· Fachbeitrag · Krankenhausabrechnung
Stationäre Behandlung abgeschlossen, Reha-Platz nicht frei, Patient muss bleiben! Wer zahlt?
von RA und FA für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover, armedis.de
| Ein Krankenhaus hat Anspruch auf Vergütung der Behandlungskosten, die im Überbrückungszeitraum zwischen abgeschlossener Krankenhausbehandlung und geplanter Anschlussrehabilitation des Patienten anfallen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19.11.2019, Az. B 1 KR 13/19 R). |
Der Sachverhalt
Das klagende Krankenhaus hatte einen bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten wegen einer chronischen Lungenerkrankung ab dem 07.12.2009 stationär behandelt. Bereits am 30.12.2009 war vonseiten des Krankenhauses eine stationäre Anschlussheilbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation in einer Lungenfachklinik beantragt worden. Diesen Antrag bewilligte die beklagte Krankenkasse am 07.01.2010 und teilte dem Krankenhaus mit, dass der Patient ab dem 27.01.2010 in der entsprechenden Lungenfachklinik (Rehabilitationseinrichtung) aufgenommen werden könne.
Die stationäre Krankenhausbehandlung war am 17.01.2010 abgeschlossen. Der Patient hätte somit aus medizinischen Gründen bereits an diesem Tag entlassen werden können. Wegen seines Gesundheitszustands konnte er jedoch weder nach Hause entlassen noch in einer Kurzzeitpflege oder einer nicht auf Lungenkrankheiten spezialisierten Rehabilitationseinrichtung aufgenommen werden. Der Platz in der bewilligten Rehabilitationseinrichtung stand erst ab 27.01.2010 zur Verfügung. Somit musste der Patient bis dahin im Krankenhaus verbleiben.
Nachdem der Patient am 27.01.2010 verlegt worden war, stellte das Krankenhaus der Krankenkasse für die stationäre Behandlung des Patienten vom 07.12.2009 bis zum 26.01.2010 die angefallene DRG-Fallpauschale sowie weitere Vergütungsbestandteile nebst einem tagesbezogenen Entgelt für 10 Tage vom 17.01.‒26.01.2010 wegen Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in Rechnung. Die beklagte Krankenkasse zahlte zunächst, verrechnete dann aber mit der Begründung, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung ab dem 17.01.2020 medizinisch nicht mehr notwendig gewesen sei und das Krankenhaus deshalb die in der Wartezeit für den Patienten angefallenen Kosten selbst zu tragen habe. Dies wollte das Krankenhaus nicht hinnehmen, und erhob Klage.
Das Sozialgericht Augsburg hatte in erster Instanz der Klage stattgegeben (Urteil vom 16.02.2017, Az. S 12 KR 553/14), das Landessozialgericht Bayern die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen (Urteil vom 28.06.2018, Az. L 4 KR 509/17) und das BSG letztendlich diese beiden Urteile bestätigt.
Das Urteil des BSG
In seiner Entscheidung stützt sich das BSG auf den Rechtsgedanken des § 76 Abs. 1 S. 2 SGB V (Freie Arztwahl). Nach dieser Vorschrift können andere Ärzte als Vertragsärzte (und auch weitere Leistungserbringer im ambulanten Bereich) von gesetzlich Versicherten „nur in Notfällen in Anspruch genommen werden“. Erst wenn diese nicht zur Verfügung stehen, kann er z. B. auch eine Privatpraxis aufsuchen und sich dort behandeln lassen. Diesen Rechtsgedanken, dass es Versorgungslücken für gesetzlich versicherte Patienten nicht geben darf, sieht das BSG als übertragbar auf den stationären Versorgungsbereich an.
Weitreichende praktische Konsequenzen aus dem Urteil
Die ausgeführte Rechtsauffassung des BSG hat für die Praxis weitreichende Konsequenzen:
- Wenn ein gesetzlich krankenversicherter Patient im stationären Notfall in ein nicht zugelassenes Krankenhaus aufgenommen wird, so wird dieses Krankenhaus für die Dauer der Notfallbehandlung in das Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) einbezogen. Die Leistungen werden dann nach denselben Grundsätzen erbracht und abgerechnet, die für zugelassene Krankenhäuser gelten, der Vergütungsanspruch des nicht zugelassenen Krankenhauses richtet sich ausschließlich gegen die gesetzliche Krankenkasse und nicht gegen den Versicherten.
- Gleiches gilt im Verhältnis zugelassener Krankenhäuser zu stationären Rehabilitationseinrichtungen, wenn ein entsprechender Notfall vorliegt. Auch bei stationärer medizinischer Rehabilitation geht es nach Meinung des BSG im Einzelfall um unverzichtbare ärztliche Leistungen, die im Notfall auch durch hierfür nicht zugelassene Leistungserbringer erbracht werden können. Im vorliegenden Fall war dies das Krankenhaus, in das der Patient ursprünglich stationär wegen medizinischer Behandlungsbedürftigkeit aufgenommen worden war. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach Auffassung des BSG nach der üblichen Vergütung von Krankenhausleistungen.
Offen bleibt, ob das Urteil auch auf andere Fallkonstellationen übertragen werden kann, bei der z. B. notwendige Pflegeeinrichtungen zum Entlassungszeitpunkt aus dem Krankenhaus nicht zur Verfügung stehen, eine Entlassung des Patienten aber nicht zu verantworten ist.
PRAXISTIPP | Dokumentieren Sie jeden (misslungenen) Versuch, den Patienten in einer Rehabilitationseinrichtung unterzubringen, um später Argumente in einer eventuellen Auseinandersetzung mit der Krankenkasse parat zu haben (Wer? Wann? Wie oft?). |
Weiterführender Hinweis
- Antworten auf die häufigsten Fragen zum Entlassmanagement (CB 10/2017, Seite 3)