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· Fachbeitrag · Zutrittsrecht

Wohnheimbewohner dürfen selbst entscheiden, wem sie Zutritt zur Wohnanlage gewähren

von RAin Sybille Meier, FAin für Medizinrecht und Sozialrecht, Kanzlei für Seniorenrecht, Erbrecht und Betreuungsrecht, Berlin

| Alle Mitbewohner einer Wohngemeinschaft oder Wohnheims üben gleichrangig das Hausrecht aus. Jeder Mitbewohner kann im Regelfall alleine darüber entscheiden, wem Zutritt zu den Gemeinschaftsräumen gewährt wird. Die Grenze der individuellen Ausübung des Hausrechts liegt in der Zumutbarkeit des Aufenthalts eines Dritten für die Mitbewohner. |

 

Sachverhalt

In einer Wohngemeinschaft leben elf pflegebedürftige Menschen. Einem angekündigten Hausbesuch durch die Heimaufsichtsbehörde stimmten acht Bewohner ausdrücklich über ihre Betreuer zu. Nur eine Bewohnerin stimmte dagegen. Der Pflegedienst verweigerte daraufhin der Heimaufsichtsbehörde, die betreute Wohngemeinschaft zu betreten. Er verwies dabei auf das Hausrecht der Bewohner. Es sollten u. a. die Gemeinschaftsräume der Seniorenwohngemeinschaft geprüft werden.

 

Das AG verurteilte die Geschäftsführerin des Pflegedienstes (eine GmbH), wegen einer Ordnungswidrigkeit i. S. d. § 31 S. 2 Nr. 2 Wohnteilhabegesetz (WTG - Berlin) wegen Vereitelung einer anlassbezogenen Prüfung der Einrichtung durch die Heimaufsichtsbehörde. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte vor dem KG keinen Erfolg (KG 1.2.16, 3 Ws (B) 29/16, 3 Ws 29/16 - 162 Ss 137/15, Abruf-Nr. 186245).

 

Entscheidungsgründe

Bei einer betreuten Wohngemeinschaft werden meistenteils mindestens zwei Verträge abgeschlossen:

 

  • Ein Mietvertrag über das von dem Bewohner bewohnte Zimmer, der gleichzeitig die Mitnutzung von Gemeinschaftsräumen beinhaltet und
  • ein Pflegevertrag, in dem Pflegeleistungen zugunsten des betreffenden Bewohners vereinbart sind.

 

Grundsätzlich hat der Mieter in seiner gemieteten Wohnung das Hausrecht und zwar auch gegenüber dem Vermieter/Eigentümer. Das Besuchsrecht gehört zum Kern des Nutzungsrechts an der Wohnung und es ist Sache des Mieters, eigenverantwortlich zu bestimmen, wem er Zutritt zu seinen Räumlichkeiten gewähren will. Erteilt ein Vermieter einem Besucher des Mieters Hausverbot, liegt ein unzulässiger Eingriff in Mieterrechte vor.

 

Bei einer Wohngemeinschaft - wie hier - steht dementsprechend dem Bewohner das Hausrecht an den Räumen zu, die ihm zur alleinigen Nutzung vom Vermieter überlassen wurden. Bei den Gemeinschaftsräumen kann grundsätzlich jeder Mitberechtigte entscheiden, wem Zutritt zu gestatten ist.

 

Beachten Sie | Allerdings kann sich ein Mitbewohner zur Wehr setzen, wenn der Aufenthalt eines Dritten in den Gemeinschaftsräumen unzumutbar ist. Um zu beurteilen, was zumutbar ist, muss eine Interessenabwägung stattfinden. Sie muss sowohl das Recht des Mitbewohners, im privaten Bereich ungehindert Besucher empfangen zu können, als auch das Recht eines anderen, in seiner Privatsphäre vor unliebsamen Störern geschützt zu werden, berücksichtigen.

 

Stationäre Einrichtungen oder betreute Wohngemeinschaften unterliegen in bestimmten Abständen Regelprüfungen oder anlassbezogenen Prüfungen; letztere erfolgen meist - so auch hier - aufgrund von Beschwerden. Eine Prüfung von Einrichtungen und Seniorengemeinschaften entspricht dem sozialgesetzlichen Leitbild und dient darüber hinaus dem Interesse und Schutz der Heimbewohner. Die Ermöglichung des Zutritts der Aufsichtsbehörde war somit auch zumutbar für die Mitbewohnerin, die diesen nicht bewilligt hatte.

 

Vor diesem Hintergrund ist das gegenüber der Aufsichtsbehörde erteilte Hausverbot der Geschäftsführerin des Pflegedienstes eine willkürliche und offensichtlich rechtswidrige Beschränkung der Freiheitsrechte der Mitbewohner. Erkennbar ging es der Geschäftsführerin nicht um eine Wahrung der Interessen der widersprechenden Mitbewohnerin, sondern allein und ausschließlich um eine Vereitelung der Kontrolle durch die Heimaufsicht.

 

Relevanz für die Praxis

Heimbewohner und ihre Betreuer sollte sich auch in anderen Fällen nicht von der Heimleitung oder dem Pflegedienst vorschreiben lassen, welchen Besuch sie empfangen können und welchen nicht. Das Hausrecht liegt klar bei dem jeweilig betroffenen Bewohner.

Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 95 | ID 44073669