· Fachbeitrag · Vertragsgestaltung
Erbrechtsstreitigkeiten durch privatschriftliche Verträge beilegen
von RA Ernst Sarres, FA Erbrecht und Familienrecht, Düsseldorf
| Im Mittelpunkt anwaltlicher Beratung steht, frühzeitig erbrechtlich zu gestalten, um Streit zu vermeiden oder Erbprozesse zu beenden. Anhand von drei Beispielen soll gezeigt werden, wie in bestimmten Fällen das außergerichtliche Mandatsziel durch privatschriftliche Abreden erreichbar wird. |
1. Möglichkeiten, einen Erbvertrag abzuändern
Der Erbvertrag (§§ 1941, 2274 ff. BGB) gilt als flexibles Gestaltungsmittel. Er bedarf der notariellen Form, § 2276 Abs. 1 BGB. Ehegatten (Lebenspartner) können den zwischen ihnen geschlossenen Erbvertrag durch ein gemeinschaftliches Testament wieder aufheben. In der Praxis nutzen sie dieses Gestaltungsmittel aber kaum.
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Die Eheleute M und F setzen sich durch Erbvertrag gegenseitig zum unbeschränkten Alleinerben ein. Später wollen sie andere Erbberechtigte nach ihnen einsetzen. Sie wollen wissen, ob es kostengünstige privatschriftliche Lösungen gibt. Erneute Kosten für den Notar möchten sie möglichst nicht mehr aufwenden.
Lösung: Die Ehegatten können den Erbvertrag gem. § 2292 BGB durch ein gemeinschaftliches Testament abändern. Sie müssen die Formalien der §§ 2247, 2267 BGB strikt beachten. Sachlich ist u.a. Folgendes möglich: Die Ehegatten können
(im Einzelnen dazu BayObLG NJW-RR 96, 457; ferner Litzenburger in BeckOK (1.5.15), § 2292 BGB Rn. 4; FAKomm-ErbR/Zimmer/Bund, 4. Aufl., § 2292 BGB Rn. 3 ff.; Keller, ZEV 04, 93). |
PRAXISHINWEIS | Ändern die Ehegatten den Erbvertrag privatschriftlich, kann dies riskant sein. Daher sollte dies nicht ohne Fachberatung geschehen. Zudem ist es bei komplexen Sachverhalten und außergewöhnlichen Vermögensverhältnissen sicher geboten, den Notar als weitere fachliche Kontrollinstanz miteinzubeziehen und die Abänderung notariell beurkunden zu lassen. Dies löst allerdings wieder Kosten aus. |
2. Möglichkeiten, Erbengemeinschaften auseinanderzusetzen
Sind Erbengemeinschaften auseinanderzusetzen, müssen sich die Beteiligten gem. §§ 2046 ff. BGB darüber einigen, wie sie die Nachlassgegenstände verteilen. Alternativ kann abgeschichtet werden. Ein Miterbe kann dabei ohne notarielle Beurkundung formlos aus der Erbengemeinschaft austreten, auch wenn zum Nachlass eine Immobilie gehört. Dieser Weg ist nur ausgeschlossen, wenn Grundvermögen übertragen werden soll.
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Die Miterben M1 bis M3 gehören zur Erbengemeinschaft nach T. M3 möchte formlos aus der Erbengemeinschaft austreten.
Lösung: Sie können privatschriftlich einen Abschichtungsvertrag schließen. |
Die Kernregelungen könnten wie folgt lauten (vgl. OLG Hamm BeckRS 2014, 06944 mit Hinweis auf das Außenverhältnis und auf die Grundbuchberichtigung; BGH NJW 98, 1557):
Musterformulierung / Abschichtungsvertrag |
Die erschienenen Miterben zu Ziff. 1 bis 3 schließen folgende Vereinbarung:
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PRAXISHINWEIS | Nachlassverbindlichkeiten wachsen entsprechend § 738 BGB den verbleibenden Miterben an. Gleichwohl haftet der Ausscheidende im Außenverhältnis weiter. Damit er auch im Außenverhältnis nicht mehr haftet, bedarf es rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen (u.a. zur Entlassung aus der Mithaft Reimann, ZEV 98, 215 mit Bezug auf das dortige Muster; Kersten/Bühling-Wegmann, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 24. Aufl., S. 1865 - § 117 - 26M).
Sinnvoll ist es gleichwohl im Hinblick auf den Übervorteilungsschutz des Ausscheidenden, den Abschichtungsvertrag notariell beurkunden zu lassen. |
3. Möglichkeiten, Pflichtteilsstreitigkeiten zu beenden
Grund für Pflichtteilsstreitigkeiten zwischen den in § 2303 BGB genannten Personen (Ehegatten, Eltern, Abkömmlinge) ist oft, dass der Erblasser die Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten nicht dazu bewegen konnte, auf ihren Pflichtteil zu verzichten, § 2346 BGB. Der Pflichtteilsverzicht muss notariell beurkundet werden, § 2348 BGB. Dies kann zu Lebzeiten des Erblassers ebenso ein Hindernis darstellen wie die Sorge, benachteiligt zu werden. Die Pflichtteilsfrage wird auf die Zeit nach dem Erbfall verschoben.
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Die Eheleute M und F, die im zeitlichen Abstand von wenigen Monaten versterben, haben ihre Kinder A und B zu Erben eingesetzt. Sohn K wurde dadurch enterbt. K verlangt von seinen Geschwistern seinen Pflichtteil. Es entsteht Streit.
Lösung: Gemäß §§ 2303, 2317 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte nur einen Geldzahlungsanspruch. Regelungen dazu sind formfrei möglich gemäß § 779 BGB (BGH FamRZ 00, 368). Der „Pflichtteilsvergleich“ sollte möglichst sämtliche Umstände des Sachverhalts enthalten. Diese reichen von der „Feststellung des Nachlassbestands“ über „Stundungsabreden“ bis zu den Voraussetzungen für „Nachabfindungsansprüchen des Pflichtteilsberechtigten“, wenn bisher nicht dokumentierte Nachlassgegenstände bekannt werden sollten (hierzu FA-ErbR, 6. Aufl., Kap. 14 Rn. 53 ff.; weiteres Muster mit steuerrechtlichen Erwägungen bei Hannes/Mues, Formularbuch Vermögens- und Unternehmensnachfolge, 2011, S. 723 ff. Form. B2.12; Brambring/Joachim, FormBErbR, 4. Aufl., JIII7). |
Die Regelung könnte wie folgt lauten:
Musterformulierung / Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs |
Der Erbe zahlt an den Pflichtteilsberechtigten ... gem. den Feststellungen in den §§ ... dieses Vertrags bis zum … einen Betrag von ... EUR, um dessen Pflichtteilsanspruch abzugelten. Die Zahlung erfolgt zum ... auf das Konto ... bei der ... -Bank. Wird der Betrag auf dem o.g. Konto später als ... Tage nach diesem Termin gutgeschrieben, wird dieser Vergleich von Anfang an in allen seinen Bestandteilen hinfällig. |
PRAXISHINWEIS | Auch hier kann es nötig sein, nach anwaltlicher Beratung den Vertrag notariell beurkunden zu lassen. Dies unterstützt oft, dass der Vertrag akzeptiert wird. Bei einem Pflichtteilsanspruch von bis zu 155.000 EUR beträgt die Gebühr für die notarielle Beurkundung netto 708 EUR (= 2,0 Gebühr nach § 34 GNotKG). Die Vergleichsgebühr nach dem RVG beläuft sich gem. Nr. 1000 VV RVG (1,5 Gebühr) auf netto 2.637 EUR, § 13 RVG Abs. 1 S. 2 RVG. |
Weiterführender Hinweise
- Zu rechtlichen und steuerrechtlichen Fragen rund um die Honorierung von Pflegeleistungen, SR 14, 157