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· Fachbeitrag · Gesetzliche Rentenversicherung

Ehezeitanteil einer laufenden „Mütterrente“ im Abänderungsverfahren

von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

| In Erstverfahren über den VA ist eine Anwartschaft auf gesetzliche Rente nach dem Stand bei Ehezeitende zu berechnen, auch wenn sich bis zur gerichtlichen Entscheidung die Gesamtleistungsbewertung beitragsfreier und beitragsgeminderter Zeiten geändert hat. Nach Rentenbeginn - insbesondere in einem Abänderungsverfahren - ist der Ehezeitanteil dagegen auf der Grundlage des ergangenen Rentenbescheids und damit unter Berücksichtigung der nachehelichen Veränderung der Gesamtleistungsbewertung zu ermitteln. Das hat der BGH jetzt entschieden. |

Sachverhalt

Die Ehegatten M und F wurden geschieden. Zugleich wurde der öffentlich-rechtliche VA nach früherem Recht durchgeführt. Dabei wurden, bezogen auf die Ehezeit (1.8.67 bis 31.3.82), Anrechte beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung und Anrechte des M in der Beamtenversorgung ausgeglichen. Nachdem beide Ehegatten Alterseinkünfte bezogen, beantragte M am 27.9.13, die Entscheidung über den VA abzuändern. Nach den vom AG eingeholten neuen Auskünften der Versorgungsträger war der Ehezeitanteil der Beamtenversorgung wesentlich geringer als zum Zeitpunkt der Scheidung. Die Ehezeitanteile der gesetzlichen Rentenanrechte wurden wie im Erstverfahren nach einer fiktiven Altersrente zum Zeitpunkt des Ehezeitendes berechnet. Aufseiten des M ergab sich keine wesentliche Änderung, das ehezeitliche Anrecht der F war dagegen um mehr als 1 Entgeltpunkt (EP) höher als bei der Scheidung.

 

Mit Beschluss vom 20.7.14 änderte das AG die Entscheidung über den VA mit Wirkung ab 1.10.13 ab und ordnete die interne Teilung aller Anrechte an. Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde begehrte M, die Rentenerhöhung (in Höhe von 1 EP) zu berücksichtigen, die bei F ab 1.7.14 aufgrund der Regelungen über die „Mütterrente“ eingetreten war. Daraufhin änderte das KG die Entscheidung des AG teilweise ab und ordnete mit Wirkung ab 1.7.14 die Übertragung eines weiteren 1/2 EP auf M an. Dagegen erhob der Rentenversicherungsträger (RT) erfolgreich Rechtsbeschwerde.

 

 

  • 1. Nach dem Beginn des Vollzugs einer Vollrente wegen Alters ist der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung allein aus den auf die Ehezeit entfallenden EP der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln (in Abgrenzung zu BGH FK 12, 157).
  • 2. In einem Abänderungsverfahren über den VA, welches Zeiträume vor dem 1.7.14 einbezieht, sind die Wirkungen des VA, sofern sich die Regelungen über die sog. „Mütterrente“ auswirken, durch Übertragung entsprechender EP für die Zeit bis zum 30.6.14 und die Zeit ab dem 1.7.14 gesondert auszusprechen.
 

Entscheidungsgründe

Die Voraussetzungen für eine Abänderung des öffentlich-rechtlichen VA nach § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG sind erfüllt. Der Ausgleichswert (Hälfte des Ehezeitanteils, § 1 Abs. 2 S. 2 VersAusglG) des Anrechts, das M in der Beamtenversorgung erworben hat, hat sich gegenüber der in der Erstentscheidung vorgenommenen Berechnung wesentlich (d. h. um mehr als 5 Prozent) verringert.

 

Die Abänderung betrifft sämtliche Anrechte, die in die Ausgangsentscheidung einbezogen waren. Sie sind nun nach neuem Recht zu teilen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist nach § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG auch im Abänderungsverfahren das Ende der Ehezeit. Gem. § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG sind aber zwischenzeitlich eingetretene rechtliche und tatsächliche Veränderungen zu berücksichtigen, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken.

 

Bei Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt die Zurechnung von EP für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten im Wege der Gesamtleistungsbewertung nach §§ 71 ff. SGB VI. Die Bewertung dieser Zeiten richtet sich nach dem Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im gesamten (bisherigen) Versicherungsverlauf ergibt. Diese Durchschnittsberechnung verändert sich bis zum Rentenbeginn ständig. Deshalb ist während der Anwartschaftsphase von einem fiktiven Rentenbeginn zum Zeitpunkt des Ehezeitendes auszugehen. Es würde gegen das Stichtagsprinzip des § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG verstoßen, wenn der nachehezeitliche Versicherungsverlauf bei der Gesamtleistungsbewertung beachtet würde (BGH FK 12, 157).

 

Bezieht der Ausgleichspflichtige schon die gesetzliche Rente, steht als gesetzlich festgelegter Endzeitpunkt für die Ermittlung der Rente der Kalendermonat vor Beginn der Rente fest, § 72 Abs. 2 SGB VI. Wenn die Rente nach Ende der Ehezeit begonnen hat, wird der Berechnungszeitpunkt auf diesen Monat endgültig fixiert. Darin liegt eine rechtliche und tatsächliche Änderung, die gem. § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG im VA zu beachten ist. Damit werden die ehezeitlich erworbenen beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten zwar auch durch Beitragszeiten beeinflusst, die zwischen Ehezeitende und Rentenbeginn erdient wurden. Das bedeutet aber nicht, dass die nachehelich erdienten EP in die Ehezeit übertragen werden. Der nacheheliche Versicherungsverlauf wirkt sich nur reflexartig auf die in der Ehezeit liegenden beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten aus. Zudem muss die Summe aus dem auf die Ehezeit entfallenden Rentenanteil und dem Rentenanteil, der außerhalb der Ehezeit erworben worden ist, der aus allen Zeiten berechneten Gesamtrente entsprechen. Sonst würde dem VA nicht die tatsächlich fließende Rente zugrunde gelegt. Das widerspräche dem Halbteilungsgrundsatz.

 

In einem nach Rentenbeginn stattfindenden Abänderungsverfahren sind die in der Ehezeit liegenden beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten daher mit den EP zu berücksichtigen, die auch der tatsächlich bezogenen Altersrente zugrunde liegen. Soweit sich aus früheren Senatsbeschlüssen etwas anderes ergibt, hält der BGH daran nicht fest.

 

Zu Recht hat das Beschwerdegericht bei der Anordnung der internen Teilung des Anrechts der F aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Übertragung von EP auf M für die Zeit bis 30.6.14 und ab 1.7.14 gesondert tituliert. Durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat sich der Ehezeitanteil der F infolge der Verlängerung der Kindererziehungszeit für ihr in der Ehezeit geborenes Kind um 1 EP erhöht. Diese Rechtsänderung ist gem. § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG zu beachten. Die Werterhöhung trat jedoch erst mit Wirkung vom 1.7.14 ein. Daher kann dem M der (um 1/2 EP) erhöhte Ausgleichswert auch erst von diesem Zeitpunkt an übertragen werden. Für die Zeit von der Stellung seines Abänderungsantrags bis zum 30.6.14 ist der verringerte Ausgleichswert zu titulieren.

Relevanz für die Praxis

Bei der Berechnung der gesetzlichen Rente können sich neben Beitrags- und Kindererziehungszeiten auch beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten auswirken. Die EP für diese Zeiten ergeben sich aus der sog. Gesamtleistungsbewertung. Deren Ergebnis verändert sich während des Versicherungslebens kontinuierlich (näher dazu FK 12, 157, 160). Mit seinen Beschlüssen vom 18.1.12 (FK 12, 157) und 21.3.12 (FamRZ 12, 847) hatte der BGH entschieden, im VA müssten beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten stets zum Stichtag Ehezeitende berechnet werden. Veränderungen der Gesamtleistungsbewertung, die sich durch nacheheliche Beitragszeiten ergeben, seien im VA außer Betracht zu lassen. Das gelte auch in einem späteren Abänderungsverfahren.

 

Der BGH stellt jetzt klar, dass seine bisherige Rechtsprechung nur für Anrechte gilt, die sich noch in der Anwartschaftsphase befinden. Da sich die Gesamtleistungsbewertung bis zum Rentenbeginn laufend ändern kann, soll zur Vereinheitlichung von einem fiktiven Rentenbeginn zum Zeitpunkt des Ehezeitendes ausgegangen werden. Mit Rentenbeginn steht die Bewertung der beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten und deren Einfluss auf die Höhe der Altersrente endgültig fest. Deshalb sind ab diesem Zeitpunkt die auf die Ehezeit entfallenden EP aus der tatsächlichen Rentenberechnung zu entnehmen.

 

Die neue BGH-Rechtsprechung wird sich kaum auswirken. I. d. R. wird sich der Ehezeitanteil durch die Einbeziehung der nachehelichen Versicherungszeiten nicht wesentlich verändern (hier nur 0,0399 EP). Im Erstverfahren ist die neue Rechtsprechung nur relevant, wenn der Rentenfall bei Ehezeitende bereits eingetreten war oder während des Verfahrens eintritt. Im letzteren Fall muss das Gericht ggf. eine neue Auskunft des Versicherungsträgers einholen, wenn der Ehezeitanteil noch aus einer fiktiven Rente ermittelt worden ist. Im Abänderungsverfahren (§§ 51, 52 VersAusglG oder §§ 225, 226 FamFG) wird der Rentenfall dagegen meist eingetreten sein, wenn die Auskunft über das gesetzliche Anrecht eingeholt wird. Denn der Antrag ist erst zulässig, wenn der Versorgungsfall bei einem Ehegatten eingetreten ist oder innerhalb der nächsten sechs Monate eintreten wird, § 52 Abs. 1 VersAusglG, § 226 Abs. 2 FamFG.

 

Der BGH erläutert, wie zu titulieren ist, wenn die Regelungen über die sog. Mütterrente während des Abänderungsverfahrens wirksam geworden sind: Mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz (23.6.14; BGBl. I S. 787), das am 1.7.14 in Kraft getreten ist, wurde die Bewertung von Kindererziehungszeiten für Kinder verbessert, die vor 1992 geboren sind. Dadurch kann sich der Ehezeitanteil gesetzlicher Renten von Frauen erhöhen. Das kann im Abänderungsverfahren günstig für die geschiedenen Männer sein (dazu Wick, FK 14, 139).

 

Hier erhöhte sich die gesetzliche Rente der F aufgrund der um ein Jahr verlängerten Kindererziehungszeit für das in der Ehezeit geborene Kind mit Wirkung vom 1.7.14 um den Gegenwert von 1 EP. Infolge dessen stieg auch der Ausgleichswert des Anrechts um die Hälfte davon. Daher war das im Wege interner Teilung auf M zu übertragende Anrecht um 1/2 EP zu erhöhen. Die Regelungen über die „Mütterrente“ sind eine rechtliche Veränderung nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirkt und nach § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG im Abänderungsverfahren zu beachten ist. Das AG hätte die Werterhöhung berücksichtigen müssen, da es nach dem 30.6.14 entschieden hat. Da M am 27.9.13 Abänderung beantragt hat, war die Abänderung rückwirkend auf den 1.10.13 anzuordnen, § 52 Abs. 1 VersAusglG i. V. m. § 226 Abs. 4 FamFG. Für die Zeit ab 1.7.14 musste gesondert tenoriert werden, da die Regelungen über die „Mütterrente“ erst zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden sind.

 

MERKE | In Abänderungsverfahren, in denen sich die Regelungen über die „Mütterrente“ auf die Bewertung eines Rentenanrechts auswirken und die Abänderung bis zum 31.5.14 beantragt worden ist, sind bei der internen Teilung unterschiedliche Ausgleichswerte für die Zeit vor und nach der Gesetzesänderung zu titulieren.

 

Musterformulierung / Tenorierungsvorschlag zur „Mütterrente“

Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts ... (des Ausgleichspflichtigen) bei ... (Rentenversicherungsträger), Versicherungs-Nr. ..., zugunsten ... (des Ausgleichsberechtigten) ein Anrecht in Höhe von ... Entgeltpunkten (Ausgleichswert ohne 1/2 Zuschlag aus der „Mütterrente“) mit Wirkung ab dem ... (1. Tag des Monats nach Antragstellung) bis zum 30.6.14 und in Höhe von ... Entgeltpunkten (Ausgleichswert mit 1/2 Zuschlag aus der „Mütterrente“) mit Wirkung ab dem 1.7.14, jeweils bezogen auf den ... (Ende der Ehezeit), übertragen.

 

Weiterführender Hinweis

Quelle: Seite 12 | ID 44223030