· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Abfindungen: Neue Gestaltungsüberlegungen zur Nutzung der Fünftel-Regelung
| Siemens will tausend Stellen abbauen, andere Großkonzerne auch. Trotz guter Konjunktur gibt es also immer wieder Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren, oft gegen Abfindung. Lernen Sie nachfolgend die neuesten Urteile und Verwaltungsanweisungen kennen, damit von der Abfindung nach Steuern ein möglichst hoher Betrag auf dem Konto bleibt. Der Weg dahin geht über die Nutzung der günstigen Besteuerung nach der Fünftel-Regelung durch entsprechende Gestaltungen. |
Voraussetzungen für die Nutzung der Fünftel-Regelung
Eine Abfindung, die ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses erhält, rechnet zu den außerordentlichen Einkünften, für die eine begünstigte Besteuerung nach der Fünftel-Regelung in Betracht kommt. Um die Steuerbegünstigung des § 34 EStG nutzen zu können, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Abfindung muss eine Entschädigung sein,
- sie muss in einem Kalenderjahr ausgezahlt werden und
- im Jahr der Zahlung zu einer Zusammenballung von Einkünften führen.
Neue Erkenntnisse zur „Zusammenballung von Einkünften“
Die Rechtsprechung hat sich jüngst vor allem mit der „Zusammenballung von Einkünften“ befasst. Ziehen Sie daraus die richtigen Schlüsse.
Finanzamt prüft Zusammenballung in zwei Schritten
Ob die Zahlung einer Abfindung zu einer Zusammenballung von Einkünften führt, prüft das Finanzamt in zwei Schritten (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Az. IV C 4 - S 2290/13/10002; Abruf-Nr. 133457):
- 1. Ist Abfindungsbetrag höher als der wegfallende Arbeitslohn? Stellt das Finanzamt fest, dass der Abfindungsbetrag höher ist als der wegfallende Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer in dem Jahr bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte, wird es eine Zusammenballung von Einkünften annehmen. Schritt zwei ist dann nicht mehr notwendig.
- 2. Werden weitere Einkünfte erzielt und die Vorjahreseinkünfte übertroffen? Lautet die Antwort in Schritt eins „nein“, prüft das Finanzamt, ob im Abfindungsjahr noch weitere Einkünfte erzielt wurden, die der Arbeitnehmer bei ungestörter Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses bezogen hätte und dadurch insgesamt höhere Einkünfte erzielt wurden. Ist das der Fall, kann eine Zusammenballung von Einkünften bejaht werden.
- Wichtig | Bei dieser Rechnung vergleicht das Finanzamt die Einkünfte des Abfindungsjahres inklusive Abfindung mit den Einkünften des Vorjahres.
Gestaltungen zur Sicherung der Fünftel-Regelung
Nachfolgend erhalten Sie drei Gestaltungsempfehlungen, um die Inanspruchnahme der Fünftel-Regelung sicherzustellen.
Besser Abfindung als Freistellung vereinbaren
Aus Sicht des § 34 EStG ist es immer besser, eine Abfindung statt einer Freistellung zu vereinbaren. Das zeigt folgendes Beispiel:
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Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer mit, das Dienstverhältnis zum 31. Dezember aufzulösen. Er bietet dem Arbeitnehmer an, ihn
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Wichtig | Die günstigere Besteuerung nach § 34 EStG erhält der Arbeitnehmer nur, wenn er die Abfindung vereinbart. In dem Fall liegt die Abfindung in Höhe von 25.000 Euro nämlich über dem wegfallenden Arbeitslohn von 24.000 Euro. Bei einer Freistellung mit monatlicher Lohnfortzahlung fehlt es dagegen an der „Zusammenballung von Einkünften“. In der Praxis sollte deshalb stets eine Vergleichsrechnung durchgeführt werden. Damit die Fünftel-Regelung zur Anwendung kommt, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer natürlich nach einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiss suchen.
Wechsel zur selbstständigen Tätigkeit
Die oben vorgestellte Prüfung in zwei Schritten, ob eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt, gilt auch, wenn sich ein Arbeitnehmer nach der Beendigung eines Dienstverhältnisses selbstständig macht. Dass hier ein völlig neues Kapitel aufgeschlagen wird und hohe Gewinne im Erstjahr der Selbstständigkeit nicht zu erwarten sind, interessiert das Finanzamt nicht (BFH, Urteil vom 8.4.2014, Az. IX R 33/13; Abruf-Nr. 142383).
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Das Dienstverhältnis wird am 31. März aufgelöst. Der Arbeitnehmer hat in den ersten drei Monaten Arbeitslohn in Höhe von 17.000 Euro bezogen. Die Abfindung beträgt 42.000 Euro. Anschließend gründet er einen Gewerbebetrieb, mit dem er im Fall a bei Abzug eines Investitionsabzugsbetrags von 5.000 Euro noch Einkünfte von 5.000 Euro erzielt oder im Fall b 10.000 Euro (ohne Investitionsabzugsbetrag). Die Vorjahreseinkünfte des Arbeitnehmers betrugen 64.000 Euro. |
Schritt 1: Keine Zusammenballung von Einkünften, weil die Abfindung von 42.000 Euro die entgehenden Einnahmen von 51.000 Euro nicht überschreitet (17.000 Euro : 3 Monate x 9 Monate).
Schritt 2: Hier werden die Vorjahreseinkünfte mit den Einkünften im Jahr der Abfindungszahlung verglichen. Es ergibt sich folgendes Ergebnis:
Vorjahreseinkünfte | 64.000 Euro | 64.000 Euro |
Einkünfte im Abfindungsjahr | a) mit Investitions- abzugsbetrag | b) ohne Investitions- abzugsbetrag |
Einkünfte bis Ende März | 16.000 Euro (17.000 Euro ./. Werbungskostenpauschale) | 16.000 Euro |
+ Abfindung | 42.000 Euro | 42.000 Euro |
+ Gewerbliche Einkünfte | 5.000 Euro | 10.000 Euro |
Summe | 63.000 Euro | 68.000 Euro |
Fünftel-Regelung | Nein, keine Zusammenballung von Einkünften (Ein-künfte liegen im Abfindungsjahr unter denen des Vorjahrs) | Ja, Zusammenballung von Einkünften (Einkünfte liegen im Abfindungsjahr über denen des Vorjahrs) |
PRAXISHINWEIS | Wer sich also nach einer Entlassung nicht arbeitslos melden will, sondern den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit wagt, sollte den Gewinn gezielt in Hinblick auf die Anwendung der Fünftel-Regelung steuern. Ergeben sich aus der Aufnahme eines Gewerbebetriebs im Jahr der Abfindungszahlung Verluste, werden diese bei der Ermittlung der Vergleichseinkünfte nicht einbezogen (BMF, Schreiben vom 1.11.2013, Textziffer 11, Beispiel 4). |
Lohnersatzleistungen sind in die Vergleichsberechnung einzubeziehen
Der BFH muss sich mit der Frage befassen, ob Lohnersatzleistungen in die Vergleichsrechnung einzubeziehen sind. Die Finanzverwaltung vertritt bisher eine steuerzahlerfreundliche Auffassung und bejaht dies. Das FG Niedersachsen dagegen ist anderer Meinung (FG Niedersachsen, Urteil vom 20.3.2014, Az. 1 K 130/13; Abruf-Nr. 142492; Revision beim BFH: Az. IX R 14/14).
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Die Vorjahreseinkünfte betrugen 230.000 Euro, die Gesamteinkünfte im Abfindungsjahr 235.000 Euro. Diese setzen sich wie folgt zusammen: Arbeitslohn 35.000 Euro, Abfindung 190.000 Euro, Lohnersatzleistungen 10.000 Euro.
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Wichtig | Rechnet das Finanzamt doch wie das FG Niedersachsen, legen Sie Einspruch ein. Weisen Sie auf das BMF-Schreiben vom 1. November 2013 hin. In Textziffer 11 steht ausdrücklich, dass Lohnersatzleistungen in die Vergleichsberechnung einzubeziehen sind. Stellt sich das Finanzamt stur, verweisen Sie auf das anhängige BFH-Verfahren mit dem Az. IX R 14/14 und bitten Sie um Ruhen Ihres Verfahrens.