· Fachbeitrag · Werbungskosten
Großer BFH-Senat muss entscheiden: Kostenaufteilung fürs häusliche Arbeitszimmer möglich?
| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich erstmals dafür ausgesprochen, dass ein Steuerzahler Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann - anteilig - als Werbungskosten abziehen darf, wenn er das Arbeitszimmer teilweise privat und nur teilweise im Rahmen einer Einkunftsart nutzt. Das letzte Wort hat nun der Große Senat des BFH. |
Der Status Quo beim häuslichen Arbeitszimmer
Ob ein Werbungskostenabzug für ein häusliches Arbeitszimmer in Frage kommt, prüft das Finanzamt in zwei Schritten:
Schritt 1: Hat der Steuerzahler keinen anderen Arbeitsplatz (= Werbungskostenabzug bis zu 1.250 Euro pro Jahr) oder stellt das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung dar (= voller Werbungskostenabzug)?
Kann eine dieser Fragen mit „ja“ beantwortet werden, folgt der zweite Prüfungsschritt.
Schritt 2: Wird der Raum zu Hause (nahezu) ausschließlich privat genutzt?
Am zweiten Prüfungsschritt waren bisher alle gescheitert, die in einem Zimmer nur eine Arbeitsecke haben oder einen Raum nur teilweise beruflich nutzen. Das Bundesfinanzministerium (BMF) erlaubt den Werbungskostenabzug für ein häusliches Arbeitszimmer nämlich nur, wenn es ausschließlich beruflich genutzt wird (= mindestens 90 Prozent). Eine Aufteilung bei einer nicht ausschließlich beruflichen Nutzung lässt das BMF nicht zu (BMF, Schreiben vom 6.7.2010, Az. IV C 3 - S 2227/07/10003:002; Abruf-Nr. 102236).
IX. BFH-Senat spricht sich für Aufteilung aus
Der IX. Senat des BFH hat jetzt klargestellt, dass ein Werbungskostenabzug auch möglich ist, wenn das Arbeitszimmer nicht ausschließlich beruflich genutzt wird (BFH, Beschluss vom 21.11.2013, Az. IX R 23/12; Abruf-Nr. 140409). Der Senat bezieht sich dabei auf die Entscheidung des Großen BFH-Senats zu gemischt veranlassten Reisekosten. Der Große Senat hatte damals eine Aufteilung der Kosten in einen - abziehbaren - beruflich veranlassten Teil und einen - nicht abziehbaren - privat veranlassten Teil zugelassen (BFH, Urteil vom 21.9.2009, Az. GrS 1/06; Abruf-Nr. 100184).
Im aktuellen Fall führte das dazu, dass ein Vermieter, der das Arbeitszimmer nachweislich zu 60 Prozent für die Verwaltung seiner Immobilien nutzte, 60 Prozent der Arbeitszimmerkosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung absetzen konnte (BFH, Beschluss vom 21.11.2013, Az. IX R 23/12).
Wichtig | Der IX. Senat hat die Sache dem Großen Senat des BFH zur endgültigen Entscheidung vorgelegt.
So wahren Nutzer häuslicher Arbeitszimmer alle Chancen
Um bei einem positiven Richterspruch des Großen Senats einen anteiligen Werbungskostenabzug für das häusliche Arbeitszimmer durchsetzen zu können, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
- Halten Sie schriftlich fest, welche Aufgaben Sie im Arbeitszimmer erledigen.
- Führen Sie eine Art Tagebuch, an welchen Tagen der Raum wie viele Stunden beruflich und privat genutzt wurde. Bewahren Sie diese Aufzeichnungen gut auf. Entscheidet der Große BFH-Senat nämlich wie 2009, ist eine Aufteilung des Werbungskostenabzugs nach Zeitanteilen vorzunehmen.
- Ermitteln Sie die Gesamtkosten bezogen auf den betreffenden Raum und teilen Sie diese Kosten nach den ermittelten Zeitanteilen in private Kosten und abziehbare Werbungskosten auf.
| ||||||
Die Gesamtkosten für das häusliche Arbeitszimmer betragen 4.000 Euro im Jahr. Aus Ihren Aufzeichnungen ergibt sich, dass Sie das Arbeitszimmer an 1.825 Stunden beruflich und an 500 Stunden für private Zwecke genutzt haben. Der berufliche Anteil beträgt also 78 Prozent, der private 22 Prozent. Folglich können Sie bis zu 3.120 Euro als Werbungskosten geltend machen (4.000 Euro x 78 Prozent).
|
- Tragen Sie die ermittelten, anteiligen Werbungskosten in der jeweiligen Anlage zur Einkommensteuererklärung ein (Anlagen N, V, G oder S).
- Das Finanzamt wird die Werbungskosten nicht anerkennen. Dagegen müssen Sie Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das Verfahren beim Großen Senat Ruhen des Verfahrens beantragen. Einen „Mustereinspruch häusliches Arbeitszimmer“ finden Sie auf wiso.iww.deunter Downloads → Musterverträge/-schreiben → Einsprüche/Rechtsbehelfe.
Das sollten Nutzer einer „Arbeitsecke“ veranlassen
Fraglich ist, ob sich der Große Senat des BFH auch damit befassen wird, ob ein anteiliger Werbungskostenabzug zulässig ist, wenn nur ein Teil des Raums beruflich genutzt wird (Arbeitsecke). Geht man von der Rechtsprechung zu Arbeitsmitteln aus, wäre auf jeden Fall eine mehr als zehnprozen-tige berufliche Nutzung des Raums erforderlich. Es kann aber auch sein, dass sich der Große Senat dazu nicht äußert und der III. und der X. BFH-Senat, bei dem zu dieser Spezialfrage Verfahren anhängig sind (Az. III R 62/11 und X R 32/11), diese Frage klären muss.
Kosten nicht nach zeitanteiliger Nutzung aufteilen
Bei einer Arbeitsecke kann es sinnvoll sein, statt der Aufteilung nach Zeitanteilen eine Aufteilung anhand der durch die Arbeitsecke genutzten Quadratmeter zu beantragen. Weil sich die Finanzverwaltung bisher nicht dazu geäußert hat, welche Bemessungsgrundlage sie für die richtige hält, sollten Sie die Variante wählen, die Ihnen die höchsten Werbungskosten beschert.
| ||||||||||||
Sie nutzen in Ihrem 20 Quadratmeter großen Wohnzimmer eine Arbeitsecke. Diese besteht aus einem Schreibtisch, einem Bürostuhl und zwei Standregalen. Der Arbeitsbereich umfasst 5 Quadratmeter. Die Kosten für das Wohnzimmer im Verhältnis zur gesamten Wohnfläche betragen 3.000 Euro pro Jahr. Das Wohnzimmer wird am Tag acht Stunden lang privat genutzt und eine Stunde beruflich. Sie könnten den anteiligen Werbungskostenabzug also nach Zeitanteilen berechnen oder nach der anteiligen beruflich genutzten Fläche.
Folge: Hier wäre es günstiger, wenn Sie die Werbungskosten nach dem Anteil der beruflich genutzten Fläche ermitteln. Untermauern Sie diese Ermittlungsmethode mit dem Hinweis, dass die beruflich genutzten 5 Quadratmeter zu keiner Minute des Tages privat genutzt werden können. |
Beruflich genutzte Fläche wahrheitsgemäß angeben
Bleiben Sie bei der Ermittlung der beruflich genutzten Quadratmeter immer bei den Tatsachen und liefern Sie dem Finanzamt bei Rückfragen ein Foto der Arbeitsecke. Wer es mit der Quadratmeterzahl übertreibt, riskiert bei einem positiven Richterspruch des BFH den Besuch des Finanzamts. Finanzämter klären Unstimmigkeiten beim Arbeitszimmer nämlich gerne dadurch, dass sie einen Beamten zu Ihnen nach Hause schicken.
Weiterführender Hinweis
- Einen „Mustereinspruch häusliches Arbeitszimmer“ finden Sie auf wiso.iww.de unterDownloads → Musterverträge/-schreiben → Einsprüche/Rechtsbehelfe