden die Veränderungen von den Eltern für Fluorosen gehalten, was dann einen sehr zurückhaltenden weiteren Umgang mit Fluoriden mit sich bringt. Dieses Vorgehen ist aber völlig falsch und kontraproduktiv, wenn die gefleckten Zähne in Wirklichkeit vom MIH-Syndrom n
betroffen sind. Denn hier ist man besonders auf die kariesprotektive und schmelzhärtende Wirkung von Fluoriden angewiesen, um die Zahnsubstanz zu stabilisieren, zu schützen und zu stärken.

 

Bei Fluorosen zeigen sich im Schmelz weißliche sowie bräunliche Streifen und Flecken. Sie sind das Zeichen einer Fluorid-Überversorgung während der Schmelzbildung in der prä-eruptiven Phase. Häufig treten sie generalisiert an allen Zähnen auf. Die Veränderungen verlaufen symmetrisch. Die Zeichnung in der Schmelzstruktur ist linienförmig und erinnert an Baumringe. In Deutschland ist das Vorkommen von Fluorosen gering.

 

PRAXISHINWEIS |  Es ist sinnvoll, mit den Eltern eine Fluorid-Anamnese zu erstellen und sich genau zu informieren, wo die Ursachen der Schmelzveränderungen liegen. Während man bei Fluorosekindern sehr zurückhaltend mit der Empfehlung von Fluorid-Gaben ist, ist die Versorgung von MIH-Kindern mit Fluoriden essenziell, denn sie weisen ein deutlich erhöhtes Kariesrisiko auf.

 

Was kennzeichnet MIH-Zähne?

Kinder mit einer MIH haben deutlich begrenzte Farbänderungen im Zahnschmelz der ersten bleibenden Molaren - und das oft in Kombination mit Farbänderungen im Zahnschmelz der bleibenden Schneidezähne. Die Verfärbungen sind diffus, changiert und wolkig (Cheese Molars). Dies begründet sich darin, dass der hypomineralisierte Schmelz weniger Mineralien enthält. Die Zähne sind nach dem Durchbruch deshalb vermehrt kariesgefährdet. Es kann nur ein Zahn betroffen sein, aber meistens erstrecken sich die kreidig opaken Flächen über mehrere Zähne. In Ausnahmefällen ist dieses Phänomen auch an den zweiten Milchmolaren zu beobachten.

 

 

 

 

 

 

Abbildung: links Molaren mit MIH - rechts Molaren mit Duraphat (© Zahnärztin Anita Baresel, Kiel)

Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten

Die schmelzbildenden Zellen (Ameloblasten) können durch verschiedene 
Ursachen beeinflusst werden, doch der wahre Grund der MIH-Störungen ist noch nicht abschließend geklärt. Man vermutet unter anderem Vitamin-D-Mangel, Sauerstoffmangel während der Geburt, einen hohen Dioxin- oder PCB-Gehalt in der Muttermilch oder Antibiotika-Gaben im Baby-Alter. Einer anderen Ansicht zufolge liegen der MIH genetische Ursachen - also Vererbung - zugrunde. Die jeweilige Therapie richtet sich nach dem Schweregrad des Auftretens. Man teilt die MIH in drei Stufen ein (nach Wetzel und Reckel):

 

Grad 1: Einzelne cremefarbene bis braune Areale an Kauflächen, Höckerspitzen und vestibulären Flächen der Schneidezähne

Hier wird man versuchen, mit regelmäßigen Lacktouchierungen (zum Beispiel Duraphat oder Fluor Protector S) die Oberflächen zu härten, das Kariesrisiko zu senken und die Empfindlichkeiten abzumildern. Auch Kalziumpasten bringen Linderung (zum Beispiel Tooth Mousse, MI Paste plus). Sorgfältige Unterweisungen in die Zahnputzsystematik und Putztechnik sowie die Quertechnik im Molarenbereich sind sinnvoll. Zuhause sollte regelmäßig zusätzlich ein Fluorid-Gel (zum Beispiel Elmex Gelée) aufgetragen werden. Auch niedrig dosierte Antikariesspülungen helfen, denn niedrig dosiertes Fluorid diffundiert besonders tief in die Zahnoberflächen ein. Von einer Fissurenversiegelung muss häufig abgesehen werden, da die Schmelzmorphologie verändert ist und sich die Schmelzprismen bei einer MIH anders strukturieren. Das Ätzmuster reicht dann oft nicht aus.

 

Grad 2: Überwiegend gelb-brauner Zahnschmelz, ausgedehnte rauhe hypomineralisierte Bereiche

Es besteht die Gefahr von Frakturen und starken Empfindlichkeiten. Restaurationen aus Komposit sind hier die Methode der Wahl. Es kann jedoch Probleme mit der Compliance der kleinen Patienten geben, da MIH-Zähne häufig nicht anästhesierbar sind. Regelmäßige Zahnputzunterweisungen mit Hinweisen auf die besonderen Schwachstellen sind obligat. Auch empfindliche Zähne müssen gründlich gereinigt und von den Eltern nachgeputzt werden. Es kommen wiederum Lacke zum Einsatz. Außerdem sind Beratungen über den zusätzlichen Einsatz von Fluoriden zuhause angezeigt.

 

Grad 3: Große gelb-braune Areale über den gesamten Zahn, Schmelzverluste als Ursache für sehr starke Hypersensibilitäten

Hier werden häufig Stahlkronen als Langzeitprovisorien angefertigt und eine definitive Überkronung im frühen Erwachsenenalter ist kaum zu vermeiden. Unter Einbeziehung eines Kieferorthopäden wird man überlegen, ob die betroffenen Zähne überhaupt erhalten werden können. Die Extraktion der Sechsjahres-Molaren mit anschließender Mesialisierung durch das Aufrutschen der gesunden Siebener könnte gegebenenfalls eine sinnvolle Therapie darstellen.

Folgen für die Prophylaxe-Behandlung der betroffenen Kinder

Durch die vermehrten Rauigkeiten und Empfindlichkeiten kommt es zu massiven Plaque-Ansammlungen, was eine sorgfältige Schulung der Eltern und der kleinen Patienten notwendig macht. Achten Sie auf eine konsequente Systematik. Das Putzen der OK-Front wird während der ersten Wechselgebissphase häufig ausgelassen, weil die Wackelzähne im Zahnwechsel empfindlich sind. Trotzdem muss hier sorgfältig geputzt werden, besonders wenn sich in der OK-Front MIH-Zähne befinden.

 

Die Kinder verhalten sich häufig anders als Kinder mit völlig intakten Zähnen. Sie möchten den Mund nicht öffnen und weichen bei der Zahnreinigung aus. Viele Eltern berichten, dass auch das Essen und Trinken große Probleme 
bereitet. Tadeln Sie nicht, die Kinder haben wirklich Schmerzen!

 

Regelmäßige Professionelle Zahnreinigungen sind sehr wichtig, da es zu vermehrter Zahnsteinbildung kommt. Auch müssen die Zähne regelmäßig touchiert werden. Doch Vorsicht, nicht mit dem Luftbläser arbeiten. Die Zahnoberflächen sind hochempfindlich. Die Zähne sollten besser mit Watterollen getrocknet werden. Engmaschige Kontrollen des Zahnputzerfolges und regelmäßige Fluoridierungen sind unbedingt nötig. Wegen der hohen Kariesanfälligkeit sollten sich die betroffenen Kinder alle drei Monate in der Praxis vorstellen.

Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 18 | ID 39560420