29.04.2011 | Das Interview
Lars Petrak: „Die zumutbare Belastung bei Krankheitskosten ist verfassungswidrig“
Der Ansatz einer zumutbaren Belastung bei der steuerlichen Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) ist verfassungswidrig. Diese Meinung vertritt Lars M. Petrak, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht aus der Kanzlei Dienst, Schneider & Partner GbR aus Koblenz, in der Fachzeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ (12/2011, Seite 552 ff). Anlass für den WISO-SteuerBrief, Herrn Petrak zu fragen, wie er zu dieser Erkenntnis gelangt ist und wie betroffene Steuerzahler ihre Rechte jetzt wahren können.
WISO-SteuerBrief: Sie sind der Auffassung, dass der Ansatz einer zumutbaren Belastung bei der steuerlichen Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG verfassungswidrig ist. Warum?
Lars Petrak: Der Ansatz einer zumutbaren Belastung führt dazu, dass sich gesetzliche Zuzahlungen im Rahmen der Krankenversicherung und andere - von der Versicherung nicht übernommene - Krankheitskosten (zum Beispiel Zahnersatz) nicht in voller Höhe steuerlich auswirken. Es handelt sich um eine Abzugsbeschränkung (in Höhe der zumutbaren Belastung). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mittlerweile jedoch in verschiedenen Entscheidungen festgehalten, dass das Existenzminimum in Höhe der Grundfreibeträge zuzüglich der individuellen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen steuerfrei bleiben muss. Für das Existenzminimum wiederum wird auf den sogenannten sozialhilfegleichen Mindeststandard abgestellt. Was heißt das? Insbesondere die Sozialhilfe gewährleistet die Übernahme von Aufwendungen für die Krankenversorgung, zum Teil sind Steuerpflichtige aus niedrigen Einkommensgruppen auch von Zuzahlungen befreit. Wenn aber ein so definiertes sozialhilfegleiches Versorgungsniveau in voller Höhe aus steuerfreiem Einkommen bestritten werden muss, ist es ein nicht gerechtfertigter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, wenn Steuerpflichtige eigene Zuzahlungen in Höhe der in § 33 EStG pauschalisierten zumutbaren Belastung selbst tragen müssen. Dass oberhalb eines solchen definierten Existenzminimums Einkommen, gegebenenfalls sogar erhebliches Einkommen verbleibt, rechtfertigt diese Ungleichbehandlung meines Erachtens nicht. Steuerliche Gleichbehandlung muss nämlich bereits bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage anfangen.
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