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· Fachbeitrag · Betreuerpflichten

Berufsbetreuer muss prüfen, ob er für die von ihm betreute Person Rente beantragen muss

| Berufsbetreuer müssen Renteninformationen des Betreuten beim zuständigen Träger einholen. Sie müssen ferner eine Erwerbsminderungsrente beantragen, wenn sie dem Betreuten zusteht, so das LG Bonn. Löst ein neuer Betreuer den „alten“ ab, gilt für ihn dieselbe Pflicht. Allerdings ist ihm dann ein Zeitraum zuzugestehen, sich in die Unterlagen des Betreuten einzuarbeiten. |

 

Sachverhalt

Der Kläger war als Schwerbehinderter anerkannt (GdB 100) und wurde von 2012 bis 30.12.13 von einer Anwältin als Berufsbetreuerin betreut. Anschließend war vom 31.12.13 bis 22.3.15 ein neuer Berufsbetreuer bestellt worden. Seit dem 23.3.15 wiederum war der Prozessbevollmächtigte des Klägers dessen Berufsbetreuer.

 

Dieser machte gegen die vorherigen Betreuer Schadenersatz geltend. Beide hätten ihre Betreuerpflichten verletzt, da sie für den Kläger keine Erwerbsminderungsrente beantragt hätten. Dies hatte der Bevollmächtigte nun nachgeholt. Tatsächlich lagen die Voraussetzungen für den Rentenbezug bereits seit dem 31.10.13 vor. Gemäß § 99 SGB VI konnte die volle Erwerbsminderung jedoch nur rückwirkend zum 1.7.15 erreicht werden. Für den Differenzzeitraum wird daher Schadenersatz verlangt.

 

Die Anwältin (Beklagte zu 1) wies die Ansprüche zurück, für den anderen Berufsbetreuer (Beklagter zu 2) meldete sich zunächst ein Haftpflichtversicherer. Auf Basis einer fiktiven Rentenberechnung klagte der Kläger schließlich die entgangenen Rentenzahlungen für den Zeitraum November 2013 bis März 2014 von beiden Beklagten als Gesamtschuldner, sowie für die Zeit von Juli 2014 bis Juni 2015 von dem Beklagten zu 2 allein ein. Das LG entsprach der Klage fast vollständig (23.8.18, 19 O 149/16, Abruf-Nr. 210070).

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat aus § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 1833 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf Zahlung von 1.073,72 EUR Schadenersatz, da ihm im Zeitraum November 2013 bis einschließlich Februar 2013 Erwerbsminderungsrente in dieser Höhe entging. Die Beklagte zu 1 war für den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ als Berufsbetreuerin bestellt worden. Als solche war sie verpflichtet, rechtzeitig eine Erwerbsminderungsrente für den Kläger zu beantragen.

 

Dass der Arbeitgeber der Betreuerin einen falschen Beschäftigungsbeginn des Klägers nannte, entlastet die Betreuerin nicht. Rechtssichere Angaben zu möglichen Rentenanwartschaften erteilt nur der zuständige Rentenversicherungsträger.

 

Auch der Beklagte zu 2 war verpflichtet, mögliche Rentenansprüche zu prüfen. Er wurde zu Schadenersatz in Höhe von 6.442,98 EUR verurteilt. Allerdings war ihm eine angemessene Frist zuzugestehen, die Unterlagen des Klägers zu sichten und zu prüfen. Eine sofortige Verschuldensüberlagerung nachdem er die Betreuung übernommen hat, wäre unangemessen. Das LG wies die Klage daher bezüglich Schadenersatz für die im Monat Juni 2015 entgangene Erwerbsminderungsrente ab.

 

 

Relevanz für die Praxis

Betreuer müssen mögliche Rentenansprüche bzw. Wartezeiten ihrer Betreuten prüfen, wenn Ihnen der Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ übertragen wird. Berufsbetreuer bzw. wie hier eine Fachanwältin für Familienrecht sind insoweit erfahren und müssen an mögliche Rentenansprüche denken. Eine betreute Person kann allerdings nicht erwarten, dass der Betreuer bereits schon in den ersten Tagen alle ihre relevanten Belange und Aufgaben genau überblickt und notwendige Maßnahmen einleitet.

 

PRAXISTIPP | Eine Rentenauskunft ist leicht und schnell zu beantragen. Anwälte und Berufsbetreuer können dies auch direkt tun, nachdem sie als Berufsbetreuer bestellt wurden. Sobald Sie sich legitimieren können, spricht nichts dagegen, vorsorglich eine Rentenauskunft zu beantragen bzw. Rentenansprüche zu prüfen, um schnell Gewissheit zu haben, ob eine Erwerbsminderungsrente verlangt werden kann. Den Arbeitgeber als Informationsquelle können und müssen Sie gänzlich außen vor lassen. Nur die Auskunft des Rentenversicherungsträgers ist rechtssicher und führt zur Enthaftung des Betreuers.

 

Weiterführende Hinweise

  • Gericht muss Vorwürfen gegen den potenziellen Betreuer nachgehen, SR 19, 57
  • Rechtsmittel des Bevollmächtigten gegen die Betreuerbestellung, SR 19, 74
Quelle: Ausgabe 08 / 2019 | Seite 131 | ID 46011838