· Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament
Schlusserben, Ersatzerben und Anwachsung
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
| Das OLG Nürnberg hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob sich die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen bei einem Ehegattentestament auch auf die Wirkungen der Anwachsung erstrecken. |
Sachverhalt
Die Ehegatten setzten sich in einem handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten die beiden Kinder aus erster Ehe des Ehemanns (Sohn S und Tochter T) zu Schlusserben nach dem Letztversterbenden. Das maßgebliche Vermögen der Ehegatten stand im Eigentum des Ehemanns. Nach dem Tod des Ehemanns errichtete dessen Witwe ein notarielles Testament. Darin bestätigte sie zunächst die Erbeinsetzung zugunsten der Kinder des Ehemanns aus erster Ehe (S und T). Weiter bestimmte sie jeweils deren Ehegatten als Ersatzerben. Am 4.7.16 verstarb die T, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen. Kurz darauf am 10.7.16 verstarb die Erblasserin E.
S beantragte beim Nachlassgericht einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein. Der Anteil von seiner Schwester wachse ihm gemäß § 2094 BGB an. Die von der Mutter im nachfolgenden Testament vorgenommene Ersatzerbeneinsetzung sei unwirksam, da die Erblasserin an die Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament gebunden gewesen sei.
Der Ehemann der T trat dem entgegen. Für die Erbfolge seien das gemeinschaftliche Testament und das notarielle Testament der Erblasserin maßgebend. Durch die Einsetzung als Ersatzerbe werde das Erbrecht des S nicht beeinträchtigt. Denn nach dem ursprünglichen gemeinschaftlichen Testament sei dieser auch nur als hälftiger Erbe eingesetzt worden. Der frühzeitige Tod von T ändere daran nichts.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Der S ist auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemanns Alleinerbe nach der Erblasserin geworden (OLG Nürnberg 24.4.17, 1 W 642/17, Abruf-Nr. 198367). Dadurch, dass T vor der Erblasserin verstarb, fiel sie als Schlusserbin weg, sodass gemäß § 2094 Abs. 1 S. 1 BGB ihr Erbteil dem verbleibenden anderen Schlusserben anwuchs, also dem S.
Das Testament enthält keine ausdrücklichen Anordnungen zur Wechselbezüglichkeit. Aus der Tatsache heraus, dass das maßgebliche Vermögen der Ehegatten ursprünglich allein von dem Ehemann stammte, ergibt sich zumindest aus § 2270 Abs. 2 BGB, dass es sich bei der Erbeinsetzung der Ehefrau und der Einsetzung der Kinder des Ehemanns als Schlusserben um wechselbezügliche Verfügungen handelt.
Die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen umfasst auch die Wirkungen der Anwachsung (OLG Hamm 28.1.15, 15 W 503/14, ZEV 15, 246). Weiter kann davon ausgegangen werden, dass den Regelungen im Testament der Wille zu entnehmen ist, dass das Vermögen bei den leiblichen Abkömmlingen des Ehemanns verbleibt. Dieses Ziel wäre aber gefährdet, wenn es dem überlebenden Ehegatten überlassen bliebe, Ersatzerben nach seiner freien Wahl zu bestimmen.
Zwar kann gemäß § 2094 Abs. 3 BGB die Anwachsung ausgeschlossen werden mit der Folge, dass das Recht eines Ersatzerben dem Anwachsungsrecht vorgeht (§ 2099 BGB). In dem gemeinschaftlichen Testament findet sich eine solche Regelung aber nicht. Und nach dem Tod ihres Ehemanns war die Erblasserin gehindert, die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Schlusserbeneinsetzung zu widerrufen oder eine Verfügung zu treffen, durch die das Recht der Schlusserben beeinträchtigt würde (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB, § 2289 Abs. 1 BGB).
Relevanz für die Praxis
In jedem Testament sollte die Frage der Ersatzerben bzw. der Anwachsung ausdrücklich geregelt werden. In einem gemeinschaftlichen Testament lässt sich das z. B. wie folgt formulieren: Sollte eines unserer Kinder vorversterben oder aus einem sonstigen Grund nicht Erbe werden, so treten an seine Stelle seine Abkömmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, mangels Abkömmlinge der Miterbe, wiederum ersatzweise dessen Abkömmlinge.