· Fachbeitrag · Vermögensnachfolge
Besteuerung einer Lebensversicherung mit Termfix-Klausel
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Lebensversicherungsverträge mit Einmalzahlungen sind ein von der Versicherungswirtschaft gern angebotenes Modell, das auch zur Gestaltung der Vermögensnachfolge eingesetzt werden kann. Gehen solche Verträge auf den Erben über, ist nicht nur der Zeitpunkt der Besteuerung fraglich, sondern auch die Bewertung des erworbenen Anspruchs. Nachdem bereits das FG Münster (13.9.18, 3 K 2766/16 Erb) für den Fall der schenkweisen Übertragung einer Rentenversicherung nicht den Vorstellungen des Beschenkten gefolgt war, hat sich nun auch das FG Köln (30.1.19, 7 K 1364/17, rkr.) hinsichtlich einer sog. Termfix-Versicherung nicht den Vorstellungen des Erben angeschlossen. Auch dieser Fall zeigt, dass solche Modelle kritisch geprüft werden sollten. |
1. Musterfall
S ist Alleinerbe seiner im Jahr 13 verstorbenen Mutter A. Die Erblasserin schloss in 08 bei einer Versicherungsgesellschaft B mit Sitz in Luxemburg eine Lebensversicherung ab. Versicherungsnehmerin und versicherte Person war die A. Die Ausgestaltung des Versicherungsvertrags sah vor, dass die Auszahlung der Versicherungsprämie nicht an den Tod der Versicherungsnehmerin geknüpft war, sondern zu einem festen Zeitpunkt im Jahr 23 erfolgen sollte (sog. Termfix-Geschäft). Begünstigter der Versicherung zum Ablauftermin war S.
Bei Vertragsabschluss erbrachte Erblasserin A eine Einmalzahlung von 600.000 EUR an die B. Dieser Betrag wurde einem der Erblasserin zugewiesenen Deckungsstockdepot gutgeschrieben. Im Jahr 23 sollte der gesamte auf dem Depot befindliche Betrag zur Auszahlung gelangen. Für den Fall, dass die Erblasserin vor dem festgelegten Datum verstirbt, sollte auch die dann fällige Sonderprämie von 1 % des Depotstocks („Versicherungsleistung bei Tod der versicherten Person“) am Todestag nicht ausgezahlt, sondern dem Depot gutgeschrieben werden. Sie sollte bis zum Ablauftermin ebenso der Wertentwicklung unterliegen wie die der Einmalzahlung zugrunde liegenden Kapitalanlagen.
Der Vertrag konnte von der Erblasserin jederzeit, allerdings unter Berücksichtigung der noch ausstehenden Kosten, gekündigt werden. Nach den im Vertrag vereinbarten „Produkteinzelheiten“ sollten Rückkaufskosten bei Beendigung des Versicherungsvertrags in den ersten fünf Jahren anfallen. Nach Eintritt des Versicherungsfalls (Tod der Erblasserin) war der Vertrag für den Begünstigten nur noch außerordentlich kündbar.
Die vermögensverwaltende Bank teilte dem S nach dem Tod der Erblasserin mit, dass durch den Todesfall ein unwiderrufliches Bezugsrecht des Begünstigten entstanden sei und das Vermögen der Termfix-Police zum Todestag 548.596,68 EUR betrage. Außer der Änderung der Anlagestrategie und der Möglichkeit einer „außerordentlichen Kündigung“ sollten ihm als begünstigter Person keine weiteren Gestaltungsrechte zustehen.
S setzte das Finanzamt über die Termfix-Versicherung in Kenntnis und fragte an, ob und ggf. wann die Versicherung der Erbschaftsteuer unterliege.
2. Möglicher Zeitpunkt des Erwerbs
Ist bei einem Lebensversicherungsvertrag ein Dritter Bezugsberechtigter, dann erhält dieser, wenn der Versicherungsnehmer verstirbt, gegen die Versicherung einen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme. Dieser Anspruch gehört nicht zum Nachlass, sondern ist als Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall zu erfassen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Im Musterfall kommt der Versicherungsanspruch allerdings nicht mit dem Tod der Erblasserin im Jahr 13 zur Auszahlung, sondern erst mit dem im Versicherungsvertrag festgelegten Jahr 23.
S erlangte somit als alleiniger Bezugsberechtigter zwar beim Tod der Erblasserin unmittelbar einen eigenen, unwiderruflichen Rechtsanspruch gegen die Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme, dieser kam aber erst zehn Jahre später zur Auszahlung. Es stellt sich daher die Frage, ob
- der Versicherungsanspruch aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bereits im Zeitpunkt des Todes im Jahr 13 erbschaftsteuerlich zu erfassen ist, oder
- ob die Ausgestaltung des Versicherungsvertrags, wonach die Kapitalauszahlung nicht im Zeitpunkt des Todes der Versicherungsnehmerin erfolgen sollte, sondern zu einem festen Zeitpunkt im Jahr 23, als Schenkung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erst zu einem Erwerb im Jahr 23 führt.
Ist der Versicherungsanspruch aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bereits im Zeitpunkt des Todes im Jahr 13 erbschaftsteuerlich zu erfassen, stellt sich zudem die Frage, mit welchem Wert der Erwerb anzusetzen ist.
3. Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall
Nach Auffassung des BFH gilt grundsätzlich, dass bei Zuwendungen unter Lebenden die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts aus einer Kapitallebensversicherung (noch) nicht der Schenkungsteuer unterliegt (BFH 30.6.99, II R 70/97, BStBl II 99, 742). Entgegen dieser Beurteilung für die schenkweise Übertragung von Lebensversicherungsverträgen ist das FG Köln für den Musterfall allerdings der Auffassung, dass der Anspruch des S aufgrund von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als Erwerb von Todes wegen einzuordnen ist.
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Ein Vertrag zugunsten Dritter gemäß BGB, bei dem die Leistung an den Dritten nach dem Tod desjenigen erfolgen soll, welchem sie versprochen worden ist, führt beim Tod des Versprechensempfängers regelmäßig zu einem derartigen Erwerb von Todes wegen.
MERKE | Allerdings setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei einem Vertrag zugunsten Dritter voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) aufweist (vgl. BFH 17.10.07, II R 8/07, BFH/NV 08, 572). |
Nach Auffassung des FG Köln erwarb S als alleiniger Bezugsberechtigter des von der Erblasserin abgeschlossenen Termfix-Lebensversicherungsvertrags bei deren Tod unmittelbar einen eigenen, unwiderruflichen Rechtsanspruch gegen die Versicherungsgesellschaft auf Zahlung der Versicherungssumme bzw. des Rückkaufswertes zum Fälligkeitszeitpunkt.
Mit dem Tod der Erblasserin im Jahr 13 konnte die Bezugsberechtigung des S nicht mehr geändert werden. Auch bei Vereinbarung einer Termfix-Versicherung mit festem Auszahlungszeitpunkt in der Zukunft fällt das Recht auf die Versicherungsleistung dem Bezugsberechtigten sogleich mit dem Tod der versicherten Person, dem Versicherungsfall, an (vgl. auch BGH 3.6.92, IV ZR 217/91, MDR 92, 947). Es war gerade das Ziel der Erblasserin, die Rechtslage nach ihrem Tod endgültig zu ordnen (siehe auch FG Nürnberg 12.9.18, 4 K 498/17).
Die Rechtsprechung des BFH, wonach bei Zuwendungen unter Lebenden die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts aus einer Kapitallebensversicherung (noch) nicht der Schenkungsteuer unterliegt, hält das FG Köln für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht für anwendbar, weil der Zuwendende bei Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts die rechtliche Stellung als Versicherungsnehmer beibehalten hatte. In einem solchen Fall stelle die Bezugsberechtigung die Abtretung einer künftigen Forderung des Versicherungsnehmers aus dem von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag dar, die erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls, d. h. im Falle des Todes des Versicherungsnehmers bzw. bei vorzeitiger Kündigung oder bei (Zeit-)Ablauf der Versicherungen entsteht.
Im Gegensatz hierzu hat S bereits im Zeitpunkt des Todes (Eintritt des Versicherungsfalls) einen ihm nicht mehr entziehbaren Anspruch auf den Rückkaufswert zum Fälligkeitszeitpunkt und somit einen Vermögensvorteil erhalten. Der Vertrag war nur noch durch S außerordentlich kündbar. Selbst wenn S nicht (Allein)Erbe nach der Erblasserin geworden wäre, hätten die Erben ohne Zustimmung des S den Vertrag nicht mehr (außerordentlich) kündigen können (vgl. BGH 3.6.92, IV ZR 217/91, MDR 92, 947).
4. Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer
Die Steuer für den Erwerb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entsteht nach Auffassung des FG Köln nicht erst im Jahr 23, sondern im Zeitpunkt des Todes (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Es handelt sich bei dem Anspruch gegen die Versicherungsgesellschaft nicht um einen aufschiebend bedingten, befristeten oder betagten Anspruch i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG.
Der Zahlungsanspruch gegenüber der B wurde zwar erst lange nach dem Todestag fällig. Da der Zeitpunkt der Fälligkeit am Todestag aber bereits feststand, war der Anspruch nicht betagt i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG. Zivilrechtlich liegt eine Betagung zwar vor, wenn eine Forderung bereits entstanden und lediglich ihre Fälligkeit hinausgeschoben ist; nach der Rechtsprechung des BFH ist jedoch erbschaftsteuerlich davon auszugehen, dass nur solche Ansprüche als betagt anzusehen sind, bei denen der Eintritt oder der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses ungewiss oder unbestimmt ist (vgl. BFH 27.8.03, II R 58/01, BStBl II 03, 921; BFH 7.10.09, II R 27/07, BFH/NV 10, 891, m. w. N.).
Beachten Sie | Dass dem Kläger bis zum Fälligkeitstermin nur eine sehr eingeschränkte Verfügungsbefugnis zusteht und die Höhe der Auszahlung zum Fälligkeitszeitpunkt aufgrund der Anlageform als rein kapitalmarktorientierte fondsgebundene Lebensversicherung äußerst ungewiss ist (letztlich ggf. sogar das Risiko eines Totalverlustes des Depotstocks besteht), steht der Entstehung der Steuer zum Todeszeitpunkt ebenfalls nicht entgegen.
5. Bewertung des Anspruchs
Das Finanzamt berücksichtigte den Anspruch aus der Termfix-Versicherung mit einem Wert von 355.800 EUR. Diesen Wert ermittelte es, indem es den Einzahlungsbetrag von 600.000 EUR mit einem Vervielfältiger von 0,618 EUR abzinste. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Die aufgrund der Begünstigung im Rahmen der Termfix-Versicherung erworbene Forderung ist nach Auffassung des FG Köln jedoch gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG, § 11 ErbStG i. V. m. § 12 Abs. 1 S. 1 BewG als Kapitalforderung mit dem Nennwert zum Todestag der Erblasserin anzusetzen (das waren im Urteilsfall 548.596,68 EUR) und nicht mit dem vom Finanzamt angesetzten abgezinsten Wert (im Urteilsfall 355.800 EUR).
Besondere Umstände, die einen höheren oder geringeren Wert begründen, vermochte das FG Köln nicht zu erkennen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts hielt es weder die Bewertungsregelungen des § 12 Abs. 3 BewG für unverzinsliche Forderungen noch die des § 12 Abs. 4 BewG für noch nicht fällige Ansprüche aus Lebensversicherungen für einschlägig.
Beachten Sie | Die Regelung des § 12 Abs. 4 S. 1 BewG, wonach noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen mit dem Rückkaufswert zu bewerten sind, hat das Köln abgelehnt, weil der Versicherungsfall bereits eingetreten und der Anspruch auf die Versicherungsleistung entstanden ist (vgl. FG Nürnberg 12.9.18, 4 K 498/17).
Eine Abzinsung des mitgeteilten Depotwertes von 548.596, 68 EUR gemäß § 12 Abs. 3 BewG, lehnte das FG Köln ebenfalls ab, weil die Geldforderung aus der Termfix-Versicherung nicht unverzinslich ist. Letztlich hängt ja die Höhe der Versicherungsleistung zum Fälligkeitstag von der Wertentwicklung der dem Versicherungsvertrag zugeordneten Vermögenswerte und deren Verwaltung ab. Damit trägt der Versicherungsnehmer bzw. Bezugsberechtigte das Anlagerisiko, aber auch die Anlagechance.
Diese Anlagechance stellt einen anderen, von den Vertragsparteien beabsichtigten und an die Stelle des Zinses tretenden Vorteil dar. Insoweit ersetzt die dem Vertragstypus zugrunde liegende Möglichkeit von Wertschwankungen die (Garantie-)Verzinsung (vgl. FG Nürnberg 12.9.18, 4 K 498/17).
Der Umstand, dass die Höhe der Auszahlung im Jahr 23 im Hinblick auf die möglichen Wertschwankungen noch unbestimmt ist und noch eine lange Laufzeit besteht, rechtfertigt aus Sicht des FG Köln keine niedrigere Bewertung zum Todestag, da S als Begünstigter der Termfix-Versicherung gleichermaßen die Anlagechance und das Anlagerisiko trägt.
6. Kritische Anmerkung
Bedauerlich ist, dass das Urteil trotz der zugelassenen Revision rechtskräftig geworden ist. Entgegen der Auffassung des FG Köln wird nämlich auch vertreten, dass lediglich ein unwiderrufliches Bezugsrecht erlangt worden ist und der Erwerb daher unter schenkungsteuerrechtlichen Gesichtspunkten zu betrachten sei (Billig, DStR 19, 965). Diese Wertung basiert auf einem anderen Verständnis des Urteils des BFH vom 30.6.99 (II R 70/97, BStBl II 99, 742):
Der BFH beruft sich in dieser Entscheidung auf § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG. Danach soll der Erwerb aufschiebend bedingt, betagt oder befristet erworbener Ansprüche vor dem Eintritt der Bedingung oder des Ereignisses nur dann der Schenkungsteuer unterliegen, wenn der Erwerber durch Verzicht auf den zukünftigen Anspruch gegen Abfindung den Wert seiner Anwartschaft realisiert. Geschehe dies nicht, unterliege die Einräumung des Bezugsrechts als solche nicht der Schenkungsteuer. Zuwendungsgegenstand sei in diesen Fällen vielmehr (erst) die zur Auszahlung gelangende Versicherungsleistung.
Auch würden bei Ansatz der Geldforderung nach § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert die Besonderheiten einer Termfix-Versicherung nicht berücksichtigt. Eine durch das Versterben des Erblassers (Versicherungsfall) fällig gewordene Versicherungsleistung sei zwar nach § 12 Abs. 1 BewG zu bewerten (Horn in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG/BewG, 6. Aufl. 2017, § 12 BewG Rn. 118); bei Termfix-Versicherungen trete die Fälligkeit aber erst zum Abschluss der Vertragslaufzeit ein, sodass § 12 Abs. 4 BewG anzuwenden wäre.
Als unbefriedigend wird das Ergebnis des FG Köln auch deshalb empfunden, weil bei Termfix-Versicherungen das Risiko von erheblichen Wertverlusten besteht, die bei der vom FG Köln angenommenen Steuerentstehung am Todestag des Erblassers nicht berücksichtigt werden. Kommt es bis zur Auszahlung der Versicherung zu erheblichen Wertverlusten, ist dies aufgrund des Stichtagsprinzips für die Steuerfestsetzung unbeachtlich. Trotz des Wertverlusts verringert sich die Steuerbelastung nicht. Eine Billigkeitsmaßnahme aufgrund Wertverfalls dürfte aber nur in Ausnahmefällen zu erwarten sein (siehe hierzu FG Münster 19.3.15, 3 K 735/14 F, EFG 15, 1057; FG Düsseldorf 10.3.10, 4 K 3000/09 Erb, EFG 10, 847).