14.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223494
Amtsgericht Ahaus: Beschluss vom 25.01.2021 – 6 M 1988/20
Die vom vollstreckbaren Tabellenauszug erfassten Forderungen können aus dem früheren Vollstreckungstitel nicht mehr vollstreckt werden.
Amtsgericht Ahaus
Tenor:
Die Erinnerung der Gläubigerin vom 13.11.2020 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden der Gläubigerin auferlegt.
Der Verfahrenswert wird auf bis zu 500 Euro festgesetzt.
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Gründe:
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I.
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Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner wegen eines „Restbetrages“ in Höhe von 379,44 Euro ausweislich des Vollstreckungsauftrages vom 06.10.2020 aus dem vollstreckbaren Tabellenauszug des Amtsgerichts Münster vom 18.07.2017, Az: IK 66/07, lfd. Nr. 2.. Das Insolvenzgericht erteilte am 18.07.2017 eine Vollstreckungsklausel über einen Betrag in Höhe von 636,30 Euro.
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Die Gläubigerin hatte zur lfd. Nr. 2 der Insolvenztabelle einen Betrag in Höhe insgesamt 787,62 Euro aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung angemeldet. Dieser Betrag beruht auf dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg vom 03.01.2006 (Az. 05-0581685-0-8 ‒ Schadensersatz wegen vorsätzlichen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB). Er setzt sich zusammen aus dem Schadensersatzbetrag für die Zeit vom 01.09.2002 bis zum 31.10.2002 in Höhe von 642,73 Euro, Kosten des Mahnverfahrens in Höhe von 22,50 Euro sowie Zinsen auf die Hauptforderung für die Zeit vom 23.12.2004 bis zum 07.10.2007 in Höhe von 122,39 Euro. Unter dem 08.02.2008 wurde die Forderung in der vorgenannten Höhe zur Insolvenztabelle festgestellt. Der Schuldner erhob Widerspruch gegen die Eigenschaft der Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.
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Nach der zugrunde liegenden Forderungsaufstellung werden Zahlungen vom 21.01.2011 in Höhe von 96,13 Euro sowie vom 30.11.2011 in Höhe von 55,19 Euro in Abzug gebracht.
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Mit Schreiben vom 02.11.2017 forderte die Gläubigerin den Schuldner zur Zahlung der festgestellten Forderung in Höhe von 636,30 Euro auf.
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Aufgrund Zwangsvollstreckungsauftrages vom 06.10.2020 konnte der zuständige Gerichtsvollzieher einen Betrag in Höhe von 636,30 Euro sowie weitere Kosten in Höhe von 61,65 Euro einziehen und den Betrag in Höhe von 636,30 Euro an die Gläubigerin auskehren.
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Mit Schreiben vom 28.10.2020 teilte die Gläubigerin dem Gerichtsvollzieher mit, dass dieser auch den Restbetrag, der nach der dem Schreiben beigefügten Forderungsaufstellung mit 379,44 Euro beziffert ist, einziehen möge. Der Betrag setzt sich zusammen aus der Resthauptforderung in Höhe von 379,10 Euro sowie aus auf die Hauptforderung angefallene Zinsen für die Zeit vom 20.10.20 bis zum 27.10.20 in Höhe von 0,34 Euro. Für die Zeit ab dem 28.10.20 sollen weitere Tageszinsen berechnet werden.
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Der Gerichtsvollzieher lehnte daraufhin die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung ab mit der Begründung, dass das Insolvenzgericht am 18.07.2017 eine Klausel zur Zwangsvollstreckung über einen Betrag in Höhe von 636,30 Euro erteilt habe und dieser Betrag auch eingezogen und überwiesen worden sei. Damit sei das Verfahren erledigt.
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Das Insolvenzverfahren war nach Vollzug der Schlussverteilung durch Beschluss vom 14.12.2011 aufgehoben worden. Die Restschuldbefreiung wurde dem Schuldner versagt.
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Die Gläubigerin begründet ihre Erinnerung unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Nürnberg vom 01.03.2016 (5 M 20421/15) damit, dass die Forderung aus dem Alt-Titel, mithin aus dem Vollstreckungsbescheid nach Versagung der Restschuldbefreiung insoweit fortbestehe und damit weiterhin daraus vollstreckt werden könne, soweit sie nicht in dem „neuen“ Vollstreckungstitel enthalten sei.
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Der Schuldner gibt an, die Gläubigerin habe auch ausdrücklich erklärt, dass mit der Zahlung in Höhe von 636,30 Euro alles erledigt sei.
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Die Gläubigerin erwidert hierzu, dass eine außergerichtliche Einigung aus dem Jahre 2017 schon dadurch hinfällig geworden sei, dass der Schuldner die Hauptforderung nicht freiwillig gezahlt habe und diese daher im Wege der Zwangsvollstreckung habe eingezogen werden müssen.
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Der Gerichtsvollzieher hat der Erinnerung nicht abgeholfen mit der Begründung, der für vollstreckbare erklärte Betrag sei überwiesen. Im Übrigen sei der zugrunde liegende Vollstreckungsbescheid von dem vollstreckbaren Auszug aus der Insolvenztabelle aufgezehrt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
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II.
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Das Begehren der Gläubigerin hat keinen Erfolg.
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Die Erinnerung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft nach § 766 Abs. 2 ZPO.
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Die Gläubigerin ist erinnerungsbefugt, weil der Gerichtsvollzieher sich weigert, den weitergehenden Auftrag auszuführen.
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Es besteht auch noch ein Rechtsschutzbedürfnis vor dem Hintergrund, dass die Beteiligten sich darüber streiten, ob die Zwangsvollstreckung endgültig beendet ist, d. h. ob insbesondere eine weitergehende Zwangsvollstreckung aus dem Auszug aus der Insolvenztabelle bzw. aus dem Vollstreckungsbescheid noch möglich ist.
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Die Erinnerung ist aber unbegründet.
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Der Gerichtsvollzieher durfte die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung ablehnen.
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Eine weitergehende Zwangsvollstreckung ist weder aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Auszuges aus der Insolvenztabelle noch aus dem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirkten Vollstreckungstitel möglich.
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Ist eine Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt, erfolgt die Vollstreckung nur noch mittels einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Insolvenztabelle. Insoweit werden bereits bestehende Titel durch die Feststellung zur Tabelle aufgezehrt (vergleiche Mäusezahl, in: Graf-Schlicker, InsO, § 201 Rdnr. 3 mit weiteren Nachweisen, DGVZ 2013, 38; Beckonline-Kommentar zu § 201 InsO). Aus Gründen der Rechtssicherheit kann es nicht mehrere denselben Anspruch betreffende Titel geben (vgl. beckonline zu § 201 InsO u.H.a. NZI 2012, 682, Uhlenbruck/Wegener, Kommentar zur InsO, § 201, Rz.23 u. H.a. BGH 18.5.2006 ‒ IX ZR 187/04, ZInsO 2006, 704 = NZI 2006, 536; LG Köln 13.7.2012, ZInsO 2012, 1682 = NZI 2012, 682; LG Kleve 7.9.2012 DGVZ 2013, 38; K/P/B/Holzer § 201 Rn 17, 18; N/R/Westphal §§ 201, 202 Rn 15; BerlKo-Breutigam § 201 Rn 9; HK-Depré § 201 Rn 7; MüKo-Hintzen § 201 Rn 37). Der vollstreckbare Tabellenauszug ersetzt in einer eventuell inhaltsgeänderten Fassung (§§ 41, 42, 45, 46) den früheren Vollstreckungstitel. Die Nachhaftung des Schuldners bestimmt sich nur noch nach dem Inhalt der Tabelleneintragung (MüKo-Hintzen § 201 Rn 37; Jaeger/Meller-Hannich § 201 Rn 14). Aus dem vor Insolvenzeröffnung erwirkten Titel darf nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens daher nicht mehr vollstreckt werden (MüKo-Hintzen § 201 Rn 37).
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Eine Aufzehrung des früheren Vollstreckungstitels tritt jedoch nur insoweit ein, als dieser Titel mit dem Auszug aus der Insolvenztabelle deckungsgleich ist (LG Bielefeld DGVZ 1991, 120; AG Nürnberg JürBüro 2016, 602; MüKo-Hintzen § 201 Rn 37; N/R/Westphal § 201 Rn 16a; A/G/R/Wagner § 201 Rn 11). Titulierte Forderungen, die von dem Auszug aus der Insolvenztabelle nicht erfasst werden, müssen nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens auch weiterhin vollstreckbar sein. Dies betrifft vor allem Zinsansprüche wegen Verzugs für den Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 288 BGB). Solche Forderungen sind idR nachrangig gemäß § 39 Abs 1 Nr 1 InsO und können erst gar nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Vollstreckungsgrundlage für diese Forderungen ist daher immer noch der frühere Vollstreckungstitel (vgl. beckonline-kommentar zu § 201 InsO m.w.N.).
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Die Gläubigerin hat am Insolvenzverfahren teilgenommen und ihre Forderung ist rechtskräftig zur Tabelle festgestellt worden.
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Der vollstreckbare Tabellenauszug ersetzt auch den früheren Vollstreckungstitel, wenn der Schuldner wie vorliegend der Eigenschaft der Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung widersprochen hat. Denn bestreitet der Schuldner bei einem isolierten Widerspruch nur den Schuldgrund, so lässt er die übrigen tabellenrelevanten Feststellungen gerade unbestritten. Der ältere Titel wird in diesem Fall durch den Tabelleneintrag aufgezehrt (LG Köln 13.7.2012, ZInsO 2012, 1682 = NZI 2012, 682).
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Danach ist die weitere Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid durch die in Höhe von 636,60 Euro aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigung des Tabellenauszuges durchgeführte Zwangsvollstreckung und der Auskehrung des Erlöses an die Gläubigerin gesperrt.
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Der Vollstreckungsbescheid und der Tabellenauszug sind insoweit deckungsgleich. Sie beziehen sich beide auf die ursprüngliche Hauptforderung in Höhe von 642,73 Euro, auf die Zinsforderung in Höhe von 122,39 Euro sowie auf die Kosten des Mahnverfahrens in Höhe von 22,50 Euro. Mit der vollständigen Zahlung auf den am 18.07.2017 in Höhe von 636,30 Euro noch festgestellten Betrag ist eine Zwangsvollstreckung insoweit weder aus dem vorgelegten vollstreckbaren Tabellenauszug noch aus dem aufgezehrten Vollstreckungsbescheid mehr möglich. Ausweislich der Forderungsaufstellung der Gläubigerin vom 27.10.2020 macht die Gläubigerin nur noch einen angeblich noch offenen Teil der Hauptforderung zuzüglich Verzugszinsen geltend, mithin auch keine etwaigen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachrangigen Forderungen. Auch die Vollstreckung wegen nach Erteilung der Klausel bis zur Durchführung der Zwangsvollstreckung zwischenzeitlicher aufgelaufener Zinsen ist daher nicht möglich, weil es schon an einem Vollstreckungstitel fehlt (vgl. LG Bielefeld vom 10.05.1991, 3 T 370/91).
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Die Erinnerung war demnach zurückzuweisen.
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III.
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Gerichtskosten nach dem GKG fallen schon nicht an. Die Kostenentscheidung zu den Auslagen des Gerichts und den außergerichtlichen Kosten beruht auf § 91 ZPO.
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Die Verfahrenswertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
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Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Ahaus, Sümmermannplatz 1 - 3, 48683 Ahaus, oder dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.
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Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Ahaus oder dem Landgericht Münster eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.