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· Fachbeitrag · Krankheits-ABC

Der Asthmatiker in der Zahnarztpraxis: Wie gehe ich mit ihm um?

von Caroline-Kristina Havers, Fachwirtin für zahnärztliches Praxismanagement sowie Marketing im Sozial- und Gesundheitswesen, Dortmund

| „Asthma bronchialet“ ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen in der westlichen Welt. In Deutschland sind rund zehn Prozent der Kinder und etwa fünf Prozent der Erwachsenen Asthmatiker. Was muss bei der Behandlung und Betreuung dieser Patienten beachtet werden? |

Hintergrund

Asthma ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege. Es wird unterteilt in allergisches (extrinsisches) und nicht-allergisches (intrinsisches) Asthma. Rund 70 Prozent der Asthmatiker leiden sogar unter einer Mischform. Auslöser („Trigger“) für das allergische Asthma können Pollen, Tierhaare, Federn, Nahrungsmittel, Hausstaub, Medikamente, Insektengifte (z. B. ein Wespenstich) und Haushaltsmittel sein.

Abfrage beim Patienten

Da auch Medizinprodukte oder deren Bestandteile einen Anfall auslösen können, etwa das in Lokalanästhetika mit Adrenalin enthaltene Natriumdisulfit, sollten Sie Ihren Patienten fragen, ob er bei vorherigen Behandlungen eine Reaktion oder Unverträglichkeit auf bestimmte Medikamente, Materialien oder Ähnliches festgestellt hat. Dies können Sie über den Anamnesebogen abfragen. Erheben Sie diese Angaben sorgfältig und regelmäßig - vor allem bei neuen Patienten und vor schwierigen Eingriffen.

Gefahren bei der Zahnreinigung

Von der Zahnreinigung mit Air-Flow ist bei Patienten mit Asthma oder einer bronchialen Erkrankungen laut den Angaben verschiedener Hersteller abzuraten, da der Pulverstrahl Atembeschwerden hervorrufen kann. In seltenen Fällen können auch beigemischte Aromastoffe (wie Zitrone) eine allergische Reaktion auslösen. Wählen Sie bei diesen Patienten die geschmacksneutrale Variante. Obacht: Auch Bestandteile von Zahnpasta oder Polierpaste wie etwa Menthol oder ätherische Öle können Allergien auslösen.

Typische Anzeichen für nicht-allergisches Asthma

Das nicht-allergische Asthma entsteht meist durch Entzündungen der Luftwege und kann durch Luftverunreinigung, Tabakrauch, Duftstoffe, psychischen Stress (z. B. Zahnarztphobie), körperliche Belastung und bestimmte Schmerzmittel wie etwa Acetylsalicylsäure ausgelöst werden. Typische Anzeichen sind häufige anfallartige Atemnot, Kurzatmigkeit, trockener Husten, Gefühl von Brustenge, Pfeifen oder Rasseln der Lunge - vor allem morgens und nachts.

Verlauf des Asthma-Anfalls

Ein Asthma-Anfall beginnt in der Regel mit starkem Husten und/oder Kurzatmigkeit. Der Patient wird unruhig, ängstlich und beginnt zu schwitzen. Außerdem erhöht sich sein Blutdruck. Die Schleimhaut der Atemwege wird stärker durchblutet und schwillt an, zusätzlich verkrampft die Bronchialmuskulatur. Der Patient kann nicht mehr richtig ein- und ausatmen und bekommt Atemnot. Durch die Atemnot kann der Patient in Panik geraten.

Kutschersitz, Torwartstellung und Lippenbremse

Da Panik und Stress den Anfall verschlimmern können, ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und schnell zu handeln. Der Sauerstoffmangel ist lebensgefährlich. Helfen Sie Ihrem Patienten bei einem Anfall, sein Notfallmedikament in richtiger Menge und Darreichungsform einzunehmen. Unterstützen Sie ihn dabei, seine eingeübten Techniken anzuwenden. Üblich sind

  • der Kutschersitz oder
  • die Torwartstellung und
  • die Lippenbremse.

 

Beim Kutschersitz soll der Patient sich vornübergebeugt hinsetzen und seine Ellenbogen auf die Knie legen. Nun ist langsames Ausatmen wichtig. Der Patient soll versuchen, dabei seinen Bauch zu entspannen.

 

Die Torwartstellung kann eingenommen werden, wenn keine Sitzmöglichkeit vorhanden ist. Hierbei geht der Patient leicht in die Hocke, wobei er seine Ellenbogen auf die Knie legt. Auch hierbei soll der Patient seinen Bauch entspannen und langsam und ruhig ausatmen.

 

Bei der Lippenbremse werden die Lippen bis auf einen schmalen Spalt geschlossen. Der Patient soll nun gegen den Widerstand der Lippen ausatmen. Diese Technik wirkt der Verengung der Luftwege entgegen.

In dieser Reihenfolge können Sie helfen

Die Reihenfolge der Maßnahmen, bei denen Sie den Patienten unterstützen können, kann wie folgt aussehen:

 

  • 1. Kutschersitz oder Torwartstellung einnehmen lassen.
  • 2. Der Patient soll die Lippenbremse anwenden.
  • 3. Asthma-Medikament verabreichen - in der vom Arzt verordneten Dosierung. Der Patient sollte möglichst im Stehen inhalieren.
  • 4. Falls es nötig ist, Sauerstoff geben.
  • 5. Den Patienten weiter im Kutschersitz oder der Torwartstellung verweilen und die Lippenbremse anwenden lassen.
  • 6. Falls nach einigen Minuten keine Besserung eintritt, das Asthma-Medikament erneut anwenden lassen.
  • 7. Sollte auch das zu keiner Besserung führen oder der Patient blau anlaufen und der Puls bei einem Erwachsenen über 100 Schläge die Minute betragen, muss sofort der Notarzt verständigt werden!

Was hat Asthma mit den Zähnen zu tun?

Die Asthma-Erkrankung wirkt sich auch auf die Zähne aus. So ist beispielsweise wegen der häufigeren Mundatmung und der daraus resultierenden Mundtrockenheit das Risiko, an Karies zu erkranken, erhöht. Das inhalierbare Kortisonspray schwächt das Immunsystem in der Mundhöhle und kann eine Parodontitis oder Mundsoor begünstigen.

 

Im Gegenzug dazu fand eine wissenschaftliche Studie der British Dental Health Foundation heraus, dass Menschen mit Zahnfleischbeschwerden ein fünfmal erhöhtes Risiko haben, an Asthma zu erkranken.

Fünf Tipps zum Umgang in der Zahnarztpraxis

Bei der zahnärztlichen Behandlung eines Asthmatikers sollten alle Faktoren vermieden werden, die zu einem akuten Asthmaanfall führen können:

 

  • 1. Jeglicher Stress während der Behandlung sollte möglichst vermieden werden.
  •  
  • Präventiv können Sie einem Asthma-Patienten vor der Behandlung dabei helfen, sich zu entspannen und seinen psychischen Stress abzubauen, indem Sie eine Wohlfühlatmosphäre schaffen und den Patienten z. B. durch ein freundliches Gespräch ablenken.

 

  • 2. Der Patient sollte sein Notfallspray jederzeit griffbereit haben.

 

  • 3. Folgende Medikamente/Medizinprodukte sollten vermieden werden:
    • Acetylsalicylsäure
    • Lokalanästhetika mit einem Zusatz von Sulfiten als Konservierungsstoff
    • Entzündungshemmende Schmerzmittel, also sog. „nicht-steroidale Antiphlogistika“)

 

  • 4. Besondere Vorsicht ist geboten bei ambulanten Narkosen (kontraindiziert) und Lachgassedierung (nicht bei starkem Asthma verwenden!).

 

  • 5. Bei einem schweren Asthmaanfall umgehend den Notarzt verständigen!

 

FAZIT | Da bei Asthmatikern das Risiko besteht, dass ein zahnärztlicher Ein-griff zu Komplikationen führen kann, bedarf er der beschriebenen besonderen Fürsorge vor, während und nach der Behandlung. Obwohl jährlich rund 250.000 Menschen weltweit an Asthma sterben, wird diese Krankheit immer noch unterschätzt - auch in Deutschland. Der Asthmatiker ist in der Zahnarztpraxis ein Risiko-Patient. Mit dem Wissen um die Krankheit schützen Sie den Patienten und vermeiden Komplikationen.

 

Weiterführender HInweis

  • In der November-Ausgabe von PPZ geht es um den richtigen Umgang des Praxisteams mit Diabetikern.
Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 13 | ID 44296445