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· Fachbeitrag · Erhaltungspflicht

Vermieter muss vorhandenen Telefonanschluss dauerhaft erhalten

von RiOLG a.D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

| Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Gilt dies auch für einen bei Vertragsschluss in der Wohnung vorhandenen Telefonanschluss oder genügt es, wenn der Vermieter die Wohnung mit einer entsprechenden Anschlusseinrichtung ausstattet und einen Übergabepunkt im Haus einrichtet, an dem die Telefonleitung zur Wohnung angeschlossen werden kann? Diese Fragen musste der BGH (5.12.18, VIII ZR 17/18, Abruf-Nr. 206248 ) klären. |

 

Sachverhalt

Die von dem Beklagten gemietete Erdgeschosswohnung der Klägerin ist mit einem Telefonanschluss ausgestattet. Die Telefonleitung verläuft vom Hausanschluss durch einen Kriechkeller zur Wohnung der Klägerin. Nachdem Telefongespräche und die Nutzung des Internets über diese Telefonleitung zunächst möglich waren, kam es in der Folgezeit zu einem Defekt an dieser Leitung. Dies zeigte die Klägerin dem Beklagten an und forderte ihn erfolglos auf, die Telefonleitung zwischen dem Hausanschluss und der Telefondose ihrer Wohnung instand zu setzen.

 

Der Telekommunikationsanbieter teilte nach Prüfung mit, an der Zuleitung vom Hausanschluss zur Wohnung sei ein Defekt aufgetreten; das Kabel müsse vom Hauseigentümer erneuert werden.

 

Das AG hat den Beklagten antragsgemäß zur Instandsetzung der Telefonzuleitung verurteilt. Auf die zugelassene Berufung hat das LG die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und den Beklagten auf den Hilfsantrag zur Duldung der notwendigen Reparaturarbeiten an der Telefonleitung verurteilt. Der BGH stellt das amtsgerichtliche Urteil wieder her.

 

Entscheidungsgründe

Der Umfang der Pflicht des Vermieters zur Gebrauchserhaltung richtet sich danach, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart haben. Fehlt es ‒ wie hier bezüglich der Telefonleitung ‒ an einer vertraglichen Vereinbarung, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand i. S. d. § 535 Abs. 1 BGB nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in ‒ gegebenenfalls ergänzender ‒ Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach

  • der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung
  • sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestimmt BGH MK 15, 187, Abruf-Nr. 144469).

 

Nach der allgemeinen Verkehrsanschauung kann der Mieter einer Wohnung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der der üblichen Ausstattung vergleichbarer Wohnungen entspricht. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete sowie eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen (BGH MK 04, 167, Abruf-Nr. 042313; MK 10, 187, Abruf-Nr. 102463)

 

Gemessen daran umfasst der vertragsgemäße Gebrauch vorliegend die Überlassung und hiermit korrespondierend auch die Instandhaltung einer funktionsfähigen Telefonanschlusseinrichtung. Jedenfalls dann, wenn die Wohnung ‒ wie hier ‒ mit einer sichtbaren Telefonanschlussdose ausgestattet ist, umfasst der zumindest im Wege ergänzender Auslegung zu ermittelnde vertragsgemäße Zustand einen (auch funktionsfähigen) Telefonanschluss. Dazu gehört ‒ selbstverständlich ‒ die Möglichkeit des Mieters, diesen Anschluss nach Abschluss eines Vertrags mit einem Telekommunikationsanbieter ohne Weiteres nutzen zu können, das heißt ohne zuerst noch Verkabelungsarbeiten von dem Anschluss in der Wohnung bis zu einem gegebenenfalls im Keller des Mehrfamilienhauses liegenden Hausanschlusspunkt (APL) vornehmen zu müssen.

 

Die Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren, gestaltet § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zum einen dahin aus, dass

  • der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen hat.

 

  • Zum anderen trifft den Vermieter danach auf Dauer die Verpflichtung, die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten, was zugleich die Pflicht beinhaltet, eine nach der Überlassung eingetretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen und den zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand wiederherzustellen (BGH MK 15, 187; MK 15, 59, Abruf-Nr. 143475; MK 03, 83, Abruf-Nr. 031009).

 

Relevanz für die Praxis

Der BGH klärt eine in der Instanzrechtsprechung (Nachweise Urt. Tz. 18) umstrittene Frage mit erfreulicher Klarheit zugunsten des Mieters. Die danach in Teilen der Instanzrechtsprechung vorherrschende Auffassung, bei einem späteren Defekt des Anschlusskabels eines mitvermieteten Telefonanschlusses treffe den Vermieter nicht die Pflicht zur Reparatur, sondern dieser habe lediglich entsprechende Arbeiten des Mieters zu dulden, ist mit der gesetzlichen Regelung der Gebrauchsgewährungs- und -erhaltungspflicht des Vermieters in § 535 Abs. 1 BGB unvereinbar und entspricht zudem nicht den Interessen des Vermieters.

 

Diesem muss gerade in einem Mehrfamilienhaus ‒ wie hier ‒ daran gelegen sein, die Instandhaltung der Hausleitung in eigener Hand zu behalten und zu koordinieren, da andernfalls mit der Gefahr uneinheitlicher und nicht aufeinander abgestimmter Leitungsverläufe zu rechnen wäre.

 

Beachten Sie | Zwei in der Instanzrechtsprechung immer wieder zu lesende Argumente gegen eine Instandhaltungspflicht des Vermieters werden vom BGH ausdrücklich verworfen:

 

  • 1. Es kommt für die Instandhaltungspflicht des Vermieters von vornherein nicht darauf an, ob und bejahendenfalls welche Ansprüche dem Mieter gegen ein Telekommunikationsunternehmen zustehen. Selbst wenn dem Mieter im Einzelfall im Hinblick auf die Verkabelung Ansprüche gegen Dritte zustünden, läge allenfalls ein Fall gesamtschuldnerischer Verpflichtung vor, bei der es dem Schuldner freisteht, welchen Gläubiger er in Anspruch nimmt.

 

  • 2. Es ist unerheblich, dass sich die defekte Leitung außerhalb der vermieteten Räumlichkeiten befindet. Grund: Die Instandhaltungspflicht des Vermieters beschränkt sich nicht nur auf das eigentliche Mietobjekt, sondern erstreckt sich auch auf die nicht ausdrücklich mitvermieteten Hausteile, die, wenn auch nur mittelbar, dem Mietgebrauch unterliegen (BGH MK 18, 206, Abruf-Nr. 205306; NJW 1967, 154).

 

Für die Stromversorgung einer Wohnung hat der BGH (MK 04, 167) unter dem Gesichtspunkt eines nach der Verkehrsanschauung jedenfalls geschuldeten Mindeststandards zeitgemäßer Wohnnutzung angenommen, dass die Stromversorgung einer Wohnung mangels abweichender Vereinbarung eines unter dem Mindeststandard liegenden Wohnungszustands jedenfalls den gleichzeitigen Betrieb einer Waschmaschine und eines weiteren elektrischen Geräts ermöglichen müsse. Ob dies mangels einer gegenteiligen Vereinbarung auch für den Telefonanschluss anzunehmen ist, hat der BGH offen gelassen.

 

Weiterführende Hinweise

  • Vermieter müssen öffentliche Gehwege vor ihrem Haus nicht in jedem Fall schnee- und eisfrei halten, MK 18, 206
  • Erhaltungspflicht des Vermieters auch bei durch den Mieter fahrlässig verursachten Brandschäden, MK 15, 59
Quelle: Seite 23 | ID 45685316