· Fachbeitrag · Prozesskostenhilfe
PKH: Bei Verletzung von Mitwirkungspflichten droht die nachträgliche Aufhebung
| Viele ältere Mandanten haben Anspruch auf PKH. Gerade in Sozialgerichtsverfahren ist PKH an der Tagesordnung. Wichtig ist es, die Mitwirkungspflichten des PKH-Berechtigten zu kennen, wenn sich dessen Einkommen ändert. Wegen mangelnder Mitwirkung kann PKH nachträglich aufgehoben werden. Worauf Anwälte hinweisen müssen, erklärt dieser Beitrag anhand einer aktuellen Entscheidung des SG Karlsruhe. |
Sachverhalt
Der Kläger erhielt am 17.7.15 PKH bewilligt. In der Verhandlung gab er an, seit August 2015 erwerbstätig zu sein und etwa 3.000 EUR zu verdienen. Das Gericht wies ihn auf seine Mitteilungspflichten hin und forderte eine aktuelle Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse. Da der Kläger trotz mehrfacher Erinnerung nicht reagierte, hob das Gericht die Bewilligung der PKH auf.
Entscheidungsgründe
Wenn sich bei PKH die wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verbessern, muss dies dem Gericht unverzüglich mitgeteilt werden (§ 73a Abs. 1 SGG i. V. m. § 120a Abs. 2 S. 1 ZPO). Eine wesentliche Verbesserung liegt vor, wenn die Differenz zu dem bisherigen monatlichen Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 EUR übersteigt.
Das Gericht hob die PKH auf, da der Kläger sowohl keine ausreichend genauen Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen machte als auch die dann vom Gericht geforderte Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vorlegte. Zwar sei es nicht grob nachlässig, wenn der Kläger trotz Belehrung dem Gericht nicht von sich aus unverzüglich Änderungen mitteilt. Allerdings hatte er trotz mehrfacher gerichtlicher Nachfrage nicht reagiert und damit seine Pflicht in besonders schwerwiegender Weise verletzt (SG Karlsruhe 16.6.16, 9 Ta 77/16, Abruf-Nr. 188096).
Relevanz für die Praxis
Obwohl die strengere Mitteilungspflicht in § 120a ZPO bereits seit dem 1.1.14 gilt, heben Gerichte die PKH häufig nachträglich auf, weil gegen sie verstoßen wird. Ein Indiz dafür, dass Mandanten ihre Pflichten nicht gut genug kennen, nicht ernst nehmen oder schlicht vergessen.
Die Mitteilungspflicht gilt auch für Adressänderungen. Insbesondere verspätet oder gar nicht mitgeteilte Umzüge beschäftigen oft die Gerichte. Viele zeigten sich nachsichtig, da nach einem Umzug die eine oder andere Stelle übersehen wird, der man die neue Adresse mitteilen muss. Grob fahrlässig ist dies dann nicht (LAG Schleswig-Holstein 2.9.15, 5 Ta 147/15, Abruf-Nr. 180337).
Auch bedeutet „unverzüglich“ nicht, dass ein Wohnungswechsel innerhalb weniger Tage nach dem Umzug mitzuteilen ist. Ein gewisser kurzer Zeitraum ist zuzugestehen, ggf. zwei Wochen, aber nicht über einen Monat (LAG Düsseldorf 3.2.16, 5 Ta 38/16). Wird der Mandant jedoch vom Gericht aufgefordert, seine wirtschaftlichen Verhältnisse aktuell zu erklären, wird er an seine Pflicht erneut erinnert. Er muss dann seine Erklärung dem Gericht auch zwingend mit dem in § 117 Abs. 3 ZPO genannten Formular abgeben.
Für den Anwalt bedeutet das: Der Mandant muss klar verstehen, dass ihm ohne Mitwirkung der Entzug der PKH droht. Viele Mandanten überlesen oder vergessen den entsprechenden Hinweis in dem Formular zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Der Anwalt sollte nach Bewilligung und noch einmal nach Abschluss der Angelegenheit auf die vierjährige Frist hinweisen, innerhalb derer er das Gericht informieren muss. Kern der Information sollte sein: Wann die Frist genau endet und dass der Mandant unaufgefordert das Gericht selbst informieren muss, wenn sich Adresse, Einkommen oder Belastungen ändern (vgl. Grafik).
Das Gericht ist nicht verpflichtet, selbst in zeitlichen Abständen anzufragen. Dies hat das SG Karlsruhe hier zwar getan und ist damit dem PKH-Bezieher entgegengekommen. Andere Gerichte reagieren strenger und heben die PKH möglicherweise schneller auf. Wenn sich das Einkommen ändert, ist entscheidend, ob es sich regelmäßig monatlich über 100 EUR (brutto) verbessert (§ 120a Abs. 2 ZPO).
PRAXISHINWEIS | Nicht allein höhere Einkünfte zählen. Auch eine erhöhte Rente oder höherer Unterhalt verbessern das Einkommen, auch wenn hier eher selten die 100-EUR-Grenze erreicht wird. Senioren denken vielleicht auch nicht daran, dass Belastungen, die im PKH-Antrag angegeben waren, plötzlich wegfallen. Das geschieht rasch, wenn Kredite getilgt oder Darlehen zurückgezahlt sind oder der Mandant zu den Kindern bzw. in eine günstigere Wohnung umzieht. Fallen solche Belastungen weg, kann ebenfalls die 100-EUR-Grenze erreicht werden, da mehr Geld zur Verfügung steht. |
Musterformulierung / So belehren Sie den Mandanten |
Nachdem Ihre Angelegenheit abgeschlossen ist, weisen wir Sie aus anwaltlicher Vorsorge erneut darauf hin, dass sie vier Jahre lang, also bis zum ..., dem Gericht mitteilen müssen, wenn Sie umziehen oder sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ändern. Sie müssen dem Gericht unverzüglich mitteilen, wenn Sie ein höheres Einkommen als zuvor haben oder frühere Schulden und Belastungen (z. B. Kredite, Darlehen) abbezahlt sind. Sie dürfen nicht abwarten, bis das Gericht vielleicht von selbst bei Ihnen nachfragt. Bitte beachten Sie, dass Ihnen die Prozesskostenhilfe nachträglich entzogen werden kann, wenn Sie das Gericht nicht informieren oder sich damit zu viel Zeit lassen. Einige Gerichte haben dies in der Vergangenheit schon oft getan. |
So entlastet sich der Anwalt vom Nachprüfungsverfahren
Auch wenn das Mandat beendet ist, bleibt der Anwalt im Nachprüfungsverfahren vier Jahre lang verantwortlich. Er erhält möglicherweise vom Gericht Anfragen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mandanten und muss diese an den Mandanten weiterleiten.
PRAXISHINWEIS | Der Anwalt kann sich von dieser Pflicht befreien, indem er seine Vollmacht beschränkt und seine Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren ausschließt. Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass es zulässig und wirksam ist, eine Vollmacht auf ein PKH-Bewilligungsverfahren zu beschränken (15.11.13, 9 WF 209/13). |