· Fachbeitrag · Steuergestaltung
Behinderungsbedingte Unterbringung in Heim: BFH-Urteil erfordert neue Steuerstrategien
| Behinderte Steuerzahler, die in einem Pflegeheim leben und dafür den Behinderten-Pauschbetrag in Anspruch nehmen, können für Kosten, die mit dem Behinderten-Pauschbetrag abgegolten sind, nicht zusätzlich eine Steueranrechnung nach § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG für haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Aufgrund dieser BFH-Entscheidung müssen Betroffene neu rechnen. Es gilt zu prüfen, ob die alternative Berechnungsmethode - der Einzelnachweis der behinderungsbedingten Kosten - für Heimbewohner nicht zu einer höheren Steuerersparnis führt. |
Behinderten-Pauschbetrag schließt Steueranrechnung aus
Beantragt ein Steuerzahler, der in einem Pflegeheim lebt, einen Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 EStG, scheidet eine Steueranrechnung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG aus, soweit die Aufwendungen mit dem Behinderten-Pauschbetrag abgegolten sind (BFH, Urteil vom 5.6.2014, Az. VI R 12/12; Abruf-Nr. 143010).
Eine Steueranrechnung neben dem Behinderten-Pauschbetrag kommt also nur für solche Kosten in Betracht, die nicht unmittelbar mit der Behinderung zusammenhängen. Das sind zum Beispiel Umzugskosten innerhalb des Pflegeheims, Kosten für die Gartenpflege oder ähnliche Aufwendungen.
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Eine behinderte Steuerzahlerin lebt in einem Pflegeheim. Sie beantragt den Abzug eines Behinderten-Pauschbetrags in Höhe von 720 Euro. Daneben beantragt Sie für folgende Kosten, die sie an das Pflegeheim bezahlt hat, eine Steueranrechnung nach § 35a EStG:
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Folge: Neben dem Behinderten-Pauschbetrag von 720 Euro würde der behinderten Steuerzahlerin eine Steueranrechnung in Höhe von 379,40 Euro zustehen (20 Prozent der Aufwendungen zu den Nummern 2, 3, 6, 7 und 8).
Die Alternative: Verzicht auf Ansatz des Pauschbetrags
Die Alternative zur genannten Kombination von Behinderten-Pauschbetrag und haushaltsnaher Dienstleistung ist, dass der Steuerzahler auf die Inanspruchnahme des Behinderten-Pauschbetrags verzichtet und in seiner Einkommensteuererklärung die tatsächlichen Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend macht, die ihm im Zusammenhang mit seiner Behinderung entstanden sind.
In diesem Fall kann er für die Kosten, die aufgrund der Ansatzes der zumutbaren (Eigen-)Belastung steuerlich unter den Tisch fallen, eine Steueranrechnung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG beanspruchen (BMF, Schreiben vom 10.1.2014, Az. IV C 4 - S 2296-b/07/0003:004; Rz. 32; Abruf-Nr. 140388).
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Die behinderte Steuerzahlerin aus unserem Ausgangsbeispiel verfügt über Gesamteinkünfte (Pension) in Höhe von 30.000 Euro. Sie beantragt statt des Behinderten-Pauschbetrags von 720 Euro den Abzug der tatsächlichen Kosten im Zusammenhang mit ihrer Behinderung als außergewöhnliche Belastung und listet dem Finanzamt dabei folgende Kosten im Zusammenhang mit der Heimunterbringung auf:
Das Finanzamt errechnet in zwei Schritten, zu welchem steuerlichen Ergebnis dieser Ansatz führt. |
Schritt Eins: Ermittlung der außergewöhnlichen Belastung
Bei Einkünften von 30.000 Euro zieht das Finanzamt der ledigen Pensionärin eine zumutbare (Eigen-)Belastung von 1.800 Euro ab (§ 33 Abs. 3 EStG). Als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind damit nur 879 Euro (2.679 Euro ./. 1.800 Euro).
Schritt Zwei: Ermittlung der Steueranrechnung
Zusätzlich kann die Steuerzahlerin daneben für folgende Ausgaben eine Steueranrechnung geltend machen:
Kleinere Schönheitsreparaturen | 113 Euro |
Reinigung Appartement und Gemeinschaftsflächen | 284 Euro |
Umzug innerhalb des Heims | 1.000 Euro |
Gartenpflege | 100 Euro |
Renovierung des Appartements | 400 Euro |
Zumutbare (Eigen-)Belastung | 1.800 Euro |
Summe Steueranrechnung nach § 35a EStG | 3.697 Euro |
Folge: Die Steueranrechnung nach § 35a Abs. 2 EStG erhöht sich durch die Einbeziehung der zumutbaren (Eigen-)Belastung auf 739,40 Euro (20 Prozent von 3.697 Euro).
Welche Rechenmethode ist steuerlich günstiger?
Zuletzt vergleichen Sie, welche Rechenmethode zum steuerlich günstigeren Ergebnis führt. Je nachdem, ob der Behinderten-Pauschbetrag (Berechnungsmethode Eins nach BFH-Urteil vom 5.6.2014, Az. VI R 12/12) angesetzt wird oder die tatsächlichen Kosten (alternative Berechnungsmethode) ergibt sich im Beispielsfall folgendes Bild:
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Ansatz Behinderten-Pauschbetrag | Ansatz tatsächliche behinderungsbedingte Kosten | |
Außergewöhnliche Belastung | 720,00 Euro | 879,00 Euro |
Steueranrechnungnach § 35a EStG | 379,40 Euro | 739,40 Euro |
Folge: Im Beispielsfall würde es sich lohnen, wenn die Steuerzahlerin die tatsächlichen Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung ansetzt. Die Steuerersparnis aus der Kombination von außergewöhnlicher Belastung und Steueranrechnung nach § 35a EStG ist wesentlich höher als wenn sie den Behinderten-Pauschbetrag geltend machen würde. |
Wichtig | Wenn auch Sie die tatsächlichen behinderungsbedingten Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend machen, können Sie neben den genannten Zahlungen ans Pflegeheim natürlich alle weiteren Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung ansetzen (Zuzahlungen zu Medikamenten, Kuren oder medizinischen Behandlungen).
FAZIT | Die aktuelle BFH-Entscheidung erfordert eine Einzelfallbetrachtung und -berechnung, welches Berechnungsverfahren die größere Steuerersparnis bringt. Steuerberater und Lohnsteuerhilfevereine sind dafür bestens prädestiniert. |
Weiterführender Hinweis
- Die aktuelle BFH-Entscheidung ist bereits eingearbeitet in die Sonderausgabe „§ 35a EStG: So nutzen Sie das Steuersparmodell für Jedermann“. Sie finden die Sonderausgabe auf wiso.iww.de unter Downloads → Sonderausgaben.