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19.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221268

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 04.01.2021 – 10 Ta 1659/20

Wenn ein Empfänger von Prozesskostenhilfe im Rahmen der Überprüfung nach § 120 a Abs. 1 ZPO Ratenzahlungen berücksichtigt sehen möchte, hat er dem Gericht Anlass und Beweggrund der Darlehensaufnahme mitzuteilen. Nur so kann überprüft werden, wie sich eine bemittelte Person in der gegebenen Situation verhalten hätte.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Beschluss vom 04.01.2021


Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 25. November 2020 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Oktober 2020 - 54 Ca 9987/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Zwischen den Parteien wurde vom 9. August 2017 bis 11. Oktober 2018 ein Rechtsstreit um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie Entgeltfortzahlungs- und Vergütungsansprüche geführt. Dieser endete mit einem Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15. September 2017 beendet wurde und der Kläger noch 514 EUR brutto und 40 EUR netto erhielt.

Am 13. März 2018 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 28. August 2017 in vollem Umfang mit der Maßgabe bewilligt, dass er aus seinem Einkommen einstweilen keine monatlichen Raten zu zahlen habe und sein Rechtsanwalt beigeordnet werde. Die Staatskasse erstattete dem beigeordneten Klägervertreter 1.094,20 EUR. An gerichtlichen Auslagen fielen 8,75 EUR an.

Am 29. März 2019 erfolgte eine Aufforderung an den Kläger, entsprechend § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO seine aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Nach einer Erinnerung vom 13. Mai 2019 übersandte der Kläger unter dem 4. Juni 2019 die entsprechenden Informationen. Nach gerichtlicher Aufforderung vom 7. Juni 2019 zur Übersendung weiterer Belege und der entsprechenden Übersendung unter dem 22. Juni 2019 verblieb es bei der Entscheidung vom 13. März 2018.

Am 30. Juni 2020 erfolgte die nächste Aufforderung an den Kläger, entsprechend § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO seine aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Nach einer Erinnerung vom 3. August 2020 übersandte der Kläger die entsprechenden Informationen unter dem 25. August 2020. Dieses veranlasste das Arbeitsgericht u.a., Kopien von Darlehensverträgen zu verlangen, die in der Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genannt waren. Dazu teilte das Arbeitsgericht mit:

Wenn die Kredite bei der Überprüfung der PKH-Bewilligung berücksichtigt werden sollen, ist weiterer Vortrag von Ihnen erforderlich. Insbesondere werden hier die Kreditunterlagen in Kopie benötigt und die Angabe, wofür Sie den Kredit aufgenommen haben.

In der Beantwortung dieses Schreibens übersandte der Kläger die Darlehensverträge in Kopie und teilte mit, dass nach der Rechtsprechung des LAG Hamm (5 Ta 101/18 vom 25. April 2018) Darlehen im Überprüfungsverfahren nur dann nicht zu berücksichtigen seien, wenn sie vollkommen unangemessen seien.

Mit Schreiben vom 30. September 2020 teilte das Arbeitsgericht mit, dass die Raten, die an den Otto-Versand zu zahlen seien, keine Berücksichtigung finden könnten, da es sich nicht um dringend notwendige Anschaffungen gehandelt habe. Der Kredit bei der ...bank könne nicht berücksichtigt werden, da nicht ersichtlich sei, wozu dieser Kredit aufgenommen worden sei. Da sich die Einkommensverhältnisse des Klägers bereits seit Juni 2019 deutlich verbessert hätten, sei beabsichtigt, eine Raten-Anordnung ab Juli 2019 festzusetzen.

Nachdem eine Reaktion des Klägers auf dieses Schreiben nicht erfolgte, beschloss das Arbeitsgericht am 23. Oktober 2020, dass der Kläger monatliche Raten in Höhe von 104 € seit Juli 2019 zu zahlen habe.

Gegen diesen am 30. Oktober 2020 dem Klägervertreter zugestellten Beschluss erhob der Kläger am 25. November 2020 sofortige Beschwerde. Der Kläger verwies auf seine Angaben vom 25. September 2020 und die bereits zitierte Rechtsprechung des LAG Hamm vom 25. April 2018. Die Darlehen des Klägers seien nicht vollkommen unangemessen. Die Raten der Darlehensverträge seien daher zu berücksichtigen. Die Anordnung der Ratenzahlung sei deshalb rechtswidrig und aufzuheben.

Unter dem 2. Dezember 2020 teilte das Arbeitsgericht insbesondere mit:

...

werden in Ihrer Beschwerdeschrift vom 25.11.2020 keine neuen Tatsachen vorgebracht, die eine Änderung der Entscheidung rechtfertigen.

Der Kläger wurde mit Schreiben des Gerichts vom 30.09.2020 aufgefordert, die Notwendigkeit der Kreditaufnahme bei der ...bank darzulegen. Dieser Bitte kam er bis heute nicht nach. Dass entgegen der Auffassung des Gerichts, wonach die Anschaffungen beim Otto-Versand (TV 837,08 Euro, Smartphone 766,34 Euro, weiteres Smartphone 462,98 Euro) nicht als notwendig anerkannt werden, etwas anderes gelten könnte, wurde von Ihnen ebenfalls nicht vorgebracht.

Auch die von Ihnen angeführte Entscheidung lässt es auf die Notwendigkeit der nach Prozesskostenhilfebewilligung aufgenommenen Verbindlichkeiten ankommen. Ein Vortrag zur Notwendigkeit ist daher von Nöten. Entsprechendes bitte ich bis spätestens 21.12.2020 nachzuholen, da andernfalls der Beschwerde nicht abgeholfen werden kann. Die Akte wäre dann dem Beschwerdegericht zur abschließenden Entscheidung vorzulegen.

Nachdem auf dieses Schreiben keine Reaktion mehr erfolgte, beschloss das Arbeitsgericht, der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abzuhelfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorzulegen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers ist gemäß §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Deshalb war sie zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die bewilligte Prozesskostenhilfe zu Recht geändert. Nach § 120a Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ändern, wenn sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Das ist hier eindeutig gegeben. Die entsprechende Berechnung in dem Beschluss vom 23. Oktober 2020 hat der Kläger dem Grunde nach nicht beanstandet.

Der Kläger hat lediglich mitgeteilt, dass nach seiner Ansicht mehrere Ratenzahlungen einkommensmindernd zu berücksichtigen seien. Im Grunde zutreffend hat der Kläger dazu auf die Rechtsprechung des LAG Hamm in dem Beschluss vom 25. April 2018 (5 Ta 101/18) verwiesen. Anders als der Kläger meint, hat das LAG Hamm jedoch nicht entschieden, dass nur "vollkommen unangemessene Darlehen" außer Betracht zu bleiben hätten. Das LAG Hamm hatte vielmehr zutreffend auf eine Einzelfallprüfung abgestellt. Konkret heißt es in dem Beschluss:

Nach Auffassung der Beschwerdekammer sind die neu, während des Bewilligungszeitraumes für Prozesskostenhilfe begründeten Verbindlichkeiten notwendige Verbindlichkeiten, die auch während des Überprüfungszeitraumes zu Recht erfolgen durften.

Grundsätzlich gilt, dass es der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nicht während des gesamten Überprüfungszeitraumes verwehrt ist, Darlehensverpflichtungen zu begründen. Anders als im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren, in dem die Neubegründung von Darlehensverbindlichkeiten nach Klageerhebung nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden darf, ist im Überprüfungsverfahren ein großzügigerer Maßstab geboten. Die hilfsbedürftige Partei ist nicht verpflichtet, während des gesamten Vier-Jahres-Zeitraums des § 120 a Abs. 1 Satz 4 ZPO ihre private Lebensführung allein danach auszurichten, nach Möglichkeit entstandene Prozesskosten nachträglich zu begleichen. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob die fragliche Kreditaufnahme angemessen erscheint, und ob sich eine Person, die nicht dem Überprüfungsverfahren nach § 120 a Abs. 1 ZPO unterliegt, in einer vergleichbaren Situation zu der Kreditaufnahme entschlossen hätte (LAG Hamm, Beschluss vom 04.09.2015, 5 Ta 441/15, n.v.; vom 30.12.2013, 5 Ta 585/13, n.v.; LAG Hamm, Beschluss vom 30.04.2012, 4 Ta 662/11, juris; LAG Hamm, Beschluss vom 16.02.2010 - 4 Ta 131/09 - n. v.).

Nach diesen Grundsätzen waren der Kläger und seine Ehefrau berechtigt, die von ihnen begründeten Kreditverbindlichkeiten zu begründen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger bereits zwei Kinder hat und demnächst ein weiteres Kind geboren werden wird, war die Anschaffung entsprechender Kinderzimmermöbel als notwendig zu betrachten. Die Anschaffung eines neuen (gebrauchten) Fahrzeuges ist angesichts der berufsbedingten Fahrwege (einfache Anfahrt zum Arbeitsplatz 15 km) als erforderlich anzusehen, insbesondere da hierdurch der Austausch eines Fahrzeuges mit dem Baujahr 2003 erfolgte und kein Luxusfahrzeug erworben wurde.

Das LAG Hamm geht zwar zutreffend von einem großzügigeren Maßstab im Überprüfungszeitraum aus, verlangt aber dennoch wie hier auch das Arbeitsgericht eine Prüfung im Einzelfall, ob die fragliche Kreditaufnahme angemessen erscheint. Auch bei Anlegung des Prüfungsmaßstabs des LAG Hamm sind die vom Kläger zu leistenden Raten nicht zu berücksichtigen. Denn maßgeblich ist danach, ob sich eine Person, die nicht dem Überprüfungsverfahren nach § 120 a Abs. 1 ZPO unterliegt, in einer vergleichbaren Situation zu der Kreditaufnahme entschlossen hätte. Da der Kläger aber dem Arbeitsgericht trotz mehrfache Nachfrage seine Beweggründe zum Erwerb des großen Fernsehgerätes und der zwei Smartphones nicht mitgeteilt war, hat er das Arbeitsgericht (und auch das Beschwerdegericht) nicht in die Lage versetzt, derartige Vergleichsüberlegungen anzustellen.

Deshalb hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde zu Recht nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Da sich aber keine anderen Tatsachen ergaben als in erster Instanz, war die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

III.

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG rechtfertigen könnte, besteht nicht.

RechtsgebietZPOVorschriften§ 97 Abs. 1 ZPO