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· Fachbeitrag · Ausbildung


Zukunft Azubi: Fördern und Fordern sichert langfristig den Praxiserfolg


von Dr. Johannes Löw M.A., Zahnarzt und Wissenschaftskommunikator, Würzburg 


| Gerade noch die Schulbank gedrückt, finden sich viele Azubis schon in jungen Jahren im Arbeitsleben wieder. Ohne Fachkenntnisse und mit unausgereifter sozialer Kompetenz gestaltet sich der Start in den Arbeitsalltag oft schwierig. Die Integration in die Praxisfamilie und die systematische Ausbildung sind deswegen wichtige Voraussetzungen für eine positive menschliche und schulische Entwicklung. Denn gut geschulte Kräfte, die in der eigenen Praxis ausgebildet wurden, sind langfristig ein Garant für den Praxiserfolg. Die „Eigengewächse“ wissen einfach am besten, wie „der Hase läuft“. |

© contrastwerkstatt (Fotolia.com)


Die richtige Kandidatin


Zunächst ist es essenziell, die richtige Kandidatin auszuwählen. Ein Praktikum mit Probearbeiten gibt objektiven Aufschluss über die Eignung. Hier kann ein erster Eindruck gewonnen werden, ob die potenzielle Mitarbeiterin mit dem Team harmoniert. Auch die handwerklichen Fähigkeiten sollten im Laufe dieser Testphase unter die Lupe genommen werden. Das präzise Arbeiten in einem kleinen, begrenzten Raum ist sicherlich nicht jedermanns Sache.


PRAXISHINWEIS |  Das Praxisteam sollte bei der Wahl mit einbezogen werden. Gerade wenn mehrere Kandidatinnen infrage kommen, kann das Team - in einer geheimen Abstimmung - das Zünglein an der Waage sein. Durch das demokratische Einbeziehen des Teams kann sich im Nachhinein auch niemand über die Entscheidung beschweren. Das letzte Wort hat natürlich der Chef.

Hierarchie mit Augenmaß


Eine Schülerin sollte keine billige Arbeitskraft sein, die von jedem willkürlich und ohne Struktur herumkommandiert wird. Selbstverständlich gilt auch für sie der Grundsatz: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Ein Durcheinander in der Befehlskette sollte aber auf jeden Fall vermieden werden. 


PRAXISHINWEIS |  Ein Organigramm mit fixierten Befehlsketten kann von Anfang an Klarheit schaffen. Den Anweisungen des Teams ist während der Arbeit generell immer Folge zu leisten. Wo und wie die Schülerin allerdings zum Einsatz kommt, sollte nur vom Chef und einer Patin delegiert werden. So kann eine Rolle als Lückenfüller vermieden werden.

© Robert Kneschke (Fotolia.com)


Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser


Die Patin steht der Schülerin während der Ausbildung zur Seite. Sie sollte immer ein offenes Ohr und Freiräume haben, um den Azubi an die verschiedenen Aufgabenbereiche heranzuführen. Sie überprüft den Lernerfolg und steht in ständigem Dialog mit dem Chef. Die Patin und der Chef sollten stets über die schulischen Leistungen informiert sein. Nur so können auch theoretische Schwachstellen im Rahmen der Praxisausbildung effektiv ausgemerzt werden. 


Eine Patin sollte folgende Eigenschaften aufweisen:


  • Guter Draht zu Team und Chef

  • Fachlich kompetent in allen Gebieten der Zahnmedizin

  • Freude an Betreuung und Lehre

  • Spaß und Verständnis im Umgang mit Jugendlichen 


Genau definierte Arbeitsanweisungen helfen der Patin und dem Chef zu überprüfen, ob die Schülerin den spezifischen Anforderungen gerecht wird und ob sie sich in den einzelnen Arbeitsbereichen wunschgemäß entwickelt. 


PRAXISHINWEIS |  Im Rahmen des Qualitätsmanagements sollten die Arbeitsanweisungen und die Stellenbeschreibung der Schülerin genau definiert sein. Wie bei einer Checkliste kann dann sehr schnell überprüft werden, ob die Aufgaben zufriedenstellend und lückenlos ausgeführt werden.

Konstruktive Kritik und Lob gehen Hand in Hand


Konstruktive Kritik, aber auch Lob sind gerade in der Anfangsphase sehr wichtig. Bei guten Leistungen sollte nicht vergessen werden zu loben, um der Schülerin Selbstvertrauen und damit Sicherheit zu geben. Für gute Noten kann es sich lohnen, eine Prämie in Aussicht zu stellen. Das fördert die Motivation. Der beste Abschluss, der durch die lokale Presse geht, ist sicherlich auch eine gute PR für die Praxis. Schlechte Leistungen sollten nicht im Team breitgetreten werden.


Kollektiver Dialog


Natürlich liefert eine ungelernte Kraft gerade in der Anfangsphase viele Reibungspunkte im gesamten Team. Deswegen sollte in regelmäßigen Abständen jede Stimme gehört werden, um keinen Unmut und Ärger heraufzubeschwören. Dabei sollte sich die Schülerin nicht wie vor einem Tribunal fühlen: Der Ton macht die Musik.


PRAXISHINWEIS |  Der Lernerfolg und Probleme mit der Schülerin sollten fester Bestandteil der Teambesprechung sein. Hier sollte aber auch Raum für Lob und ggf. konstruktive Kritik sein. Der Fehlermanager in der Praxissoftware kann bei der Bewertung des Lernerfolgs helfen. Anregungen, Kritik, aber auch Lob können hier dokumentiert werden und gehen nicht im Praxisalltag unter.

Eins nach dem anderen


„Nicht zu viel auf einmal“ muss am Anfang die Devise lauten - sonst ist die Schülerin schnell überfordert und Frust macht sich breit. Der Azubi sollte Schritt für Schritt an die verschiedenen Arbeitsbereiche herangeführt werden. 


PRAXISHINWEIS |  Die angeleitete Arbeit im Sterilisationsraum bietet sich an, um mit den Hygienerichtlinien vertraut zu werden. Hygiene ist eine Grundvoraussetzung für die Arbeit in einer Zahnarztpraxis. Es handelt sich um einen kleinen abgegrenzten Arbeitsbereich, der für den Einstieg in die Abläufe einer Zahnarztpraxis optimal ist.

Vor allem bei der Arbeit am Patienten sollte zunächst nichts überstürzt werden. Auf keinen Fall sollten Schülerin und Zahnarzt allein am Behandlungsstuhl beginnen. Das würde die Arbeitsabläufe zu sehr blockieren. Der Azubi wäre völlig überfordert, der Zahnarzt könnte sich nicht mehr ausreichend auf die Behandlung konzentrieren. Schnell könnte so bei den Patienten ein unprofessioneller Eindruck entstehen.


PRAXISHINWEIS |  Am Anfang sollte der Schülerin im Behandlungszimmer immer eine geübte Kraft zur Seite stehen. Sie gibt der Schülerin Sicherheit und sorgt im Hintergrund für einen möglichst reibungslosen Behandlungsablauf. Niemals sollte die Schülerin gleich zu Beginn ins kalte Wasser geworfen werden.

Vorerst sollte die Schülerin im Patientenzimmer zuschauen. Während der 
Behandlung sind ihr die Abläufe zu erklären. Am Anfang sind konservierende 
Behandlungen für einen Azubi sicherlich einfacher zu bewältigen als komplexe prothetische Arbeiten. Generell sollten gezielt Behandlungen ausgewählt werden, bei denen weniger Materialien und Instrumente gebraucht werden. Chronologisch können dann nach und nach immer mehr Schritte in den Workflow integriert werden: Abhalten und Saugen, für gute Lichtverhältnisse sorgen, Instrumente reichen und schließlich Anmischen und Reichen von Materialien.


PRAXISHINWEIS |  Nach der Behandlung sollte - wenn möglich - eine Nachbesprechung mit dem Behandler oder der zweiten Assistenz stattfinden. Nach dem Motto „Es gibt keine dummen Fragen“ sollte zuerst die Schülerin ihre Unklarheiten beseitigen. In einer kleinen Prüfungssituation sollte dann das behandlungsbezogene Fachwissen überprüft werden. Abschließend muss es immer heißen: Hast Du noch Fragen?

Trockenübungen helfen dabei, mit den unterschiedlichsten Materialien vertraut zu werden. Jedes Material braucht ein anderes Timing. Alginatabdrücke an Kolleginnen helfen, Berührungsängste abzubauen. Das Anrühren von Gips und das Ausgießen und Trimmen von Modellen schult die Fingerfertigkeit. Die Herstellung eines Provisoriums am Modell simuliert die Realität.


Harmonie von Theorie und Praxis


Der theoretische Hintergrund gibt der Schülerin Sicherheit. Deswegen ist es sinnvoll, die praktische Ausbildung in der Zahnarztpraxis nach dem schulischen Lehrplan auszurichten. Dieses duale Lernkonzept sollte Hand in Hand laufen. In der Praxis sind zuerst die zahnmedizinischen Themen von Interesse. Erst dann sollten die Abrechnung und administrative Tätigkeiten geschult werden.


PRAXISHINWEIS |  Das Berichtsheft der Berufsschule gibt eine Chronologie in der Ausbildung vor. Dieses muss regelmäßig kontrolliert und abgezeichnet werden. Dabei kann auch immer abgeglichen werden, ob die Ausbildungen in Schule und Praxis sinnvoll nebeneinander laufen. Der offizielle Lehrplan kann zur weiteren Optimierung der Ausbildung hinzugezogen werden.

Freiraum zum Lernen


Vor wichtigen Prüfungen ist es empfehlenswert, der Schülerin zusätzliche Zeit zum Lernen zu geben. Eine kurzzeitige Entbindung von Aufgaben kann den Lernerfolg unterstützen. Fachbücher sollten ergänzend zur Schulliteratur zur Verfügung gestellt werden.


PRAXISHINWEIS |  Gezielte Teamfortbildungen können zusätzlich dabei helfen, theoretische und praktische Defizite auszumerzen. Bei einer Schülerin bewirkt eine Fortbildung immer zusätzlichen Ansporn und Motivation. Ein Kursbesuch mit dem gesamten Team und anschließendem Beisammensein fördert zudem die Integration der Schülerin und das Gemeinschaftsgefühl im Praxisteam. Das 
Ergebnis ist langfristig eine optimal integrierte, vollwertige Arbeitskraft, die durch ihr Wirken den zukünftigen Praxiserfolg sichert.

Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 2 | ID 37668560