12.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193253
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 31.08.2016 – 11 Sa 81/16
Zur Unwirksamkeit einer sog. Altersabstandsklausel einer betrieblichen Versorgungsordnung
Tenor:
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 02.12.2015 - 2 Ca 9521/14 - wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 13.654,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 239,55 € ab dem
31.12.2011, 31.01.2012, 29.02.2012, 31.03.2012, 30.04.2012, 31.05.2012, 30.06.2012, 31.07.2012, 31.08.2012, 30.09.2012, 31.10.2012, 30.11.2012, 31.12.2012, 31.01.2013, 28.02.2013, 31.03.2013, 30.04.2013, 31.05.2013, 30.06.2013, 31.07.2013, 31.08.2013, 30.09.2013, 31.10.2013, 30.11.2013, 31.12.2013, 31.01.2014, 28.02.2014, 31.03.2014, 30.04.2014, 31.05.2014, 31.05.2014, 30.06.2014, 31.07.2014, 31.08.2014, 30.09.2014, 31.10.2014, 30.11.2014, 31.12.2014, 31.01.2015, 28.02.2015, 31.03.2015, 30.04.2015, 31.05.2015, 30.06.2015, 31.07.2015, 31.08.2015, 30.09.2015, 31.10.2015, 30.11.2015, 31.12.2015, 31.01.2016, 29.02.2016, 31.03.2016, 30.40.2016, 31.05.2016, 30.06.2016, 31.07.2016 und 31.08.2016 zu zahlen.
Ferner wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, in seiner Eigenschaft als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung beginnend mit dem September 2016 am letzten des jeweiligen Monats an die Klägerin eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 239,55 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sog. Altersabstandsklausel in einer betrieblichen Versorgungsordnung.
Die am . .1 geborene Klägerin ist die Witwe des am . .1 geborenen und am . .2 verstorbenen Herrn S . Die Ehe wurde am . .1 geschlossen. Der Beklagte ist der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung.
Der verstorbene Ehemann war in der Zeit vom 01.10.1987 bis zum 30.06.2011 beim Berufsförderungszentrum J & Co. KG angestellt. Die Arbeitgeberin firmierte mehrfach um, zuletzt trug sie den Firmennamen P GmbH.
Im Rahmen des Anstellungsverhältnisses erteilte die Arbeitgeberin Herrn S eine Versorgungszusage nach Maßgabe der Versorgungsordnung vom 01.12.1990 (VO 1990).
Die VO 1990 enthält u.a. folgende Regelung:
Wegen der weiteren Einzelheiten der VO 1990 wird auf Bl. 29 ff. d. A. Bezug genommen.
Die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft des Herrn S bei Eintritt des Versorgungsfalles zum Endalter beträgt unstreitig 465,79 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Anwartschaftsausweis vom 22.09.2011 (Bl. 27 ff. d .A.) verwiesen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 01.11.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet (Bl. 153 d. A.).
Die Altersrente des Verstorbenen beträgt bezogen auf den Todesfall am . .2 nach Darlegung des Beklagten 399,25 €.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Altersabstandsklausel gemäß § 11 Abs. 2 d) der VO 1990 verstoße gegen das AGG und gegen die Richtlinie 2000/78/EG, sie könne daher 60 % des Rentenbetrages ihres Ehemanns als Betriebsrentenzahlung verlangen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.12.2015 (Bl. 68 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Altersabstandklausel stelle keine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters dar. Eine etwaige mittelbare Benachteiligung sei durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und der Anspruchsausschluss sei zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich. Im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung sei es ein billigenswertes Ziel, wenn der Versorgungsschuldner durch eine Abstandsklausel seine finanziellen Risiken begrenzt und Rückstellungen besser kalkulierbar macht. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Gegen das ihr am 24.12.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.01.2016 Berufung eingelegt und diese am 15.02.2016 begründet.
Unter Bezugnahme und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags legt die Klägerin dar, dass die Altersabstandklausel eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters enthalte. Sowohl die Witwe als auch der verstorbene Ehemann seien benachteiligt. Die Selbstbestimmung des Ehemanns sei beeinträchtigt, da er keine angemessene Vorsorge für seine Ehefrau für die Zeit nach dem Tod habe treffen können. Ein völliger Ausschluss von Versorgungsleistungen sei unverhältnismäßig. Der Versorgungsschuldner habe die Möglichkeit, die Leistungen nach dem Alter zu staffeln oder den Beginn der Zahlungen an ein bestimmtes Alter des Hinterbliebenen zu knüpfen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
Der Beklagte beantragt,
Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen. Die Altersabstandsklausel sei allenfalls mittelbar diskriminierend. Sie sei durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Der Arbeitgeber verfolge mit der Altersabstandklausel das billigenswerte Ziel der Begrenzung der finanziellen Belastung aus der Hinterbliebenenversorgung und der besseren Kalkulierbarkeit notwendiger Rückstellungen. Er sei im Bereich der Hinterbliebenenversorgung berechtigt, die Leistung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen. Der Leistungsausschluss sei auch angemessen und erforderlich. Der Arbeitgeber müsse nur die typischen Versorgungsrisiken der Arbeitnehmer angemessen berücksichtigen. Dem genüge der Altersabstand von 15 Jahren, da dieser deutlich über dem üblichen Altersabstand von Eheleuten liege. Eine konkrete Kalkulation, mit der ein genauer Kürzungsfaktor berechnet werden könne, der die Risiken einer 15 Jahre jüngeren Ehefrau realistisch abbilde, sei mit einem sehr großen Arbeitsaufwand verbunden. Da die Hinterbliebenenrente 60 % der Rente des Versorgungsberechtigten betrage, könnte die Klägerin allenfalls 239,55 € monatlich beanspruchen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 11.02.2016 und 18.04.2016, die Sitzungsniederschrift vom 31.08.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
II. Die Berufung ist weitgehend begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenrente aus § 7 Abs. 2 BetrVG i. V. m. den §§ 11 Abs. 1, 13 VO 1990 in Höhe von monatlich 239,55 € ab dem Dezember 2011. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
1. Der verstorbene Ehegatte der Klägerin hätte zum Zeitpunkt seines Ablebens einen vom Beklagten zugestandenen Rentenanspruch aus Invalidität nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG i.V.m. § 13 VO 1990 in Höhe von 399,25 € gehabt. Durch die Begrenzungsregelung auf den Zeitpunkt des Todes kann sich die zwischen dem Versorgungsfall und dem 65. Lebensjahr fehlende Betriebstreue des Invaliden grundsätzlich zweifach anspruchsmindernd auswirken. Zum einen, wenn die dienstzeitabhängige Betriebsrente nur bis zum Eintritt des Versorgungsfalles aufsteigend berechnet wird, zum anderen weil bezogen auf das Lebensalter 65 eine ratierliche Kürzung erfolgt (vgl.: u.a.: BAG, Urt. v. 23.01.2001 - 3 AZR 164/00 - m. w .N.). Die Klägerin hat keinerlei Berechnungsgrundlagen vorgetragen, die einen rechnerisch höheren Rentenanspruch des Ehemanns als er vom Beklagten zugestanden wird, rechtfertigen. Sie hat sich lediglich auf die irrtümliche erstinstanzliche Zahlungsangabe des Beklagten zum Betriebsrentenanspruch des Ehemanns zum Zeitpunkt des Ablebens von 399,35 € bezogen. Mangels hinreichendem Vortrag der Klägerin ist demnach von einem Rentenanspruch des verstorbenen Ehemanns von 399,25 € auszugehen, so dass sich auf Basis der in der Versorgungsordnung fixierten 60 % eine Hinterbliebenenrente der Klägerin von 239,55 € ergibt.
2. Ob die Altersabstandsklausel des § 11 Abs. 2 d) VO 1990 eine unmittelbare Benachteiligung oder eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters des verstorbenen Ehemanns darstellt, kann im Ergebnis dahinstehen, da die mit der Altersabstandklausel verbundene Benachteiligung weder nach § 10 Satz 1 bis 3 AGG (unmittelbare Benachteiligung) noch nach § 3 Abs. 2 AGG (mittelbare Benachteiligung) gerechtfertigt ist und daher gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.
a) Nach bisheriger Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, die sich der beklagte zu eigen macht, waren Altersabstandsklausel im Bereich der Hinterbliebenenversorgung in einer Versorgungsordnung nicht zu beanstanden, wenn sie sich auf billigenswerte Gründe stützen konnten. Die Altersabstandsklausel begrenzt das Leistungsrisiko für den Versorgungsschuldner anhand demographischer Kriterien. Altersabstandsklauseln durften aber nicht dazu führen, dass Altersunterschiede, wie sie zwischen Ehegatten üblich sind, zu einem Leistungsausschluss führen, was bei einer Altersdifferenz von 15 Jahren nicht angenommen wurde (BAG, EuGH-Vorlage v. 27.06.2006 - 3 AZR 352/05 (A) - m. w. N.). Zudem bewirken Altersabstandsklauseln, dass die zur Verfügung gestellten Mittel auf einen kleineren Kreis von Hinterbliebenen verteilt werden. Einem hohen Altersabstand in einer Ehe ist auch immanent, dass der jüngere Ehepartner einen erheblichen Teil seines Lebens ohne den älteren Ehepartner und die an dessen Einkommenssituation gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten verbringt. Ob unter der Geltung des AGG diese Erwägungen eine Altersabstandsklausel noch rechtfertigen, ist offen (vgl.: BAG, Urt. v. 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 -).
b) Das AGG ist im Streitfall trotz der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG anwendbar, denn das Betriebsrentengesetz enthält keine Sonderreglungen zum Leistungsausschluss in der Hinterbliebenenversorgung wegen des Altersabstands der Ehegatten. Es ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar, da der verstorbene Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG in einem Arbeitsverhältnis zum insolventen Versorgungsschuldner stand.
c) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, u.a. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Für die Beurteilung, ob eine Diskriminierung vorliegt, ist auf den Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen (BAG, Urt. v. 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - m. w. N.).
d) Sieht man in der in § 11 Abs. 2 d) VO 1990 enthaltenen Anspruchsvoraussetzung, dass der Ehegatte nicht um mehr als 15 Jahre jünger ist als der verstorbene Berechtigte, eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters, weil sich das Alter einer Person nicht nur in absoluten, sondern auch in relativen Zahlen - hier dem Altersabstand zwischen den Eheleuten - ausdrückt (vgl. hierzu im Einzelnen: Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 22.05.2008 in der Rechtssache EuGH C-427/06 - Bartsch - Ziffer 97 ff.), so ist die mit der Altersabstandsklausel bewirkte Ungleichbehandlung nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.
aa) Gemäß § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Die Regelung des § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen gerechtfertigt sein können. Dies ist gemäß nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG der Fall, wenn betriebliche Versorgungssysteme an Altersgrenzen anknüpfen, sie ihrerseits angemessen und erforderlich im Sinne des § 10 Satz 2 AGG sind. Legitime Ziele im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange nur solche, die (auch) den Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen. Ausschließlich im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegende Ziele, wie z.B. Kostenreduzierung, Kalkulierbarkeit der Kostenlast, Reduzierung des administrativen Aufwands und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, können eine Diskriminierung wegen des Alters mangels legitimer Zielsetzung nicht nach § 10 Satz 1 AGG rechtfertigen. Bezweckt etwa eine sog. Spätehenklausel, die der Hinterbliebenenversorgung insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel nur einem eingegrenzten Personenkreis zukommen zu lassen, um diesem bei Eintritt des Versorgungsfalls eine Hinterbliebenenversorgung in angemessener, substantieller Höhe gewähren zu können, spricht viel dafür, dass diese Klausel durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Trotzdem ist ein vollständiger altersbedingter Ausschluss aus dem Versorgungskreis im Falle einer sog. Spätehenklausel nicht angemessen und erforderlich im Sinne des § 10 Satz 2 AGG. Er geht über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels der Begrenzung und Kalkulierbarkeit des Versorgungsaufwands notwendig ist. Der vollständige Leistungsausschluss stellt eine übermäßige Beeinträchtigung des anerkannten Interesses an der Versorgung des Ehepartners dar, welches unabhängig vom Zeitpunkt der Eheschließung besteht. Er vernachlässigt den Entgeltaspekt der betrieblichen Altersversorgung, wonach diese eine Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebstreue darstellt (BAG, Urt. v. 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - m. w. N.).
bb) Der Beklagte hat sich ausschließlich auf Rechtfertigungsziele, die nur im Interesse des Versorgungsschuldners liegen, berufen. Es gehe bei dem Leistungsausschluss in der Hinterbliebenenversorgung durch die Altersabstandsklausel darum, finanzielle Risiken unter Berücksichtigung des Zeitpunkts des Leistungsfalls und der Dauer der Leistungserbringung zu begrenzen und besser kalkulierbar zu machen. Anerkennenswerte Interessen der Beschäftigten an der Einschränkung des bezugsberechtigten Personenkreises führt er keine an. Er legt nicht dar, dass die erschwerte Prognostizierbarkeit der Versorgungslasten ohne die Altersabstandsklausel dazu geführt hätte, dass den Beschäftigten keine Hinterbliebenenversorgung zugesagt worden wäre. Er behauptet auch nicht, dass und warum mit dem Leistungsausschluss aufgrund der Altersabstandsklausel des vorliegenden Versorgungswerks der Zweck verfolgt wurde, den Leistungsberechtigten eine angemessene Hinterbliebenenversorgung in substantieller Höhe zu gewähren. Selbst wenn man jedoch auf der Basis der Argumentation des Beklagten ein legitimes Ziel an der Altersabstandsklausel anerkennen wollte, ist das gewählte Mittel des vollständigen Ausschlusses aus dem Versorgungswerk nach Auffassung der Berufungskammer nicht angemessen und erforderlich. Der Hinterbliebenenversorgung ist ein gewisses Maß an Unkalkulierbarkeit der Versorgungsrisiken immanent, denn weder der Leistungsbeginn mit dem Ableben des originären Versorgungsgläubigers noch das Leistungsende durch den Tod des Hinterbliebenen ist hinreichend bestimmbar. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass in den Einzelfällen einer Eheschließung zwischen Eheleuten mit einem Alter von mehr 15 Jahren, die nicht notwendig sog. Versorgungsehen sein müssen, eine erhebliche Finanzierungslast eintritt, die außerhalb des Dotierungsrahmens des Versorgungsschuldners liegt, sind nicht feststellbar. Soweit das Versorgungsrisiko für den Arbeitgeber unter demographischen Aspekten typisiert begrenzt werden soll, wäre auch etwa eine auf das Alter des Hinterbliebenen bezogene, gestaffelte bzw. quotierte oder eine der Dauer nach für alle Versorgungsberechtigten begrenzte Leistungsgewährung ausreichend (vgl. z.B.: Preis/Temming, NZA 2008, 1209, 1216; Preis, BetrAV 2010, 513, 515). Zutreffend hat die Generalanwältin Eleanor Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 22.05.2008 in der Rechtssache EuGH C-427/06 - Bartsch - Ziffer 121 darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Verteilung verfügbarer Mittel sich ohne Schwierigkeiten weniger extreme Möglichkeiten als der völlige Ausschluss von Hinterbliebenen vorstellen lassen, um die Kosten für freiwillige Versorgungssysteme zu begrenzen. So könne beispielsweise an jüngere Hinterbliebene eine niedrigere Leistung gezahlt werden, die unter Umständen gestaffelt sein könnte, oder die Zahlungen könnten erst beginnen, wenn die Hinterbliebenen ein bestimmtes Alter erreicht haben. Der Einwand des Beklagten, die Berechnung unter Berücksichtigung eines Kürzungsfaktors sei mit einem sehr großen Arbeitsaufwand verbunden, überzeugt die Kammer mangels substantieller Darlegung des Arbeitsaufwandes schon vom Ansatz her nicht.
e) Sieht man in der Altersabstandklausel keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters, weil die Regelung nicht unmittelbar an ein bestimmtes Lebensalter des verstorbenen Beschäftigten anknüpft, sondern an dem formalen Kriterium des Altersabstands, so bewirkt sie aber mittelbar, dass Berechtigte, die 15 Jahre älter als ihr Ehegatte sind, in ihrem Versorgungsinteresse für den überlebenden Ehegatten eine ungünstigere Behandlung als die Arbeitnehmer erfahren, die einen geringeren Altersabstand zu ihrem Ehepartner aufweisen. Hierin liegt eine mittelbare Benachteiligung, es sei denn, die Altersabstandsklausel ist durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung diese Ziels sind angemessen und erforderlich, § 3 Abs. 2 AGG. Auch bei der Annahme mittelbarer Benachteiligung erweist sich die Altersabstandsklausel jedenfalls als nicht angemessen und erforderlich, weil der vollständige Ausschluss unverhältnismäßig die Belange des Beschäftigten beeinträchtigt und wie bereits dargelegt auch eine auf das Alter des Hinterbliebenen bezogene, gestaffelte bzw. quotierte oder eine der Dauer nach für alle Versorgungsberechtigten begrenzte Leistungsgewährung ausreichend dem Aspekt der Kalkulierbarkeit und Kostenbegrenzung der Versorgungslasten Rechnung trägt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
IV. Die Revision für den Beklagten wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.