· Fachbeitrag · Pflegefehler
Dekubitus: Nicht immer sicher beherrschbar
von RAin Henriette Nehse, armedis Rechtsanwälte, Hannover
| Das Auftreten eines Dekubitus kann nicht grundsätzlich dem Bereich zugeordnet werden, der vom Pflegeheim voll beherrscht werden kann. Dies gilt zumindest für Patienten mit bestimmten Risikofaktoren. |
Sachverhalt
Die Klägerin ist Ehefrau des verstorbenen Patienten. Dieser war im Seniorenzentrum der Beklagten untergebracht. Der adipöse Patient litt unter schwerer Demenz, einer insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Hypertonie sowie einem Prostatakarzinom. Der Hausarzt wies die Beklagte wegen der Erkrankungen auf das Risiko eines Dekubitus hin. Die Beklagte bewertete zweimal das Dekubitus-Risiko. Da der Patient zu Anfang noch mobil war, kam sie zu dem Ergebnis, dass dieses zu anfangs „gering“ sei.
Nachdem der Patient zwei Tage lang im Bett verbracht hatte, stellte das Pflegepersonal am 27.2.11 einen 3 x 3 cm großen Hautdefekt am Gesäß des Patienten fest. Sodann eingeleitete Lagerungsmaßnahmen konnten eine Ausdehnung des Wundzustands nicht verhindern. Am 28.2.11 wurde im Krankenhaus der Dekubitus operativ versorgt. Der Patient wurde anschließend mit fortbestehendem Dekubitus in das Heim der Beklagten zurückverlegt. Trotz pflegerischer Maßnahmen musste er in der Folgezeit wegen neuer Infektionen bei Dekubitus wieder im Krankenhaus behandelt werden. Am 19.4.11 erfolgte die Zurückverlegung in das Heim der Beklagten, wo er am selben Tag verstarb. Die Klage der Ehefrau auf Schadenersatz und Schmerzensgeld blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis
Das OLG Hamm (9.9.15, I-3 U 60/14, Abruf-Nr. 146353) stellt fest, dass gegen Pflegestandards verstoßen wurde. Mit Eintritt der Bettlägerigkeit des Patienten sei keine eine Neubewertung des Dekubitusrisikos vorgenommen und in deren Konsequenz Lagerungsmaßnahmen ergriffen worden.
Allerdings ‒ so das OLG ‒ habe die Klägerin nicht bewiesen, dass auch rechtzeitige Lagerungsmaßnahmen den Dekubitus mit Gewissheit verhindert hätten. Das Gericht folgte dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens. Danach lässt sich ein Dekubitus auch durch eine ordnungsgemäße Lagerung nicht immer vermeiden. Zumindest nicht bei Patienten mit schwerer Demenz. Hier kam neben der schweren Demenz als weiterer Risikofaktor auch das Prostatakarzinom hinzu.
Für die Ursächlichkeit zwischen den unterlassenen Lagerungsmaßnahme und dem Dekubitus greift zugunsten der Klägerin keine Beweislastumkehr ein. Denn der hier festgestellte Pflegefehler können nicht als grob bewertet werden. Das Gericht stellte insbesondere fest, dass die Entwicklung des Dekubitus für das Pflegepersonal nicht zu einem früheren Zeitpunkt erkennbar gewesen sei. Ein solcher könne sich innerhalb nur weniger Stunden entwickeln.