· Fachbeitrag · Befangenheit
Ein Gutachter darf sich angemessen gegen Kritik wehren, ohne gleich als befangen zu gelten
| Ein Gutachter darf auf Kritik an seiner Arbeit angemessen reagieren, insbesondere wenn eine Partei ihn provoziert hat. Er ist deshalb nicht gleich befangen, entschied das OLG Frankfurt/Main ( 12.10.17, 8 W 19/17, Abruf-Nr. 198522 ). Auch darf ein allein benannter Gutachter Mitarbeiter hinzuziehen. Ihre Namen und ihre Tätigkeit muss er dann allerdings angeben. |
Sachverhalt
Der Kläger verlangte Schmerzensgeld und Ersatz zukünftiger Schäden aufgrund ärztlicher Behandlungsfehler. Das LG holte ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Daran kritisierte der Beklagtenvertreter u. a. die Urheberschaft, weil das Gutachten sowohl vom Sachverständigen als auch vom leitenden Oberarzt unterschrieben war. Das LG ordnete ein ergänzendes Gutachten an. Dieses war erneut von beiden Ärzten unterschrieben. Daraufhin kam es zur Konfrontation zwischen Beklagtenvertreter und Gutachter.
Das OLG bestätigte, dass es rechtens war, den Antrag auf Ablehnung zurückzuweisen. Gefallen waren diese Bemerkungen:
Entscheidungsgründe
Das OLG stellte unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung noch einmal klar, wann zu Recht die Sorge bestehen kann, dass ein Gutachter parteiisch ist (BGH 11.4.13, VII ZB 32/12, 17.11.16, 8 W 68/16). Es müssen entsprechende Tatsachen und Umstände vorliegen,
- die sich u.a. aus dem Verhalten des Gutachters ergeben können und
- die die ablehnende Partei bei vernünftiger Betrachtung befürchten lassen, dass er in der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch ist.
Wortwahl und Ausdruck des Sachverständigen dürfen gerade in Arzthaftungssachen deutlich sein, damit diese gut verständlich sind. Es kommt auch darauf an, ob der Gutachter durch massive persönliche Angriffe gegen seine Arbeit und Person provoziert wurde (OLG Nürnberg 30.4.02, 4 W 1171/02; OLG Karlsruhe 11.4.02, 14 W 46/11). Die Formulierungen des Gutachters (vgl. Grafik) rechtfertigen nicht, ihn für befangen zu halten. Angesichts des Vorwurfs „grottenfalsch“ hielt sich die Entgegnung des Gutachters, der Anwalt der Beklagten sei medizinisch nicht kompetent, noch in zulässigen Grenzen.
Auch darf der Gutachter weitere Mitarbeiter hinzuziehen, die ihn unterstützen. Diese muss er allerdings gem. § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO n.F. (Offenbarungspflicht) namentlich angeben und in welchem Umfang sie am Gutachten beteiligt waren. Dies muss der Gutachter nicht schon zu Beginn tun. Es genügt, wenn er dies erst bei Abgabe des Gutachtens deutlich macht. Fehlen die Angaben, können sie auch bei der mündlichen Anhörung des Gutachters nachgeholt werden.
Relevanz für die Praxis
Ein Sachverständiger darf klare und deutliche Aussagen machen und hat einen entsprechenden Spielraum, darf allerdings nicht beleidigend werden. Über seine in diesem Fall objektive und gründliche Arbeit als Sachverständiger sagt dies allein nichts aus. Hier kritisierte der Gutachter lediglich zulässig eine fehlende ärztliche Kompetenz.
Ist es jedoch so, dass ein Anwalt die fachliche Substanz eines Gutachtens kritisiert bzw. anzweifelt, dass es
- umfassend und mit der gebotenen Sachkunde erstellt wurde
- korrekte Methoden/ärztliche Standards berücksichtigt und
- schlüssige Ergebnisse zur gestellten Beweisfrage liefert
kann er entsprechend reagieren (z. B. Einwände darstellen, Stellungnahmen oder Erläuterung vor Gericht verlangen, §§ 411, 412 ZPO). Ist ein Gutachten inhaltlich mangelhaft bzw. unzureichend, ist ein anwaltlicher Befangenheitsantrag das falsche Mittel. Denn eine Befangenheit ist zwingend an den Verdacht geknüpft, dass der Gutachter parteiisch ist, und nicht daran, dass das Gutachten selbst fehlerhaft oder unzureichend ist.
Weiterführende Hinweise
- Befangenheit: In diesen Fällen kann ein Gutachter abgelehnt werden, SR 17, 41
- Kostentragung: Gutachter muss vom Gericht beauftragt sein, SR 17, 182