16.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188732
Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 21.07.2009 – 1 Sa 211/08
1. Die Anwendung des § 87 c HGB beschränkt sich auf reine Provisionsansprüche. Sie ist auf "Umsatzprovisionen" nicht übertragbar.
2. Der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung dient der Durchsetzung der Vollständigkeit der Auskunft.
3. Zum Verhältnis von Auskunft und Versicherung.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 15. Mai 2008 - 7 Ca 207/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Durch Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 29. April 2004 - 7 Ca 694/03 - war die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft über einen bestimmten Umfang von Geldeingängen zu erteilen, für welchen der Kläger Zahlung einer Umsatzprovision verlangt. Der Kläger begehrt nunmehr auf der zweiten Stufe die Versicherung, dass die ihm erteilte Auskunft richtig und vollständig erfolgte.
Die Auseinandersetzung steht vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Mü.. Nach deren Insolvenz war Rechtsanwalt R. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Mü. eingesetzt, welche 100% der Geschäftsanteile der Beklagten hielt. Außerdem wurden die Rechtsanwälte R. und W. als Verwalter von je vier Regionalgesellschaften der Mü. eingesetzt. Mit Vereinbarung vom 6. Juni 2002 beauftragten die Insolvenzverwalter die Beklagte mit der Einziehung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen der von ihnen vertretenen Gesellschaften bis zum Ende des Jahres 2002. Gleichzeitig verpflichteten sich die Verwalter Lohn- und Nebenkosten der Beklagten zu übernehmen, wie auch eine dem Erfolg angemessene Provision zu zahlen. Nach einem Gesprächsprotokoll aus Mitte Juni 2002- Einzelheiten sind streitig - sollten die Führungskräfte von M. an der Provision beteiligt werden.
Mit befristetem Vertrag vom 27. Juni 2002 wurde der Kläger bei der Beklagten vom 1. Juli 2002 bis - bei einmonatiger Verlängerung - zum 31.Januar 2003 angestellt. Als Vergütung wurde ein Monatsgehalt von 2.550,00 EUR vereinbart. Am 16.8.2002 kam es zu einem "Meeting", an welchem der damalige Geschäftsführer der Beklagten, H.M., und fünf weitere Mitarbeiter der Beklagten, auch der Kläger teilnahmen. Nach den dort getroffenen Absprachen sollte der Geschäftsführer der Beklagten 40%, der Kläger 7% der zu erwartenden Provision erhalten. Die Provisionsstaffel reichte von 1 - 3,5% der Eingänge, die Erwartung bewegte sich von 10 Millionen bis über 25 Millionen EUR. Mit Schreiben vom 23. September 2002 teilte der Geschäftsführer mit, "dass Sie aufgrund Ihrer engagierten Tätigkeit bei M. eine zusätzliche Vergütung zum 31.12.2002 erhalten. Dieser Anspruch beläuft sich auf 7% der im Rahmenvertrag von M. vereinbarten Provisionssumme." Der Kläger erhielt mit Abrechnung des Dezembergehalts eine Bonuszahlung von 10.414,10 EUR. Auf seine Anfrage vom 3. Februar 2003 erhielt er vom inzwischen gewechselten Geschäftsführer St. als Antwort, dass "die endgültige Abrechnung der Provision... noch nicht vorliegt."
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 7. März 2003 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Stufenklage gewehrt. Im Wege der Klagehäufung mitverfolgte Ansprüche gegen eine M. Consulting International i. G. und eine T.W. Partner VerwaltungsGmbH hat der Kläger im Rahmen der Güteverhandlung am 17.4.2003 zurückgenommen, so dass sich das Auskunftsbegehren gegen die Beklagte als Arbeitgeberin und den Alleingesellschafter Rechtsanwalt R. gerichtet hat. Auch inhaltlich hat der Kläger auf Hinweis des Gerichts sein Begehren umgestellt. Der Antrag in erster Stufe lautete zuletzt, " die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, welche Geldeingänge die Beklagte zu 1) im Zeitraum vom 1.7.2002 bis zum 31.12.2002 für die Insolvenzverwalter R. und W. auf Grund der geschlossenen Vereinbarung vom 6.6.2002 eingezogen hat, durch Erteilung eines Bucheinzuges nach § 87 c HGB, differenziert nach den jeweiligen Regionalgesellschaften."
Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag auf erster Stufe im Hinblick auf die Arbeitgeberin, die Beklagte, entsprochen, im Hinblick auf den Gesellschafter R. abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, diese dann mit Schriftsatz vom 2. Juni 2004 zurückgenommen. Der Kläger hat den die Klage abweisenden Teil des Urteils vom 29. Januar 2005 hingenommen.
Schon mit Schriftsatz vom 29.1.2004 hatte die Beklagte zur Höhe der Einnahmen Stellung genommen. Sie führte aus, die Steuerberater K. & K. aus K. überwachten die Geldeingänge. Für die von Rechtsanwalt R. verwalteten Regionalgesellschaften ergebe sich ein kumulierter Zahlungseingang im 2. Halbjahr 2002 in Höhe von 14.007.851,00 EUR, für Rechtsanwalt W. ein Zahlungseingang von 8.033.316,69 EUR. Diese Zahlungseingänge seien "vorläufig ermittelt, sie werden noch um Geldeingänge bereinigt werden müssen, die nicht mit der Beklagten zu 1) in Zusammenhang stehen, so dass die Beträge wohl noch nach unten zu korrigieren sein werden" (Blatt 104 GA). Nach Beginn der Vollstreckung mit Schriftsatz vom 3. Februar 2005, teilte die Beklagte dann Anfang Februar 2005 mit, dass hinsichtlich der Regionalgesellschaft Mitteldeutschland Zahlungen in Höhe von 140.707,48 EUR eingegangen seien, für Süd 10.720,82 EUR, Rhein Main 3.605,15 EUR, Mitte 27.675,16 EUR, West 44.000,00 EUR; Norddeutschland 8.340,51 EUR und Thüringen 222.364,37 EUR
Mit Schriftsatz vom 29. August 2007 hat der Kläger die 2. Stufe des Verfahrens aufgerufen (ursprünglich 7 Ca 1649/07 dann 8 Ca 43/08 und schließlich 7 Ca 207/08). Gestützt auf den Umstand, dass Zahlungseingänge erst ab dem 24. Juli 2001 berichtet worden seien wie auf die erheblichen Diskrepanzen der Januar 2004 mitgeteilten Zahlen und der im Februar 2005 erteilten Auskunft zieht der Kläger den Schluss, die Organe der Beklagten seien nach § 259 Abs. 2 BGB zu verpflichten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, ihre Auskunft sei vollständig und richtig. Sie meint weiter, Tatsachen, die das Gegenteil belegen, seien nicht dargetan.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15. Mai 2008 - 7 Ca 207/08 -die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht weist den Kläger vorrangig auf die in § 87c HGB angelegte Möglichkeit hin, einen Buchauszug zu erstellen oder Einsicht in die Bücher der Beklagten zu nehmen. Im Hinblick auf den Tenor des Auskunftstitels deutet die Entscheidung Zweifel an, ob die Beklagte (bzw. deren Organe) subjektiv auf einen bestimmten Umfang festzulegen sei. Dies mündet weiter in Zweifel an der Feststellung, ob die Auskunft überhaupt vollständig sei. Die Entscheidung ist dem Kläger am 23.Mai 2008 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die Berufung, die am 16. Juni 2008 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist und nach Verlängerung der Begründungsfrist zum 21. August 2008 mit an diesem Tage bei dem Berufungsgericht eingereichtem Schriftsatz begründet worden ist.
Der Kläger meint, sein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung könne nicht durch handelsrechtliche Spezialvorschriften verdrängt werden. Er wiederholt seinen Vortrag zu den widersprüchlichen Angaben der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt - 7 Ca 207/08 - die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft an Eides Statt zu versichern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt im Ergebnis die erstinstanzliche Entscheidung.
II.
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung führt nicht zu einem dem Kläger günstigem Ergebnis.
Der Berufungsantrag ist auszulegen. Der Kläger begehrt nach dem Wortlaut des Antrags die Versicherung der Richtigkeit der "unter dem 6.10.2004 erteilten Auskunft". Unter diesem Datum ist für den vorliegenden Sachverhalt aufgrund des Vortrags der Parteien eine Auskunft nicht festzumachen. Ausweislich des die 2. Stufe einleitenden Schriftsatzes vom 29. Juli 2007 hat die Beklagte mit Schreiben vom 3. Februar 2005 den Kläger informiert. Entsprechend wurde die Mitteilung nebst Anlage auch an das Gericht weitergereicht (Bl 196 - 204 der GA). Die Entwicklung deutet darauf hin, dass erstmals die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Erfurt das Datum "6.10.2004" in den hier streitgegenständlichen Sachverhalt eingewoben hat. Dabei handelt es sich dann aber um eine Anlehnung an den Tatbestand der Entscheidung einer anderen Kammer, nämlich des Urteils vom 6. Dezember 2007, 2 Ca 1638/07. Dort ist im Hinblick auf einen P.M. von einer im Oktober 2004 erteilten Auskunft die Rede. Es erscheint aber eindeutig, dass der Kläger nur die Richtigkeit der ihm selbst erteilten Angaben versichert wissen will. Damit ist die Falschbezeichnung im Antrag unschädlich, der Wille der Prozesspartei kann ohne Zweifel ermittelt werden.
Die Klage ist weiter - entgegen der insoweit anscheinend abweichenden Auffassung des Arbeitsgerichts - zulässig.
Die Zweifel des Arbeitsgerichts am Rechtsschutzbedürfnis einer Klage auf Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB greifen nicht durch. Die Rechtsbehelfe nach § 87 c HGB stehen dem Kläger nicht zur Verfügung. Zutreffend hat das Arbeitsgericht hier erkannt, dass im Recht des Handelsvertreters eine differenzierte Ausgestaltung zur Vorbereitung der Durchsetzung von Provisionsforderungen besteht. Neben der Erteilung des Buchauszugs durch den Prinzipal gibt es die Möglichkeit weitergehender Mitteilung und der Bucheinsicht, § 87c Abs. 3 und 4 HGB. Die eidesstattliche Versicherung ist demgegenüber in diesem Bereich nur entsprechend anwendbar (vgl. etwa: MünchenerKommentar HGB/ v. Hoyningen-Huene, 2. Auflage, § 87 c Rn. 65). Prinzipiell ist § 87 c HGB auf die Beziehung zwischen dem selbständigen Handelsvertreter und einem anderen Kaufmann zugeschnitten.
Allerdings ist über § 65 HGB auch eine Anwendung für den Handlungsgehilfen, also für den kaufmännischen Angestellten wie etwa den Kläger eröffnet (vgl. Oetker/ Kotzian-Marggraf HGB, § 65 Rn. 16). Dabei ist die Möglichkeit allerdings aufgrund der strukturellen Unterschiede der kaufmännischen Tätigkeit des Handelsvertreters einerseits und der Tätigkeit eines Arbeitnehmers andererseits nicht frei von Komplikationen (vgl. BAG DB 1964, 1066). Zudem beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 65 HGB auf Provisionen im engeren Sinne (MüKO-HGB/ v.Hoyningen-Huene HGB, 2. Aufl. § 65 Rn. 6). Vorliegend hat der Kläger einen Anspruch auf Umsatzprovision geltend gemacht, knüpft also in der Berechnung nicht nur an der eigenen Leistung, sondern am Akquisitionsergebnis aller Mitarbeiter der Beklagten an. In diesem Fall ist der Zugriff auf § 65 HGB und damit auch auf § 87c HGB verschlossen (vgl. Diller in: Hensseler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht-Kommentar, 3. Auflage, § 65 HGB Rn. 4; Boecken in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 65 Rn. 7.).
Zudem führt die Möglichkeit dieser speziellen Informationsverschaffung über § 87 c HGB auch nicht zum Vorrang dieser Ansprüche vor dem Anspruch auf Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB. Dieser ist im Arbeitsrecht als konsequente Fortsetzung des allgemeinen, aus § 242 BGB abgeleiteten (Erfurter Kommentar/ Preis, 9.Aufl., § 611 Rn. 633) Auskunftsanspruchs direkt aus der im allgemeinen Schuldrecht geregelten Norm zu entnehmen. Unabhängig von dieser Aufwertung des Anspruchs besteht zwischen den verschiedenen Rechten des Auskunftsberechtigten keine Rangordnung. Da die Gestaltung der Auskunft im Ermessen des Schuldners liegt, ist ein Bedürfnis des Gläubigers, hier eine Ergänzung oder Verifizierung zu verlangen, nicht von der Hand zu weisen. Die verschiedenen Möglichkeiten, auf eine erteilte Auskunft aufzubauen, stehen dabei zur Wahl des Gläubigers. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 87 c Abs. 3 und 4 HGB, nach welchem der Handelsvertreter die ihm anhand gegebenen Rechte ausüben "kann". Es steht damit in seinem Ermessen, ob er die Mitteilung weiterer Umstände oder einen Einblick in die Bücher begehrt. Zweifelt der Gläubiger wie hier der Kläger die Vollständigkeit der ihm übermittelten Daten an, kann er auch den Weg des Verlangens nach § 259 Abs. 2 BGB gehen, und dem Schuldner auferlegen, das Risiko straffälligen Verhaltens zu tragen, wenn er bei unvollständiger Auskunft deren Vollständigkeit versichert.
Der Kläger hat schon in der Klage vom 7.3.2003 zu erkennen gegeben, dass er den Weg der Stufenklage wählt. Er hat dann seinen Auskunftsanspruch modifiziert, in dem er seinen Antrag auf Erteilung eines Buchauszuges umgestellt hat. Er hat nicht Abstand genommen von der Ankündigung, in zweiter Stufe sich die Richtigkeit versichern lassen zu wollen. Eine Verdrängung des konsequent eingeschlagenen Weges, wie dies dem Arbeitsgericht vorzuschweben scheint, lässt sich nicht rechtfertigen.
Der Kläger kann auch nicht auf den Vorrang vollstreckungsrechtlicher Behelfe verwiesen werden. Zwar kann der Weg über § 887 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1475) zur Ergänzung von Angaben genutzt werden (OLG Hamm NJW-RR 1994, 489 [OLG Hamm 19.11.1993 - 29 W 105/93]). Auch sind - insbesondere im Bereich der Exequatur - Ergänzungen und Ausdeutungen eines Titels denkbar (BGHZ 32, 11 - Ost- oder Westmark). Prinzipiell hat aber auch hier der Gläubiger ein Wahlrecht (OLG Hamm MDR 1967, 770 [OLG Hamm 10.02.1967 - 15 W 185/66]; Zöller/ Stöber ZPO, 27. Aufl. § 887 Rn. 3). Zudem sind die Grenzen eines Titels in erster Linie im Erkenntnisverfahren zu bestimmen. Auch insoweit lassen sich Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis nicht begründen.
Nicht entgegen steht auch der Umstand, dass das Arbeitsgericht im Verfahren erster Stufe die Auskunft über § 87 c Abs. 1, 2 HGB begründet hat. Darin liegt keine bindende Weichenstellung. Schon die Begründung verfolgt einen "weichen" Ansatz, in welchem die Anspruchsgrundlage aus der Vereinbarung in Verbindung mit "§§ 242 BGB, 87 c HGB entsprechend" bezeichnet wird (S. 8 des Urteils vom 29.1.2004, S. 182 GA Band 2). Zutreffend meint die Begründung weiterhin, dass soweit vorliegend eine Tantiemezahlung durchgesetzt werden solle, ein Anspruch nach § 87 c HGB ausscheide (S. 9 der Gründe). Es fährt fort: "Ein Auskunftsanspruch besteht hier jedoch als vertragliche Nebenpflicht auf der Grundlage der §§ 157, 242 BGB... Der Auskunftsanspruch richtet sich gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte. Aufgrund des Mischcharakters der vorliegenden "zusätzlichen" Vergütung zwischen Tantieme und Provisionsanspruch besteht der Auskunftsanspruch inhaltlich im gleichen Maße wie der Anspruch auf Buchauszug im Hinblick auf einen Provisionsanspruch entsprechend § 87 c Abs. 2 HGB." Damit erweist sich die zuerkannte Auskunft als allgemeiner Auskunftsanspruch im Sinne des § 259 Abs. 1 BGB, der in seiner inhaltlichen Ausformung an § 87 c HGB Abs. 2 anknüpft. Das passt nicht ganz widerspruchsfrei zur Dogmatik des § 65 HGB, doch führt die Verknüpfung nicht zu einer Perplexität des Rechtsschutzbegehrens. Die handelsrechtliche Norm ist spezieller und weitergehender als § 259 Abs. 1 HGB (MüKo/ v. Hoyningen-Huene, § 87c Rn. 7). Beide Normen weisen indes tendenziell in dieselbe Richtung. Der Kläger war auf dieser Grundlage ohne Zweifel befugt, den Weg über eine Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten zu beschreiten.
Die zulässige Klage ist indes nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 259 Abs. 2 BGB liegen nicht vor. Die Beklagte hat keinen Grund zu der Annahme gegeben, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt worden sind.
Soweit der Kläger meint, die Auskunft sei unvollständig, weil sie erst mit Zahlungen ab dem 24.7.2001 einsetzt, obwohl der Auskunftszeitraum mehr als drei Wochen zuvor, nämlich am 1.7.2001 ansetzt. Aus dieser zeitlichen Lücke lässt sich deshalb wenig gewinnen, weil bei Geschäftsbesorgung der Art, wie sie bei Inkassotätigkeiten im Umfeld einer größeren Insolvenz anfallen, Anlaufzeiten und auch Perioden erfolglosen Bemühens durchaus der Erfahrung entsprechen. Damit ist der spätere Beginn von Zahlungseingängen für sich noch kein Indiz für eine mangelnde Sorgfalt bei der Fertigung der Aufstellung. Es ist dem Kläger aus seiner persönlichen Nähe zur Einziehungstätigkeit ohne weiteres möglich, jedenfalls Anhaltspunkte vorzutragen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit früher Zahlungen ergeben kann. An einer solchen Konkretisierung fehlt es. Daher genügt dieser Vortrag zur Begründung nicht.
Aber auch der Unterschied der Mitteilungen im Schriftsatz vom 29.1.2004 einerseits und der später im Februar 2005 erteilten Auskunft gibt noch keinen überzeugenden Anhalt, die Beklagte habe die ihr obliegende Pflicht nachlässig erfüllt und unvollständig geantwortet. In der Tat lässt sich auf den ersten Blick ein auffälliger Unterschied zwischen den mitgeteilten Daten feststellen. Das Schreiben aus dem Januar 2004 gelangt zu einer Summe von ca. 22 Millionen EUR, die später zur Abwendung der Vollstreckung erteilte Auskunft endet bei 457.413,59 EUR. Das auffällige Missverhältnis wird auch noch nicht dadurch plausibel, dass die Beklagte in 2004 ankündigte, die Zahlen müssten noch "nach unten" korrigiert werden.
Wenn gleichwohl kein Anhalt zur Versicherung der vorgelegten Daten im Sinne des § 259 Abs. 2 BGB besteht, so liegt dies darin begründet, dass es im streitgegenständlichen Verfahren nur um die vom Arbeitsgericht festgelegte Auskunftsverpflichtung geht. Rechtlich ist die Beklagte nur zur Versicherung der im Titel konkretisierten Pflicht anzuhalten, und diese Pflicht erweist sich als Teilverpflichtung gegenüber dem Gesamtvolumen der Tätigkeit der Beklagten für die Insolvenzverwalter. Die Beklagte ist nämlich im Ergebnis der vorzunehmenden Auslegung nur verpflichtet die Zahlungseingänge bei sich selbst mitzuteilen.
Inhalt und Umfang der konkreten Verpflichtung sind zu bewerten auf der Grundlage der in der in der ersten Stufe erfolgten Titulierung des Anspruchs auf Auskunft. Bei einer - hier vorliegenden - Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO stehen die einzelnen Stufen in einem Abhängigkeitsverhältnis. Der Weg von der Auskunft über die Versicherung zur Bezifferung kennzeichnet die Präzisierung und Konkretisierung desselben Anspruchs (Zöller/ Greger ZPO, 27. Aufl. § 254 Rn. 11). Deshalb kann die nächste Stufe nur aufgerufen werden, wenn die vorgehende Stufe rechtskräftig abgeschlossen ist (BGH NJW 02, 1042). Und es liegt auf der Hand, dass eine in der Sache umstrittene Auskunftsverpflichtung nur insoweit von einem Versicherungsanspruch begleitet wird, als rechtskräftig feststeht, dass Auskunft zu erteilen ist. Andernfalls überlappen sich nämlich der Streit um Auskunft und Versicherung hinsichtlich des nicht feststehenden Auskunftsteils in ein und demselben Verfahren. Dies widerspräche der sukzessiven Natur der Stufenklage ( Unberath, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 259 Rn. 31; Zöller/ Greger, ZPO, § 254 Rn. 11).
Der Tenor der Entscheidung des Arbeitsgerichts Erfurt vom 29.1.2004 - 7 Ca 694/03 - wird so zum Dreh- und Angelpunkt der Beurteilung der Verpflichtung der Beklagten auf der zweiten Stufe. Eine nähere Analyse dieses Titels erweist nun, dass nur ein Ausschnitt der vom Kläger für die Berechnung seines gesamten Provisionsanspruchs erforderlichen Angaben Gegenstand des Streitstoffs geblieben ist, der dann dem Urteil zugrunde gelegen hat.
Auf der ersten Stufe ist die Beklagte - über ihre Organe - verpflichtet,
"...Auskunft darüber zu erteilen, welche Geldeingänge die Beklagte zu 1) in dem Zeitraum vom 1.7. 2002 bis zum 31.12.2002 für die Insolvenzverwalter R. und W. aufgrund der geschlossenen Vereinbarung vom 6.6.2002 eingezogen hat, durch Erteilung eines Buchauszugs nach § 87 c HGB, differenziert nach den einzelnen Regionalgesellschaften."
Vor dem Hintergrund dieser Verpflichtung führen die von dem Kläger ins Feld geführten Diskrepanzen nicht mehr schlüssig zu dem Eindruck, dass die Auskunft der Beklagten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist.
Es ist zwischen den Parteien außer Streit, dass die Art der mitgeteilten Daten wie auch die Differenzierung nach Regionalgesellschaften den Anforderungen genügt. Auch sind die weiteren Festlegungen der Tätigkeit für die Insolvenzverwalter auf der Grundlage der Vereinbarung vom 6.6.2002 zweifelsfrei. Eine Einschränkung erfolgt auch noch nicht allein durch die Formulierung "eingezogen". Der Begriff der Einziehung, aus § 185 BGB abgeleitet, umfasst die Befugnis, im Namen des Gläubigers Leistung sowohl an den Gläubiger als auch an sich selbst zu verlangen (vgl. etwa: Rohe in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 398 Rn. 91 f.; Palandt/ Heinrichs, BGB, § 398 Rn. 29; Rüssmann JuS 1972, 170).
Eine Verengung des Auskunftspotentials liegt allerdings in dem Begriff "Geldeingänge". In Verbindung mit dem Begriff eingezogen führt der Wortlaut zu einer Unterscheidung von Einziehungsergebnissen zwischen Geldeingängen bei der Beklagten einerseits und Leistungen an die Insolvenzverwalter andererseits. Diese Unterscheidung macht auch insofern Sinn, als die Beklagte über Geldeingänge bei sich selbst Auskunft zu geben ohne weiteres in der Lage ist, während sie im Hinblick auf Mitteilungen über Geldeingänge bei den Insolvenzverwaltern auf deren Mitwirkung angewiesen ist.
Die einengende Auslegung wird auch vor dem Hintergrund der wechselnden Anträge des Klägers im Erkenntnisverfahren erster Stufe verständlich. Der Kläger hatte nämlich auch versucht, gegenüber einem der Insolvenzverwalter direkt, nämlich Rechtsanwalt R., einen eigenen Anspruch durchzusetzen. Diese mit dem streitgegenständlichen Anspruch verbundene Klage macht nur Sinn, wenn der Kläger davon ausgeht, neben der Auskunft seiner Arbeitgeberin auch über weitere Informationsquellen verfügen zu müssen, um die Grundlagen seiner Umsatzprovision berechnen zu können. Insoweit offenbart sich als strategische Grundlage das Ziel, Auskunft über alle relevanten Zahlungseingänge zu erlangen, aus deren Summe sich dann das Ergebnis der Einziehungstätigkeit der Beklagten ablesen ließe. Es kann hier dahinstehen, weshalb eine aus diesem Plan folgerichtig erforderlich scheinende Klage gegen den anderen Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt W., unterblieben ist. Jedenfalls hat der Kläger im Hinblick auf Zahlungseingänge bei den Verwaltern direkt einen anderen Auskunftsweg gewählt. Nach seinem Scheitern dort infolge der - inzwischen - rechtskräftigen Ablehnung eines Direktanspruchs gegen die Verwalter sind Initiativen zur Deckung dieser Informationslücke nicht mehr erkennbar geworden.
Die Kammer ist bei Auslegung des Antrags zur Ermittlung des Umfangs der Auskunftspflicht materiell-rechtlich an §§ 133, 157 BGB gebunden, allerdings unter der prozessrechtlichen Vorgabe des § 308 Abs. 1 ZPO (zur Bedeutung sogar im Hinblick auf das Beschlussverfahren BAGE 62, 104 [BAG 13.06.1989 - 1 ABR 4/88]). Entscheidend ist der objektive, dem Empfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn ( Henke ZZP 112, 436). Zwar kann die Interessenlage der Partei bei der Auslegung des Antrags mit einfließen (BGH NJW-RR 95, 1183), aber nur dort wo ein entsprechender Spielraum besteht. Deshalb mag - nach den Erkenntnissen im Verfahren der 1. Stufe - eine umfassendere Auskunftsverpflichtung der Beklagten gegenüber den zunächst angestrebten Zielen des Klägers zur Vorbereitung seiner Zahlungsklage eher gerecht werden, doch hat die Kammer auch schutzwürdige Belange des Erklärungsadressaten - hier der Beklagten - mit zu berücksichtigen (BGH MDR 2003, 1434). Nicht möglich ist es, der im Wortlaut eindeutigen Prozesserklärung im Nachhinein einen Sinn zu geben, die den Interessen des Klägers am ehesten gerecht wird (Zöller/ Greger, ZPO, § 128 Rn. 25). Im Ergebnis schuldet die Beklagte daher auf der Grundlage des Titels vom 29.1.2004 nur Auskunft über Zahlungseingänge auf ihren eigenen Bankkonten, die durch ihre Einziehungsbemühungen erreicht worden sind.
Damit umfasst die Auskunftsverpflichtung nur eine Teilmenge des Einziehungsergebnisses, die neben den Zahlungseingängen bei den beiden Insolvenzverwaltern zu sehen ist. Nicht ohne Bedeutung ist weiter der Umstand, dass geschäftlich erfahrene Schuldner öfter dem Gläubiger, aber auch dem Inkassoberechtigten die Leistung erbringen. Zusammenfassend kann der Unterschied der mitgeteilten Zahlen allein nicht mehr begründen, die Beklagte habe die Angaben nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt.
Die Kammer verkennt nicht, dass die Beklagte bei der Erteilung der geschuldeten Sorgfalt keinen besonderen Eifer an den Tag gelegt hat. Indes ist noch nicht der - für eine Zuerkennung der Verpflichtung genügende - Eindruck gesichert, sie habe sich der Auskunft entziehen wollen. Auch unter Einbeziehung aller Umstände des Verhaltens der Beklagten liegen die Voraussetzungen für eine Verurteilung nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Anhaltspunkte, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall, Abweichungen von Entscheidungen anderer Gerichte liegen nicht vor.