· Fachbeitrag · Außergewöhnliche Belastung
Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung: Beim BFH Unterlegene ziehen vors BVerfG
| Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, bei der Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung zu verzichten. Mit dieser Entscheidung hat der BFH für Ernüchterung gesorgt. „Gegessen“ ist die Sache aber nicht. Das hat SSP vom Klägeranwalt Lars Petrak erfahren. Erfahren Sie, warum er Verfassungsbeschwerde einlegen wird. |
Das BFH-Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung
Auch wenn der BFH die Revision verworfen hat, ist zunächst einmal beachtlich, dass er entgegen der Meinung der Finanzverwaltung feststellt, „dass Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung dem Grunde nach nicht nur die Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch den eigentlichen Sachaufwand für eine Krankenversorgung umfassen.“ Damit sind gesetzliche Zuzahlungen nicht anders zu behandeln als Versicherungsbeiträge im Umfang der Basisversorgung. Petrak ist deshalb der Ansicht, dass das bei verfassungskonformer Auslegung des § 33 Abs. 3 EStG dazu führen müsste, dass Zuzahlungen unbeschränkt abzugsfähig sind.
Für den BFH zählen aber gesetzliche Zuzahlungen nicht zum Existenzminimum, weil auch Sozialleistungsempfänger ebenso wie Versicherte einen Eigenanteil zu den Zuzahlungen erbringen müssen, im Streitjahr insgesamt 88,76 Euro (BFH, Urteil vom 2.9.2015, Az. VI R 32/13, Abruf-Nr. 182808).
Urteil überzeugt nicht und wird mit Verfassungsbeschwerde angefochten
Petrak hält das für nicht systemgerecht. Der BFH hat übersehen, dass der Sozialleistungsempfänger über seinen Eigenanteil an den Zuzahlungen hinaus auch Bedarf auf weitere Unterstützung bei den gesetzlichen Zuzahlungen aus allgemeinen Haushaltsmitteln haben kann, damit sein Existenzminimum gesichert bleibt. Da „für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands auf das sozialhilferechtliche gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen [ist]“ (BVerfG, Beschluss vom 13.2.2008, Az. 2 BvL 1/06; Abruf-Nr. 080848), muss die Grundentscheidung des Gesetzgebers im SGB auch im Steuerrecht umgesetzt werden.
Was existenznotwendig ist, definiert das SGB. Hinsichtlich von gesetzlichen Zuzahlungen gilt, dass diese nach Berücksichtigung eines Eigenanteils bei Bedarf zur Sicherung des Existenzminimums aus den allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden. Im Steuerrecht ist das nach Auffassung von Petrak dadurch umzusetzen, dass Beträge, die den Eigenanteil der Sozialleistungsempfänger zu den Zuzahlungen übersteigen, ohne Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung voll abzugsfähig sein müssen.
PRAXISHINWEIS | Lars Petrak hat angekündigt, dass seine Mandanten Verfassungsbeschwerde einlegen werden. SSP hält Sie auf dem Laufenden. |