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· Fachbeitrag · Finanzierter Autokauf

Rückabwicklung nach Rücktritt ‒ anwaltliche Haftungsfallen und ihre Vermeidbarkeit

von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

| Drei von vier Kunden kaufen ihren Pkw auf Kredit oder leasen ihn. Finanzierungen von Verbrauchergeschäften unterliegen als verbundenes Geschäft besonderen Regeln (§§ 358, 359 BGB). Während der Widerruf und seine Folgen gesetzlich weitgehend durchnormiert sind, birgt die vermeintlich einfachere Konstellation „Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit“ eine Fülle von Detailproblemen ‒ materiellrechtliche wie prozessuale. Beschränkt auf den bankfinanzierten Kauf, also ohne Leasing, sind das vor allem folgende Fragen: |

 

Übersicht / 15 Fragen ‒15 Antworten

1. Welche Auswirkungen hat ein wirksamer Rücktritt des Käufers wegen Mangelhaftigkeit auf das verbundene Geschäft?

Es wird alleine der Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis ex nunc umgestaltet. Die Rückabwicklung erstreckt sich anders als beim Widerruf (§ 358 Abs. 1 BGB) nicht auf den Darlehensvertrag.

2. Wer ist für die Rückabwicklung des Kaufvertrags passivlegitimiert?

Allein der Verkäufer (BGH NJW 15, 3455). Auch insoweit besteht ein Unterschied zum Widerruf mit gesetzlichem Schuldner-/Gläubigerwechsel nach Zufluss der Valuta an den Verkäufer. Adressat der Rücktrittserklärung ist also nicht die Bank, sondern ausschließlich der Verkäufer. Eine Mitteilung an die Bank ist ratsam; verbunden mit der Bitte um einen Abwicklungsvorschlag.

3. Hat der Käufer ein Problem mit seiner Aktivlegitimation für seine Ansprüche aus dem Rücktritt?

Nein, in der Regel nicht. Auch bei verbundenen Verträgen i. S. d. § 358 BGB bleibt der Käufer, der das Fahrzeug der Bank sicherungsübereignet hat, berechtigt, Gewährleistungsrechte geltend zu machen und ggf. vom Kaufvertrag zurückzutreten (statt aller OLG München 1.9.10, 3 U 2432/10, juris). Dass der Käufer seine Gewährleistungsrechte sicherheitshalber an die Bank abgetreten und dadurch seine Aktivlegitimation verloren hat, z. B. per Vorausabtretung, ist nicht auszuschließen, aber atypisch.

4. Muss der Käufer in seiner Eigenschaft als Verbraucher trotz erklärten Rücktritts die mit der Bank vereinbarten Raten weiterzahlen?

Nein, ein wirksamer (!) Rücktritt stellt den Verbraucher-Käufer nach § 359 Abs. 1 S. 1 BGB davon frei, den Darlehensvertrag weiter zu bedienen. Schon ab dem Zeitpunkt des Fehlschlagens der Nacherfüllung kann die Ratenzahlung eingestellt werden (§ 359 Abs. 1 S. 3 BGB). Ab dem Rücktritt ist das Leistungsverweigerungsrecht endgültig.

5. Kann der Käufer die vor der Rücktrittserklärung bereits gezahlten Raten von der Bank zurückfordern?

Ein Rückforderungsdurchgriff zugunsten des zum Rücktritt oder zum großen Schadenersatz berechtigten (Verbraucher-)Käufers scheidet aus (BGH NJW 10, 596; NJW-RR 11, 406). Umstritten ist die Rechtslage im Fall einer wirksamen Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, vgl. OLG Dresden 18.10.19, 9 U 841/19, Abruf-Nr. 214656. Aus Sicht des Käufers ist es ratsam zu prüfen, ob an Stelle des Rücktritts eine Anfechtung nach § 123 BGB in Betracht kommt. Wenn die Täuschung durch den Verkäufer auch den Darlehensvertrag erfasst (selten), umso besser für den Käufer.

6. Sicherheitshalber oder versehentlich hat der Käufer trotz Fehlschlagens der Nach-erfüllung bzw. trotz erklärten Rücktritts weiterhin die vereinbarten Raten an die Bank gezahlt. Kann er das Geld zurückfordern?

Sehr strittig, vgl. Palandt/Grüneberg § 359 Rn. 8 mit Hinweis auf OLG Naumburg 1.2.13, 10 U 29/12, NJW 13, 3455, wonach ein Rückforderungsanspruch besteht, dies jedoch nur bzgl. der nach dem Rücktritt gezahlten Zins- und Kostenanteile.

7. Welche Ansprüche hat der Käufer im Fall eines wirksamen Rücktritts gegen den Verkäufer?

 

  • Unterfrage: Welches Gericht ist für die Verfolgung dieser Ansprüche örtlich zuständig?

Ganz überwiegend gibt man dem Käufer die gleichen Ansprüche, die er ohne Bankfinanzierung hätte, d. h. Rückzahlung einer Anzahlung (unstr.) sowie Zahlung der dem Verkäufer zur Kaufpreistilgung zugeflossenen Darlehensvaluta (OLG Köln NJW-RR 14, 1080; LG Dortmund 13.8.18, 25 O 213/17, juris; LG Hagen 26.8.15, 2 O 149/14, juris; indirekt wohl auch BGH NJW 15, 3455; abw. [nur die gezahlten Nettokreditraten] OLG Hamm 5.8.10, 28 U 22/10, juris; NZV 06, 421; ebenso bei einem gewerblichen Käufer OLG Naumburg 12.1.07, 10 U 42/06, juris).

 

Außerdem kann der Käufer beanspruchen:

  • Rückgabe eines in Zahlung gegebenen Fahrzeugs (unstr.); problematisch ist die Bemessung des Wertersatzes bei Weiterveräußerung,
  • Verwendungsersatz nach § 347 Abs. 2 BGB,
  • Rücknahme des mangelhaften Fahrzeugs.

 

Örtliche Zuständigkeit: Nach h. M. ist der Ort maßgeblich, an dem sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vertragsgemäß befindet (Thür. OLG 9.4.20, 4 U 1208/19; BayObLG 8.4.20, 1 AR 18/20).

8. Was ist mit den gezahlten Zinsen und sonstigen Finanzierungskosten, z. B. Bearbeitungsgebühr, RSV-Prämie?

Nach überwiegender Rspr. sind sie nur als Aufwendungsersatz nach § 437 Nr. 3, § 284 BGB ersatzfähig, also nicht ‒ verschuldensunabhängig ‒ bei bloßem Rücktritt (statt vieler OLG Brandenburg 18.3.20, 4 U 53/19, Abruf-Nr. 215515). Anders OLG Koblenz 18.12.08, 6 U 564/08, Abruf-Nr. 091016 (andere Aufwendungen i. S. d. § 347 Abs. 2 S. 2 BGB). Im Rahmen des § 284 BGB ‒ neben einem Rücktritt anwendbar (§ 325 BGB) ‒ ist eine Kürzung des Ersatzbetrags in Betracht zu ziehen (Argument: wegen Nutzung des Fahrzeugs keine volle Vergeblichkeit), vgl. OLG Brandenburg a. a. O.

9. Mitunter verlangen Käuferanwälte vom Autohaus nur Rückzahlung der an die Bank bereits überwiesenen Tilgungsraten sowie Befreiung (Freistellung) von der restlichen Darlehensverbindlichkeit, entweder per Feststellungs- oder per Leistungsantrag. Was ist davon zu halten?

Ob ein Freistellungsanspruch aus § 346 BGB abgeleitet werden kann oder, wenn überhaupt, nur als Schadenersatz besteht, ist höchstrichterlich ungeklärt (vgl. BGH NJW 10, 148). Manche Instanzgerichte lassen einen Freistellungsantrag bzw. -anspruch als minus zu, vgl. LG Saarbrücken 16.12.13, 12 O 196/12, Abruf-Nr. 141048; allerdings nicht im Umfang sämtlicher offener Darlehensverbindlichkeiten, sondern beschränkt auf die offenen Nettokreditraten, vgl. LG Saarbrücken a. a. O. Das OLG Köln sieht „kein Rechtsschutzbedürfnis und in der Sache keine Grundlage“ (26.4.18, 15 U 82/17, Abruf-Nr. 201617).

10. Welche Ansprüche hat der Verkäufer gegen den Käufer?

Wie in einem Fall ohne Finanzierung kann der Verkäufer verlangen:

  • Ersatz der Gebrauchsvorteile (Nutzungen) nach § 346 Abs. 1 BGB,
  • Rückgabe/Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs inkl. Papiere, Schlüssel, mitverkauftes Zubehör (zur Problematik infolge der Sicherungsübereignung s. Frage 13),
  • Wert- oder Schadenersatz bei Beschädigung des Fahrzeugs.

11. Wie sind die Klageanträge zu formulieren?

Erfahrungsgemäß haben Käuferanwälte oftmals Schwierigkeiten mit der Antragsformulierung. Oder die Gerichte machen ihnen Schwierigkeiten durch mitunter fragwürdige Hinweise nach § 139 ZPO. Hauptgrund ist die Sicherungsübereignung, außerdem die Unklarheiten über den Inhalt der Rückabwicklungsansprüche.

 

Materiellrechtlicher Ausgangspunkt ist das unter Punkt 7 skizzierte Anspruchsbündel. Der Verkäufer hat die gegen ihn bestehenden Ansprüche nicht unbedingt, sondern nur Zug um Zug zu erfüllen (§ 348 BGB), kann also seine unter Pkt. 10 aufgeführten Ansprüche entgegensetzen (einredeweise oder per Aufrechnung/Widerklage).

12. Macht es Sinn, den Antrag auf Rückzahlung der Darlehensvaluta in Höhe des nicht getilgten Kaufpreisanteils dahin zu formulieren, dass die Zahlung der Restvaluta an die Bank zu erfolgen hat?

Ja, kein Muss, aber empfehlenswert, weil man damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann: Dem Darlehensvertrag ist die Nebenpflicht des Verbrauchers zu entnehmen, die vom Verkäufer zurückerhaltene Valuta an die Bank weiterzuleiten. Solange diese das Geld nicht hat, wird sie die Freigabe des sicherungsübereigneten Fahrzeugs verweigern oder nur unter Vorbehalt erklären.

13. Welchen Einfluss hat ein wirksamer Rücktritt auf die Sicherungsübereignung?

 

  • Unterfrage: Kann der Verkäufer die Rückabwicklung mit dem Einwand blockieren, der Käufer sei wegen der Sicherungsübereignung außer Stande, ihm Volleigentum zu verschaffen?

 

  • Weitere Unterfrage: Kann der Käufer den Verkäufer auch ohne Eigentum und Briefbesitz in Annahmeverzug setzen?

Die dingliche Rechtslage bleibt von einem wirksamen Rücktritt grundsätzlich unberührt; der Käufer/Sicherungsgeber wird also nicht automatisch zum Volleigentümer. Wegen Erledigung des Sicherungszwecks wird ihm jedoch ein Anspruch auf Rückübereignung bzw. auf Zustimmung nach §§ 182, 185 BGB zur Übereignung an den Verkäufer gegeben, vgl. LG Dortmund 13.8.18, 25 O 213/17, juris; LG Osnabrück 7.4.17, 4 O 946/16, juris.

 

Angesichts dessen ist sein (außergerichtliches) Angebot auf Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs auch ohne eigenes Volleigentum und ohne Besitz des Briefes (ZB II) sowie ohne bereits erteilte Freigabe legitim. Ob es für den Eintritt von Annahmeverzug reicht, ist str. (verneinend OLG Rostock NJW 07, 3290; LG Hagen 26.8.15, 2 O 149/14, juris). Dem Käufer-Anwalt dringend zu empfehlen ist eine Abstimmung mit der Bank mit dem Ziel einer Freigabeerklärung.

14. Ist es wegen der Probleme mit der Rückübereignung empfehlenswert, an Stelle einer Kaufpreis-Rückzahlungsklage eine Feststellungsklage gegen den Verkäufer zu erheben („festzustellen, dass der Kaufvertrag durch den Rücktritt in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt ist“)?

Davon ist abzuraten. Das Gericht wird auf den Vorrang der Leistungsklage pochen (dazu BGH NJW 18, 227) und ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse im Zweifel verneinen, vgl. LG Osnabrück 7.4.17, 4 O 946/16, juris; käufergünstig dagegen OLG München 1.9.10, 3 U 2432/10, juris; LG Hagen 16.6.17, 8 O 218/16, juris (Dieselfall).

 

Weiterer Aspekt: Bei einem Ausweichen auf eine Feststellungsklage ist der übliche Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs unzulässig (LG Hagen a. a. O.).

15. Ist im Prozess gegen den Verkäufer eine Streitverkündung an die Bank ratsam?

Ja, durchaus, denn ein rechtskräftiges Urteil gegen den Verkäufer mit Feststellung der Rücktrittsberechtigung wirkt nicht per se zulasten der Bank.

 
Quelle: Seite 103 | ID 46569460