Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

05.04.2016 · IWW-Abrufnummer 184891

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 15.01.2016 – 6 Ta 208/15

Keine Aufhebung bewilligter Prozesskostenhilfe allein wegen Wegfall der Erfolgsaussicht.

Hat das Gericht einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt, kann es die Bewilligung nur aufheben, wenn einer der in § 124 ZPO abschließend aufgezählten Aufhebungsgründe vorliegt.


Im Beschwerdeverfahren betr. Prozesskostenhilfe
pp.
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 15.01.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.09.2015 4 Ca 1269 b/14 -, mit dem das Arbeitsgericht seinen Beschluss, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung zu bewilligen, aufgehoben hat, wird aufgehoben.



Gründe



I. Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung.



Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen sowie um Zahlung. Mit Beschluss vom 22.12.2014 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger für seine Klage Prozesskostenhilfe zur Nullrate unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Nachdem der Kläger im Rahmen der vom Arbeitsgericht vorgesehenen Beweisaufnahme keine Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben und eine ärztliche Begutachtung verweigert hatte, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 17.09.2015 die Bewilligung der Prozesskostenhilfe einschließlich der Rechtsanwaltsbeiordnung ab dem 17.09.2015 aufgehoben. Gegen diesen ihm am 21.09.2015 zugestellten Beschluss hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 01.10.2015 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt (Nichtabhilfebeschluss vom 22.10.2015).



II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.



1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist statthaft. Der Kläger hat sie gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 und 2, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist mit am 01.10.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten frist- und formgerecht erhoben.



2. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist in der Sache begründet. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der dem Kläger bewilligten Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Deshalb ist der die bewilligte Prozesskostenhilfe aufhebende Beschluss des Arbeitsgerichts seinerseits aufzuheben.



a. Die Fälle, in denen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, sind in § 124 ZPO geregelt. Die Voraussetzungen beruhen auf dem Grundgedanken, dass einer Partei der Vorteil der Prozesskostenhilfe nicht erhalten bleiben soll, wenn sie die Bewilligung erschlichen hat (Abs. 1 Nr. 1 und 2), die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen im Bewilligungszeitpunkt nicht vorgelegen haben (Abs. 1 Nr. 3), wesentliche Verbesserungen der wirtschaftlichen Situation oder die Änderung ihrer Anschrift schuldhaft unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat (Abs. 1 Nr. 4) oder die Partei anhaltend ihre Verpflichtungen nicht erfüllt (Abs. 1 Nr. 5). Daneben eröffnet § 124 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit der Teilaufhebung für bestimmte Beweiserhebungen, die sich im Prozess- oder Verfahrensverlauf nachträglich als nicht erfolgversprechend oder mutwillig herausstellen. Die Aufhebungsgründe sind in § 124 ZPO abschließend aufgezählt; die Prozesskostenhilfe darf deshalb nur aufgehoben werden, wenn einer dieser gesetzlichen Gründe festgestellt wird (OLG Koblenz, 11.08.2008 - 1 W 342/08 -; OLG Köln, 20.02.2003 - 14 WF 21/03 -). Das Gesetz sieht nur in bestimmten Fällen eine Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor. Das Vertrauen der Partei auf den Bestand der Prozesskostenhilfebewilligung wird geschützt, so dass andere Gründe für eine Aufhebung nicht herangezogen werden können (so ausdrücklich OLG Köln aaO; Zöller/Geimer, ZPO, Rdn. 2 zu § 124 ZPO; Groß, BerH/PKH/VKH § 124 ZPO Rdn. 37).



b. Keiner der im Gesetz genannten Aufhebungsgründe liegen hier vor.



aa. Der Kläger hat die Bewilligungsvoraussetzungen nicht im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgetäuscht. Eine unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses kann ihm nicht vorgeworfen werden. Vielmehr hat er durch sein Verhalten im Prozess die Erfolgsaussichten seiner Klage verschlechtert.



bb. Auf andere als die genannten Aufhebungstatbestände lässt sich die Aufhebung der Bewilligung nicht stützen. Das gilt auch, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - im Laufe des Verfahrens durch Zutun der Parteien die Erfolgsaussichten verändern. Das Arbeitsgericht ist an die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung grundsätzlich gebunden. Es kann im weiteren Verlauf des Verfahrens auch bei geänderter Sachlage, etwa nach Durchführung oder Scheitern einer Beweisaufnahme, nicht erneut in eine Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen eintreten. Auf die umstrittene Frage, welcher Beurteilungszeitpunkt für die erstmalige Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugrunde zu legen ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Folglich konnte das Arbeitsgericht die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nicht damit begründen, der Kläger habe durch sein prozessuales Verhalten (unterlassene Schweigepflichtsentbindung usw.) die Durchführung der Beweisaufnahme unmöglich gemacht und so zu verantworten, dass er mit seiner Klage teilweise unterlegen ist.



III. Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben mit der Folge, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Kläger weiterhin gilt.

Vorschriften§§ 78 Satz 1 ArbGG, 567 Abs. 1, 2, 569 Abs. 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO, § 124 ZPO, § 124 Abs. 2 ZPO, § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO